"Das sind ja Atomkraftwerke auf vier Rädern!" Ex-F1-Ingenieur Peter Wright war nach 40 Berufsjahren im Motorsport einfach baff beim Studium der neuen LMP1-Autos. Das Zitat drückt Hochachtung genauso aus wie Beklemmung: Niemals zuvor in der Geschichte des Sports haben Hersteller derart hoch entwickelte und komplexe Rennwagen gebaut.
LMP1-Prototypen der Mount Everst der Rennsporttechnologie
Die LMP1 von Audi, Porsche und Toyota repräsentieren den Mount Everest der Rennsporttechnologie, und die Konstrukteure sind sichtlich stolz darauf. Das Publikum wirkt jedoch ein wenig verstört: ERS, MGU-K, MGU-H, Fuel Technology Factor, spezifischer Kraftstoffverbrauch, K-Technology-Factor, Equivalence of Technology, MJ pro Runde – wäre das nicht etwas einfacher gegangen?
Im Gegensatz zur Formel 1, wo alle Hersteller die gleichen Energierückgewinnungssysteme und Motoren verwenden, erlaubt das neue LMP1-Reglement für 2014 unterschiedliche Ansätze bei Motor, Rekuperationsform und Energiespeicherung. Um diese erstaunliche Vielfalt unter einen Hut zu bringen und jedem Teilnehmer die gleichen Voraussetzungen zu bieten, musste ein Ausgleich auf Basis physikalischer Gesetze und mathematischer Berechnungen her. Wir versuchen – nach stundenlangen Interviews mit den Top-Ingenieuren der drei Hersteller – die wichtigsten Fragen zum komplizierten LMP1-Reglement zu klären.
Was bedeutet Energie-basiertes LMP1-Reglement?
Vom Prinzip her sind die neuen LMP1 ganz normale Rennwagen. Auch die Hybrid-Baugruppen wie KERS und Energiespeicher gibt es in der LMP1-Kasse seit 2012. Neu sind die Bestimmungen zum Energieverbrauch.
Zwei Energiequellen stehen zur Verfügung: der gute alte Verbrennungsmotor und maximal zwei Energierückgewinnungssysteme pro Fahrzeug. Um den Fokus von purer Performance auf gesteigerte Effizienz zu verschieben, werden die Energiemengen exakt definiert und streng kontrolliert. Anstatt beim Motor wie in der Vergangenheit die unbegrenzt zur Verfügung stehende Ressource Luft – nämlich über Air-Restriktoren – zu begrenzen, wird nun die nicht erneuerbare Ressource Energie limitiert, und zwar über die Kraftstoffmenge.
Dafür haben die Hersteller die freie Wahl beim Motorkonzept: Vom Vierzylinder bis zum Zehnzylinder ist theoretisch alles denkbar, egal ob Sauger oder Turbo, Benziner oder Diesel. Luftmengenbegrenzer gibt es nicht mehr, nur eine Ladedruckbegrenzung bei den Turbos von maximal 4 bar. Gleichzeitig wird der Anteil der Rekuperation stark erhöht, zum Beispiel über Energierückgewinnung beim Bremsen, wo letztlich reine Verlustenergie wieder in Vortrieb umgesetzt werden kann.
Wo liegt die Herausforderung für die Hersteller?
Einfach gesagt: den ganzen Plunder im Auto unterzubringen, denn das neue Reglement senkt – im Sinne der Gesamteffizienz – das Mindestgewicht von 915 auf 870 Kilo herab. Gleichzeitig müssen aber zwei Hybridsysteme im Auto verstaut werden. Doch damit nicht genug: Wer weniger Energie zur Verfügung hat, muss den Luftwiderstand senken, um die Topspeed-Verluste aufzufangen.
Gleichzeitig gelten beim Chassis neue Vorgaben, die eher Gewicht kosten, wie der Seitenaufprallschutz, Radrückhaltesysteme oder die Heck-Crash-Struktur. Die Bestimmungen für ein verbessertes Sichtfeld des Fahrers führten zur Vergrößerung der Cockpit-Kanzel, was den Luftwiderstand erhöhte. Das Reglement hilft den Ingenieuren aber auch: Die Maximalbreite der LMP1-Autos schrumpfte um 10 Zentimeter (von 200 auf mindestens 190 cm), die Reifengrößen verringerten sich um zwei Zoll (von 16 auf 14), was sowohl den Luft- als auch den Rollwiderstand senkte.
Wo liegen die Unterschiede bei den LMP1-Fahrzeugkonzepten?
Die schon bisher im LMP1-Sport engagierten Hersteller Audi und Toyota haben versucht, die Anzahl der Variablen so gering wie möglich zu halten, in der Erkenntnis, dass das Management der zur Verfügung stehenden Energiequellen so komplex und aufwendig ist, dass man sich am besten nicht verzetteln sollte.
Audi verwendet wie 2013 einen V6-Turbodiesel, mit etwas mehr Hubraum. Toyota verwendet wieder einen V8-Saugmotor wie 2013, mit etwas mehr Hubraum. Leistung, Drehmoment und Kühlbedarf waren damit bekannt. Das gleiche Bild auf der Hybridseite: Toyota nutzt weiterhin die Bremsenergie, jetzt aber an Vorder- und Hinterachse. Audi setzt auch wieder auf KERS. Die Energiespeicherung für die Hybridsysteme blieb ebenfalls identisch mit 2013: Audi verwendet einen Drehmassenspeicher, Toyota Superkondensatoren.
Mit dieser Konzeptkontinuität können sich Audi und Toyota voll auf die Vernetzung der Energiesteuerung konzentrieren. Porsche dagegen begann als Neueinsteiger mit einem weißen Blatt Papier, konnte alle Varianten von Motorkonzepten, Hybrid- und Energiespeichersystemen durchrechnen und das Optimum herauspicken. So verfolgt Porsche den radikalsten Ansatz im Feld: Downsizing über Zweiliter-Turbomotor mit V-Anordnung, KERS an der Vorderachse und obendrauf die Abgasenergierückgewinnung. Beim Energiespeicher setzen die Schwaben auf Lithium-Ionen-Batterien.
Welcher Motor ist der beste – und welcher der effizienteste?
Die Begrenzung der Energiemenge für den Motor bedeutet für die LMP1-Hersteller, dass der Verbrauch in Relation zur Leistung jetzt zur dominierenden Kerngröße wird. Die Frage lautet: Wie bekomme ich bei möglichst wenig Verbrauch circa 500 PS Leistung? Audi stockte das Volumen über einen vergrößerten Hub sogar von 3,7 auf 4,0 Liter auf. Warum? Um die Effizienz zu steigern, fährt man mager – also mit Luftüberschuss. Den Luftdurchsatz kann man über die Drehzahl erhöhen, was beim Diesel nur begrenzt möglich ist.
Auch beim Ladedruck gab es wenig Spielraum, denn hier arbeitete Audi bereits mit einem Hochdruckkonzept. Also erhöhte man den Hubraum, weil so der Luftdurchsatz und damit die Gesamteffizienz steigt. Toyota ging beim V8-Sauger einen ähnlichen Weg: Der Hubraum stieg von 3,4 auf 3,7 Liter, das soll aber primär die Drehzahlen senken – und damit den Verbrauch.
Porsche hat das extremste Konzept: Das Downsizing auf zwei Liter Hubraum spart Gewicht, Hochaufladung und Direkteinspritzung stellen die Effizienz sicher, auch wenn Benziner hohe Ladedrücke wegen der Klopffestigkeit weniger gut verkraften als Dieseltriebwerke. Dafür ist der V4 leicht – was Spielraum für die ERS-Systeme schafft.
Welche Energierückgewinnungssyteme (ERS) sind die besten?
Die Hersteller sind sich einig: Die größte ungenutzte Energiequelle im Fahrzeug sprudelt beim Bremsvorgang, wo Bewegungsenergie in Hitzeenergie umgewandelt wird. Vier der fünf ERS-Systeme der drei LMP1- Hersteller speisen sich aus der Bremsenergie, die im Reglement unter dem Begriff MGU-K (Motor Generator Unit-Kinetic) firmiert. Der Vorteil: Hier wird reine Verlustenergie genutzt, während eine Verwendung der Abgasenergierückgewinnung trickreich ist. Nur Porsche hat sich auf das Wagnis eingelassen, Audi hat den geplanten Einsatz im Februar abgeblasen.
Die Rekuperation über einen Elektrogenerator im Abgasstrom verändert nämlich den Ladungswechsel des Motors und beeinträchtigt damit den Wirkungsgrad. Da müssen Aufwand und Nutzen streng gegeneinander abgewogen werden, dazu steigen Systemkomplexität und Applikationsaufwand. Außerdem fällt das Mehrgewicht für die MGU-H (Motor Generator Unit-Heat) weit hinten und noch dazu weit oben an. Der Vorteil: Man kann auf den Geraden beim Beschleunigen Energie rekuperieren, die aber erst im Speicher abgelegt werden muss, bevor man boosten kann. Laut Porsche ist die Kombination aus MGU-K und MGU-H auch leichter als die Verwendung von zwei KERS-Systemen.
Welches Speichersystem ist das beste?
Eine knifflige Wahl. Toyota und Audi wählten das, was sie schon hatten, Stichwort Konzeptkontinuität. Zwei Kriterien sind entscheidend: Energiedichte und Leistungsdichte. Supercaps (Toyota) zeichnen sich durch hohe Leistung aus, sind aber wie Batterien (Porsche) schwer und benötigen Kühlung. Auch Batterien bieten hohe Leistung und können viel Energie speichern. Die Nachteile liegen bei Handling und Transport, weil Batterien nicht vollständig heruntergefahren werden können, und so nie völlig stromlos sind.
Der Drehmassenspeicher (Audi) hat im Vergleich Gewichts- und Kühlvorteile, ist aber bei der Energieaufnahme beschränkt, auch weil der nutzbare Speicherhub eher schmal ausfällt, da beim Boosten eine gewisse Mindestdrehzahl des Flywheels nicht unterschritten werden darf.
Warum ist der Appendix B die zentrale Stellschraube?
Der Appendix B legt in tabellarischer Form fest, wie viel Energie jeder Hersteller mit seinem Motorkonzept pro Runde in Le Mans verbrauchen kann. Die Energiemenge ist über mehrere Faktoren verknüpft, vor allem mit der Wahl, in welcher ERS-Klasse ein Hersteller antritt. Die ERS-Klassen definieren, wie viel Energie über eine Runde in Le Mans mit dem Hybridsystem eingespeist werden kann.
Zur Wahl stehen 2, 4, 6 und 8 MJ. Desto mehr Energie aus dem Hybridsystem kommt, umso weniger Energie erhält man für den Motor. Aber das Reglement incentiviert die Verwendung leistungsstarker Hybridsysteme künstlich, indem man proportional betrachtet mehr Energie zugestanden bekommt, je höher die ERS-Klasse ausfällt, in der man startet. Diese künstliche Kompensation entspricht ungefähr 0,5 Sekunden pro Runde in Le Mans pro MJ in der ERS-Klasse.
Anders ausgedrückt: Fährt man in der 6-MJ-Klasse, so gewinnt man gegenüber der 4-MJ-Konkurrenz eine Sekunde pro Runde in Le Mans. Mit 8 MJ wäre man also theoretisch am besten bedient – schleppt dafür aber ein sehr schweres Hybridsystem mit sich herum. Toyota und Porsche haben sich daher für die 6-MJ-Klasse entschieden, weil der Kompromiss zwischen Leistung, Packaging, Gewicht und Kühlbedarf hier am besten ausfällt. Audi dagegen startet nur in der 2-MJ-Klasse. Die im Appendix B angegebenen Werte für die Energiemenge des Verbrennungsmotors und des Hybridsytems (z. B. 130 MJ Motor und 6 MJ Hybrid) dürfen auf keinen Fall addiert werden, denn die Wirkungsgrade der Systeme sind grundverschieden:
Ein Dieselmotor kommt auf einen Wirkungsgrad von über 40 Prozent, ein Benziner liegt unter 40, die Elektromaschinen des Hybridsytems schaffen 90 Prozent. Da die Energie aber erst im Speicher zwischengelagert werden muss, bevor sie eingespeist werden kann, sinkt der Wirkungsgrad der Hybrid-Power auf circa 60 Prozent – liegt aber damit immer noch deutlich über dem Verbrennungsmotor.
Was bedeutet Equivalence of Technology (EoT)?
Die großen Freiheitsgrade im LMP1-Reglement haben zur Folge, dass sehr unterschiedliche Technologien gegeneinander antreten, zum Beispiel Diesel gegen Benziner. Die Dieseltechnik ist schwerer, auch die Energiedichte der Kraftstoffe ist unterschiedlich – und dafür muss ein Ausgleich geschaffen werden. Die Daten des Appendix B reflektieren diesen Ausgleich, der nicht auf Willkür beruht, sondern auf Physik und Mathematik. Drei zentrale Eckpfeiler steuern den Prozess, an dessen Ende der Appendix B steht: Erstens schafft der K-Technology-Factor eine Kompensation für die schwerere Dieseltechnik.
Hierzu wurden alle Baugruppen der kompletten Powertrains (inklusive Getriebe) aller drei Hersteller gewogen. Wie hoch das Delta beim Gewicht zwischen Benziner und Diesel wirklich ist, wissen wir nicht präzise, vermutlich im Bereich von 40 Kilo. Der K-Technology-Factor berechnet nun, wie viel Leistung ein ERS-System mit 40 Kilo erbringt – und bestimmt dann ein entsprechendes Kraftstoffäquivalent für den Dieselmotor, um den Gewichtsnachteil auszugleichen.
Gewicht wird also nicht mit Gewicht vergütet, sondern mit mehr Energie für den Dieselmotor.
Im zweiten Schritt muss die unterschiedliche Energiedichte der Kraftstoffe bewertet werden, das geschieht über den Fuel Technology Factor, was unter anderem zu den unterschiedlich großen Tankinhalten für Diesel und Benziner führt. In die finale Bestimmung der Energiemenge für die Motoren fließt auch der spezifische Kraftstoffverbrauch ein, der von den Herstellern bei FIA und ACO eingereicht werden musste.
Die Werte wurden dann per Simulation gegengerechnet und nochmals mit den realen Verbräuchen bei Testfahrten wie in Le Castellet abgeglichen. Schließlich wird noch die Begünstigung für den Start in einer höheren ERS-Klasse eingerechnet – und schon ist der Appendix B fertig! Dieser Vorgang unter dem Begriff Equivalence of Technology ist sozusagen der wissenschaftliche Ersatz für die Balance of Performance. Die Einstufungen des Appendix B – von krassen Ausnahmefällen abgesehen, die ein Einschreiten von FIA und ACO rechtfertigen – behalten ein volles Jahr Gültigkeit. Nachtreten oder Nachverhandeln sind ausgeschlossen.
Wie werden die neuen Energieobergrenzen kontrolliert?
Die Hybridpower wird über die Elektromaschine (MGU) überwacht, die Kraftstoffmenge mit einem Ultraschallmessgerät, das baugleich ist mit dem Durchflussmengenbegrenzer der Formel 1. Mit einer Messgenauigkeit von +/– 0,25 Prozent wird der Kraftstoffverbrauch ermittelt, was wohl jetzt halbwegs funktioniert. Während der Durchflussmengenbegrenzer der F1 im Tank verbaut ist, haben die LMP1 ein redundantes System mit zwei Fuel Flow Metern, die in einem Schott an der B-Säule der Cockpitkanzel verbaut sind, sodass man sie bei einer Fehlfunktion schnell wechseln kann.
Beim Diesel kommen sogar drei Messgeräte zum Einsatz, weil der Rückflusswert vom Einflusswert abgezogen werden muss. Das zweite Kontroll-Tool ist die Drehmomentmesswelle, die Daten über Drehmoment und Drehzahl liefert. Eine Beispielrechnung: Wer mit einem Benziner in der 8-MJ-Hybridklasse antritt, bekommt 4,64 Liter Kraftstoff pro Runde in Le Mans. Bei einer Abweichung von unter 2 Prozent hat das Einsatzteam zwei Runden Zeit, den Mehrverbrauch wieder einzusparen.
2 Prozent entsprechen 0,09 Liter Benzin! Beträgt der sogenannte Overshoot mehr als 2 Prozent, dann hagelt es sofort eine Strafe, und die gilt bei den Teams als Genickbrecher für das Rennen. Daher werden sie alles unternehmen, um auf jeden Fall immer unter dem Straflimit zu bleiben.
Warum ist das LMP1-Energiemanagement so komplex?
In einem Punkt sind sich die führenden Köpfe der drei LMP1-Werksteams einig: Das größte Rundenzeitenpotenzial kommt aus der komplexen Steuerung der zur Verfügung stehenden Energie. Man muss in Le Mans den Kraftstoff pro Runde optimal und bis auf den letzten Tropfen ausnutzen und darf nichts verschenken. Die Hybrid-Power muss so eingesetzt werden, dass man die Rundenzeit maximal optimiert. Dazu muss der Allradantrieb beim Boosten mitgesteuert werden – da zählen Timing und Länge des Einsatzes, Höhe der Leistung und auch die Verzahnung mit der Verbrennerleistung – ein kniffliger Job.
Warum werden die LMP1 mit weniger Energie schneller?
Gütige Whistleblower aus den Teams haben glaubhaft versichert, dass die Simulationen für das Qualifying in Le Mans Rundenzeiten von unter 3.20 Minuten vorhersagen – die Pole-Zeit 2013 lag bei 3.22,3 Minuten. Wie kommt es, dass die LMP1 mit weniger Abtrieb, schmaleren Reifen und weniger Energie für den Motor schneller fahren? Weil sie in Summe mehr Leistung haben, da das Reglement mehr Speichervolumen für die Hybridsysteme zugesteht und die Elektromaschinen somit mehr Leistung einspeisen können.
Toyota gibt zum Beispiel eine Systemleistung von 1.000 PS an, was irreführend ist, weil die maximale Leistung nur bei einer bestimmten Drehzahl anfällt, bei der dann gleichzeitig der maximale Boost anliegen muss. Aber während Toyotas Hybridsystem im letzten Jahr 220 kW leistete, so liegen jetzt 382 kW an.
Die Rolle der Hybridsysteme bei der Rundenzeitenoptimierung steigt – desto mehr Hybrid, umso schneller. Die Bedeutung des Verbrennungsmotors sinkt im Verhältnis.
Wie verändert sich dadurch der Sport auf der Rennstrecke?
Das ist die zentrale Frage, denn nach derzeitigem Kenntnisstand müssen die Piloten Sprit sparen, weil sie mit dem Gaspedal den wichtigsten Stellhebel für den Verbrauch unter ihrem rechten Fuß haben, während die Einspeisung der Hybrid-Power vollautomatisch erfolgt. Führt der Zwang, Kraftstoff zu sparen, zu einer schlechteren Show? Die Frage wird man erst nach dem 24h-Rennen in Le Mans beantworten können.
Im Detail: Verpasste Chance?
Das neue LMP1-Reglement rückt das Thema Effizienz in den Vordergrund: Man kappt die Energiemenge für den Motor und stärkt den Faktor Hybrid. Doch beim Thema Aerodynamik ist den Machern offenbar der Mut ausgegangen. Man hat sich damit zufriedengegeben, dass die reduzierte Energie automatisch dazu führt, dass die Hersteller den Luftwiderstand – und damit auch den Abtrieb – senken werden.
Für innovative Lösungen bietet das Reglement aber offenbar keinen Platz. Beispiel Nr. 1: Das Reglement verbietet den Einsatz des sogenannten Blown Diffusors, wie ihn Audi im letzten Jahr verwendete. Die seitliche Versiegelung des Heckdiffusors mithilfe der Abgase brachte 20 Prozent mehr Abtrieb und war dabei extrem effizient, weil Abtrieb aus der Unterströmung nicht oder nur kaum in den Luftwiderstand eingeht – eine unverständliche Entscheidung.
Beispiel Nr. 2: Bewegliche aerodynamische Bauteile bleiben weiterhin verboten, während DRS-Systeme in der DTM oder Formel 1 schon seit langer Zeit erlaubt sind und erfolgreich eingesetzt werden. Hier fällt das LMP1-Reglement jetzt sogar hinter die Serienentwicklung zurück: Automatisch ein- und ausfahrbare Spoiler oder das Verschließen von Kühlkanälen ab gewissen Speeds gehören zum Standard im Sportwagenbau.
Wenn man die Energiemenge so drastisch reduziert – je nach Motorkonzept zwischen 25 und 30 Prozent –, dann hätte man den Konstrukteuren die Chance geben müssen, clevere Lösungen auch bei der Reduktion des Luftwiderstands umzusetzen.
Beispiel Nr. 3: Aero-Flexibilität ist in der Formel 1 seit Jahren ein Thema. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit verformen sich aerodynamische Bauteile und reduzieren so den Luftwiderstand. Okay, hier öffnet man vielleicht die Büchse der Pandora, denn das Thema ist heikel, nur schwer zu policen, und vielleicht wollte man verhindern, dass der Sportwagensport zu einer Aerodynamik-WM verkommt.
Wer sich die angeblich so revolutionären LMP1-Autos im Detail ansieht, erkennt bei der Aerodynamik kaum neue Ansätze: Der Audi R18 hat sich beispielsweise nur unmerklich verändert. Die einzige Neuerung für 2014 besteht darin, dass vorn erstmals ein echter Frontflügel erlaubt ist. Revolutionär sieht anders aus – hier hat man eine Chance zu mehr Effizienz verpasst.