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Skoda-Vorstand Maier im Interview
"Autofahren wird teurer werden"

Der Skoda-Vorstandsvorsitzende Bernhard Maier über kostspielige Technologien, die hohe Nachfrage nach sportlichen Modellen und die größte Produktoffensive in der Geschichte der tschechischen VW-Tochtermarke.

Bernhard Maier
Foto: Ivo Hercik

Freitagmorgens um 7.30 Uhr geht die Pracht der Prager Altstadt noch nicht in den Massen von Touristen unter, selbst der Berufsverkehr auf den Uferstraßen hält sich in Grenzen. Bernhard Maier empfängt uns im Stadtbüro des Unternehmens, untergebracht in den Räumen der ehemaligen Botschaft der verblichenen DDR.

Skoda-Modelle parken regelmäßig auf den Titelseiten von auto motor und sport, nur beim Schwestermagazin sport auto noch nicht. Wie wollen Sie das noch schaffen?

Nun, das liegt natürlich im Ermessen der Redaktion. Wir haben ein erfolgreiches RS-Programm, und Motorsport gehört seit 117 Jahren zu Skoda. Dieses Jahr werden wir erneut den Titel in der WRC2 gewinnen. Das ist dann das vierte Mal in Folge. Skoda ist breit aufgestellt, Sportlichkeit ist nur ein Teilaspekt unserer Marke.

Unsere Highlights
Dann beschreiben Sie doch mal die aktuelle Rolle der Marke im Volkswagen-Konzern.

Wir haben 2015 die Strategie 2025 für das Unternehmen erarbeitet und dabei die Marke nochmals geschärft. Skoda steht seit jeher für viele rationale Attribute wie viel Raum, viele praktische Details oder ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, was sich vor allem durch die Positionierung der einzelnen Modelle am jeweils oberen Rand ihres Segments ausdrückt. Mit der Einführung des aktuellen Superb haben wir diese Werte um viele emotionale Attribute angereichert. Dazu zählt eine expressive, unverwechselbare Formensprache sowohl im Exterieur wie auch zukünftig im Interieur. Menschlich, erreichbar, überraschend und intuitiv – diese Werte charakterisieren unsere Marke treffend. Ich fasse das gerne unter dem Begriff „Smart Understatement“ zusammen. Ein Wertekanon, den immer mehr Kunden schätzen.

Der beeindruckende Kronleuchter im Konferenzraum fällt dann eher unter das Attribut „überraschend“ in diesem Wertekanon. Häufig ist Maier nicht hier, pendelt meist zwischen dem Stammwerk Mladá Boleslav und der Volkswagen-Zentrale in Wolfsburg, reist in Wachstumsmärkte, derzeit gerne Indien. Dort die Geschäfte zum Laufen zu bringen, sei eine echte Herausforderung, erzählt er. Doch zurück zum europäischen Markt.

Ihre Kunden schätzen vor allem die SUV Kodiaq und Karoq. Wie geht es also weiter?

Unsere SUV-Offensive war erst der Anfang. Von 2018 bis Ende 2020 wird Skoda 19 neue Produkt-Highlights bieten, die alle die eben angesprochenen Werte bestens verkörpern.

Den Wert der Erreichbarkeit bedrohen allerdings teure Technologien, zu denen schärfere Emissionsgesetze Sie zwingen, oder?

Autofahren wird durch die neuen Technologien teurer werden. Skoda profitiert von den geringen Faktorkosten in Tschechien, die wir an unsere Kunden weitergeben. Wobei sich auch da die Schere eher schließt, als dass sie auseinandergeht.

Ist es unter diesen Voraussetzungen herausfordernder, Bestseller wie den Octavia zu erneuern oder in ein völlig neues Segment einzutreten?

Ich bin davon überzeugt, dass die Aufgabenstellung deutlich vielfältiger ist. Die Branche befindet sich in einem Transformationsprozess, der weit über das reine Produkt hinausreicht. Es geht um die Transformation von Analog zu Digital, von Verbrenner zu Elektro oder alternativen Antrieben, die Transformation hin zu agilen Prozessen und flachen Hierarchien, und im Fall von Skoda auch um die Transformation von einem überschaubaren Volumenanbieter zu einem signifikanten Global Player. Das alles hat große Auswirkungen auch auf das Produkt, das sich in Richtung eines rollenden Smartphones entwickelt. Es wird unseren Kunden auf dem Weg zur und von der Arbeit alle Annehmlichkeiten bieten, die sie auch zu Hause schätzen. Daher bin ich auch davon überzeugt, dass wir in Zukunft nicht weniger, sondern deutlich mehr Zeit im Auto verbringen werden. Für neue digitale Services haben wir das Skoda Auto DigiLab in Prag gegründet mit einem Spin-off in Tel Aviv. Hier entwickeln wir neue digitale Mobilitätskonzepte, von denen einige bereits erfolgreich im Markt getestet worden sind.

Dass mehr Autofahren und höhere Kosten sich nicht ausschließen, rechnet Bernhard Maier schnell an seinem Traumauto aus Jugendtagen vor: dem VW Golf GTI. Damals habe der mit Sonderausstattungen rund 14 000 Mark gekostet, heute koste er über 30 000 Euro. Und es würden trotzdem nicht weniger, sondern erheblich mehr davon verkauft. Es entspinnt sich ein kleiner Exkurs über erhaltenswerte Automobile der jüngeren Geschichte.

Apropos teurer: Sie ziehen einen SUV oberhalb des Kodiaq in Betracht. Muss das sein?

Die Marke Skoda hat eindeutig das Potenzial, im Lauf des nächsten Jahrzehnts auf einen Jahres-absatz von über zwei Millionen Fahrzeugen zu wachsen. Speziell SUV helfen uns, neue Märkte zu erschließen. Die finanzielle Mehrbelastung aus Investitionen in die Weiterentwicklung beste-hender Technologien und in neue Themen wie E-Mobilität und Digitalisierung ist allerdings enorm. Allein in diese neuen Technologien inves-tieren wir in den nächsten vier Jahren rund zwei Milliarden Euro. Ein schlankes Unternehmen wie Skoda kann das nicht allein durch optimierte Kosten ausgleichen, sondern braucht auch die Leistungsseite. Unser Ziel ist es deshalb, nachhaltig und profitabel zu wachsen. Die Basis könnte nicht besser sein: Die Nachfrage nach unseren Produkten ist schon heute deutlich größer als das Angebot. Allein im nächsten Jahr könnten wir knapp 200 000 Fahrzeuge mehr verkaufen.

Können Sie die denn alle überhaupt bauen?

Derzeit liegt unsere Auslastung bei 119 Prozent. Das ist gut für die Profitabilität, zeigt aber den hohen Bedarf an Kapazität. Wir bemühen uns derzeit intensiv um deren Ausbau. Dabei hilft uns natürlich der Produktionsverbund des Volkswagen-Konzerns. So lassen wir bereits heute Fabia-Karosserien in Osnabrück lackieren, weil unsere Kapazitäten nicht ausreichen. Die neue Lackie-rerei in Mladá Boleslav ist noch nicht fertig. Ebenfalls in Osnabrück realisieren wir ab 2019 eine weitere Übergangslösung. Zusätzlich zur Produktion in Tschechien wird dort der Karoq montiert. Geplant sind bis zu 45 000 Einheiten pro Jahr. Das reicht aber bei Weitem nicht aus. Um langfristig mit der gewohnten Profitabilität am Markt agieren zu können, erarbeiten wir aktuell Varianten für einen umfangreichen Kapazitätsausbau.

Wird Ihnen in Anbetracht batterieelektrischer Fahrzeuge nicht bang um die Profitabilität?

Ja, das treibt uns tatsächlich um. Niemand weiß genau, wie schnell das Thema hoch läuft und wie sich die Batteriekosten entwickeln. Dennoch, unsere Ingenieure standen schon oft vor scheinbar unlösbaren Aufgaben, und am Ende haben wir es doch geschafft. Dazu holen wir uns Expertise auch von außen. Der Konzern ist beispielsweise an Unternehmen wie QuantumScape beteiligt, die sich intensiv mit Batterietechnik be- schäftigen. Kurzfristig ist der Business Case für E-Autos noch deutlich weniger attraktiv als der für Verbrenner. Allerdings ist die Elektrifizierung des Antriebs zur Sicherung der zukünftigen individuellen Mobilität unabdingbar. Um dennoch profitabel zu bleiben, müssen wir uns also neue Geschäftsfelder im Bereich der Mobilität erschließen.

… und zusätzliche Produkte bringen.

Ja, das auch. Wobei wir die Komplexität und Variantenvielfalt im Blick behalten müssen. Wir konzentrieren uns auf das, was zur Marke passt und was gefragt ist. Dazu können auch große SUV oberhalb des Kodiaq zählen, genauso wie ein SUV unterhalb des Karoq. Wir können uns durchaus vorstellen, solche Autos zu bringen. Die Entscheidungen sind aber noch nicht gefallen.

Wie kann sich ein kleiner Skoda-SUV von den Wettbewerbern differenzieren?

Auch hier zeichnet Skoda das Raumangebot aus, dazu kommen clevere Details, vor allem im digitalen Bereich. Skoda war übrigens die erste Marke im Klein- und Kompaktwagensegment, die alle Fahrzeuge mit SmartLink angeboten hat.

Und wann kommt der erste rein elektrisch angetriebene Skoda?

Nächstes Jahr startet der Citigo in einer Elektrovariante, die eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern ermöglicht und zu Hause oder im Büro in vier Stunden zu 80 Prozent geladen werden kann. Zusätzlich kommt der Superb als Plug-in-Hybrid, dessen elektrische Reichweite höher sein wird als die von bereits erhältlichen Modellen. 2020 folgt dann das erste Modell auf dem Modularen Elektrobaukasten des Konzerns mit einer Reichweite von über 500 Kilometern. Es bietet so viel Platz wie ein Kodiaq bei geringeren Abmessungen und kommt in unterschiedlichen Karosserievarianten.

Elektro hin oder her, speziell Indien treibt Bernhard Maier um, er kommt immer wieder darauf zu sprechen. Indische Journalisten rieten ihm, Autos so zu designen, dass die Tuk-Tuks freiwillig die Straße räumen – sozusagen ein Tuk-Tuk-Killer zu sein. Schließlich springt er auf. Er möchte noch in den engen Innenhof der Repräsentanz, zeigt dort begeistert den Kodiaq RS – jenes Modell, das den Rundenrekord für siebensitzige SUV auf der Nordschleife hält. Der Vorstandsvorsitzende verabschiedet sich mit festem Händedruck, lacht, verschwindet im Gebäude. Heute ist Bürotag. Es ist 8.30 Uhr, der Verkehr hat zugenommen. Nur die Touristen schlafen noch immer.

Vita

  • Geboren 19. Dezember 1959 in Schwäbisch Gmünd
  • 1979–1984: Ausbildung zum Kfz-Mechaniker, BWL-Studium, anschließend Abschluss als Kfz-Mechanikermeister
  • 1984–1988: Key Account Manager bei Nixdorf
  • 1988–2001: Verschiedene Positionen bei der BMW AG
  • 2001–2010: Leiter Vertrieb Deutschland Porsche AG
  • 2010–2015: Vorstand Vertrieb und Marketing Porsche AG
  • seit 1. November 2015: Vorstandsvorsitzender Skoda Auto
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 15 / 2024

Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten