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Sébastien Loeb gegen Sébastien Ogier
Das Duell um den Rallye-König

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Nein, nein, der König ist nicht tot. Es ist nur so, dass Sébastien Loeb nach neun Weltmeisterschaften in Folge eigentlich in vollem Ornat und unangefochten in seiner Herrschaft zum Jahresende abdanken wollte. Aber mit Sébastien Ogier sitzt ein neuer Anwärter auf dem Thron jetzt schon mal Probe.

Rallye-WM, Sébastien Ogier, Sébastien Loeb
Foto: McKlein

Da kann der eine noch so lange reden, dass er eigentlich schon halb in Rente ist und damit keine allzu großen Ambitionen hat. Und der andere kann ebenso oft betonen, dass man mit neuem Team nicht im Traum daran denken dürfe, nach der Krone zu schielen.

Kampf zwischen Sébastien Loeb und Sébastien Ogier

Die Zuschauer der Rallye-Nation Schweden hatten ein untrügliches Gespür, um was es in der Rallye-WM 2013 geht - den Kampf zwischen Sébastien Loeb und Sébastien Ogier, beide Frankreich. Die Fans durften bei Facebook abstimmen, welche Duelle sie gern für das Auftaktspektakel Mann gegen Mann auf der Trabrennbahn in Färjestad sehen wollten. Zur besten Sendezeit traten als letzte Paarung Loeb und Ogier gegeneinander an.

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Übersetzt in Fußballergebnisse schoss Loeb an diesem Abend das 3 zu 1 gegen den Rivalen. Der war ausgerechnet bei Loebs geliebter Rallye Monte Carlo mit einem Sieg in der Auftaktprüfung in Führung gegangen. Nach einem Jahr Pause in neuem Team auf neuem Auto Bestzeit, das war ein Donnerhall. Aber Loeb rückte die Dinge gerade. In der Manier des wahren Champions holte er sich die Führung zurück und verteidigte sie mit der Mischung aus Aggressivität und Lässigkeit, die ihn berühmt gemacht hat.

Siebte Monte-Sieg für Loeb

Der siebte Monte-Sieg war wieder einmal ein Monument im prall gefüllten Steingarten des Rekordweltmeisters - und das 2 zu 1. Den dritten Treffer erzielte er bei der Pressekonferenz. Loeb hatte Spaß, er flachste sogar mit dem Namensvetter, den er zwei Jahre zuvor am liebsten noch auf den Mond geschossen hätte. Das Hofhalten vor den Mikrofonen ist auch ein Muskelspiel der Eitelkeit. Es ist die offizielle Verkündung, wer hier der Chef ist. Und Loeb weiß diese Rolle seit vielen Jahren blendend zu spielen.
 
Aber wenn wir im Bild des Fußballs bleiben, dann muss der bisher unangefochtene Meister feststellen, dass es nach zwei Begegnungen lediglich unentschieden steht. Mit der Souveränität eines Loeb eroberte Ogier in Schweden die Führung und wehrte jeden Angriff des Titelverteidigers ab. Und dann musste Loeb in der Pressekonferenz rechts sitzen, in der Mitte thronte Ogier und hielt Hof. Es war das 3 zu 3.
 
Dabei war das Frage- und Antwortspiel mit Blitzlichtern gar nicht der härteste Moment. Den hatte Loeb schon ein paar Stunden zuvor an der Zeitkontrolle in Hagfors. Der sonst viel Umlagerte, vor dessen Fahrertür Citroën-Pressechefin Marie-Pierre Rossi regelmäßig allzu sehr drängende Fotografen wegbellt oder die Kamerateams schön der Reihe nach zur Audienz aufruft, lehnte mutterseelenallein am Kotflügel seines DS3. Die Meute umringte stattdessen den VW Polo von Ogier.

Wird Ogier der Nachfolger von Loeb?

Ein finnischer Fernseh-Journalist näherte sich schließlich, nahm all seinen Mut zusammen und stellte die Frage, die fast einer Majestätsbeleidigung gleichkommt: „Stehen wir am Beginn einer neuen Ära, der eines neuen Sébastien?“ Loeb lächelte und sagte: „Vielleicht.“ Was soll er auch sonst sagen? Andere sind da weniger zurückhaltend. Ford-Teamchef Malcolm Wilson verkündete halb bewundernd, halb vor Gram gebeugt: „Ogier wird den Sport genauso dominieren wie zuvor Loeb“, ist sich der Engländer sicher. Und mit Nachwuchstalenten kennt sich Wilson aus. Er führte Markko Märtin, Mikko Hirvonen und zuletzt Jari-Matti Latvala an die Weltspitze.
 
Für Wilson ist besonders bitter, dass er vor zwei Jahren die Chance gehabt hätte, eben diesen Ogier zu kriegen. Nach dem internen Stallkrieg bei Citroën war Seb, der Jüngere, auf dem Absprung. Nichts hätte er lieber getan, als in der folgenden Saison 2012 mit Seb, dem Älteren, die Klingen zu kreuzen. Aber der Ford-Vorstand mochte weder sein ein Jahr später auslaufendes Engagement verlängern, noch eine hohe Millionengage lockermachen, um Ogier einzukaufen.
 
Der ging zu VW, glücklich, einen lukrativen Dreijahresvertrag in der Tasche zu haben, und stinkig, weil er sich ein Jahr lang mit einem Skoda Fabia S2000 nur am Spielfeldrand warmmachen durfte, während Loeb abermals die Champions League holte. Die einzige Genugtuung, die dem Kronprinzen blieb, war die Gewissheit, dass er den Monarchen ins Wanken gebracht hatte.

Loeb stellte auf der Piste die Rangfolge klar

In den zehn Jahren, in denen Loeb das Citroën-Team anführte, war immer klar, wer die Nummer eins war. Nur ein einziges Mal musste ein Teamkollege wie Dani Sordo vom Gas gehen, um Loeb Schützenhilfe zu leisten, doch unterm Strich stellte Loeb auf der Piste die Rangfolge klar. Gerade bei Rallyes, in denen sich Sordo große Hoffnungen machte, senste Loeb den Spanier meist mit einer frühen Bestzeiten-Serie um. Er tat das mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass seinem früheren Teamchef Olivier Quesnel früh die Superlative ausgingen. Mal war Loeb ein Genie, dann ein Außerirdischer, in jedem Fall aber ein Unantastbarer - eben bis Ogier kam.
 
Dass der oberste Markenchef Galles 2011 ausgerechnet bei der von Loeb acht Jahre mühelos dominierten Deutschland-Rallye Stallorder zugunsten des Platzhirsches aussprach, war das erste echte Anzeichen von Schwäche. Erstmals machte der sonst immer so nette und höfliche Loeb auch Politik, um seine Position zu stärken. Er polterte schon im Frühsommer desselben Jahres über den Teamfunk, weil er es unerträglich fand, dass Ogier sich aus taktischen Gründen zurückfallen ließ, ohne dass Loeb von diesem Zug wusste. „Wer ist hier eigentlich der Chef?“ maulte er - und gab die Antwort anschließend selbst, ohne groß sprechen zu müssen: Zum Jahresende 2011 war Ogier weg, und auch dessen Förderer Quesnel musste seinen Hut nehmen.
 
Die vier WM-Läufe, die er in diesem Jahr noch fahren will, waren als krönender Abschluss gedacht. Ein Triumphzug sollte es werden, ein paar Rallyes, die er immer gern gewann, dazu wie Schweden eine, die er unbedingt noch einmal gewinnen wollte. Nach dem Monte-Sieg schien alles nach bewährtem Muster zu laufen.
 
Aber schon da redeten mehr Leute im Rallye-Zirkus über Ogiers zweiten Rang als über den siebten Erfolg des Elsässers. Ogier war selbst am meisten überrascht, wie nahe er dem Sieg schon beim Debüt des Polo kam. Noch bei der Präsentation im Dezember nahm er es eher Zähne knirschend hin, dass die Monte nun mal der WM-Auftakt ist und er wohl kaum die Chance hätte, den Kampf mit dem Erzrivalen aufzunehmen.

Respekt vor dem Neueinsteiger VW

Vor dem Auftritt der VW-Truppe ziehen alle Experten den Hut, die Tabellenführung in der Fahrer-WM und den ersten Sieg aber schreiben sie selbst bei VW vor allem dem Fahrer zu. Es ist nur ein kleines Detail, aber dennoch ein Signal, dass VW-Berater Carlos Sainz nach nur zwei Läufen bereits mahnt, man solle Teamkollege Latvala nicht abschreiben. Der würde selbst so gern Weltmeister werden und war doch durch eigenes Verschulden - und natürlich wegen Loeb - immer so weit weg. Der galt an einem seiner guten Tage bisher als unaufhaltbar, nun spricht er nach einem Jahrzehnt Rallye-Praxis erstmals davon, seinen Fahrstil umstellen zu müssen. Der Finne, dessen Abstimmung angeblich so anders ist als die des Franzosen, wechselte zuletzt auf das Setup des Teamkollegen.
 
Dessen Erfolgsgeheimnis ist vor allem ein unerschütterliches Selbstvertrauen. Schon kurz nach der Berufung in das Citroën-Werksteam ließ er hier und da fallen, Loeb koche nur mit Wasser. Das kam beim Weltmeister nicht gut an. Aber auch Loeb war klar, dass hier jemand heranwächst, der aus einem anderen Holz geschnitzt ist als ein alternder Colin McRae, ein undisziplinierter François Duval oder ein devoter Dani Sordo. Ein französischer Chronist brachte es auf den Punkt: „Ogier ist ein Killer.“

Ogier ist noch nicht auf dem Niveau von Loeb

Die Presse der Grande Nation hat dazu beigetragen, dieses Duell so anzuspitzen, dass es selbst in Waffenstillstandszeiten immer ein bisschen nach Pulverdampf riecht. Bereits als Ogier 2008 wie einst Loeb Junioren-Weltmeister wurde, schrieben einige Blätter von Sébastien, dem Zweiten. Es ist auch zu schön: Zwei Karrieren, die sich - angefangen von ersten Schritten im Peugeot-Markenpokal, über die Junioren-WM bis zum Aufstieg ins Citroën-Werksteam - so sehr gleichen, und dann noch derselbe Vorname. Ogiers zweite große Stärke ist seine enorme Lernkurve. Schon vor dem internen Stallkrieg bei Citroën bescheinigte ihm der dortige Technik-Chef Xavier Mestelan: „Ogier ist weiter, als es Loeb in diesem Alter war.“ Ogiers damaliger Mentor Simon Jean-Joseph stand lange verzweifelt auf der Euphorie-Bremse: „Ogier ist noch lange nicht auf dem Niveau von Loeb. Er muss vor allem darauf aufpassen, dass seine Füße weiter auf dem Boden bleiben.“

Loeb hat halbwegs seinen Frieden mit der Lage gemacht. Wer aufhört, dem ist klar, dass es einen Nachfolger geben wird. Vor den Mikrofonen in Karlstad müht er sich, den Namen seines Kontrahenten möglichst nicht in den Mund zu nehmen. „Er ist eine starke Rallye gefahren“, mehr gibt es nicht zu hören. Ein König beugt nicht das Haupt vor einem Prinzen. Aber das gehört zu den Psychospielchen. Wenn man sich unbeobachtet vor Kameras in der Pampa an der Zeitkontrolle trifft, können Seb und Seb auch ganz normal miteinander umgehen.

Wird der beste Autofahrer aller Zeiten alt?

Zudem ist der vielleicht beste Autofahrer aller Zeiten ein wenig altersmilde geworden. „Ich kann verlieren, wenn ich gegen jemanden verliere, der auf dem gleichen Niveau ist.“ Das ist einerseits eine Anspielung, dass er den 2010 in Portugal erstmals siegreichen Ogier damals keineswegs als seinesgleichen betrachtete, andererseits ist es ein Kompliment, dass der ältere Seb den jüngeren nun respektiert.

Ob es nun das Jahr Pause war, in dem er nur testete und damit einfach seiner Arbeit nachging, oder ob es die im Vergleich zum zeitweilig aufgeheizten Kessel Citroën eher sachliche Atmosphäre im VW-Team ist, einer, der ihn gut kennt, bescheinigt Ogier: „Er ist ruhiger geworden und erwachsener.“

Jetzt wo er weiß, dass er mit Volkswagen nicht erst Jahre warten muss, bis die Erfolge kommen, wirkt der 29-Jährige entspannt. Vor allem steht seit dem Schweden-Sieg fest, keine Fragen mehr beantworten zu müssen wie in Monte Carlo, als man von ihm wissen wollte, ob ein Titel, den man nicht gegen Loeb gewonnen habe, überhaupt etwas wert ist.

Für die Rallyefans ist es schade, dass es diesen Zweikampf nicht mit aller Konsequenz 13 Mal in diesem Jahr gibt. Aber immerhin bleiben noch zwei Wochenenden, an denen zwei Superschwergewichte aufeinanderprallen wie einst Ali gegen Forman. Das nächste Duell steht Anfang Mai in Argentinien an.

Loeb hat vielleicht das Glück, dass sein endgültig letzter Auftritt im September im Elsass erst der drittletzte Lauf ist. Vermutlich wird die WM dann noch nicht entschieden sein. Obwohl: 2013 ließ sich Sébastien Loeb unter einem Regen goldener Papierschnipsel zum neunten Mal die Krone aufsetzen, und es ist bei dem Lerntempo von Ogier und VW nicht auszuschließen, dass dieses Mal Seb, der Zweite, feiert. Dann würden die Herolde in Frankreich zum ersten Mal seit dem Tod Ludwig des Achtzehnten anno 1824 verkünden: „Der König ist tot, es lebe der König.“

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Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten