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Schaeffler-Vorstand Peter Gutzmer im Interview
Das Produkt muss smart werden

Auch Zulieferer wie Schaeffler wollen und müssen im Zeitalter der Digitalisierung neue Partnerschaften eingehen und mithilfe von Start-ups die Entwicklungsgeschwindigkeit steigern. Wie das geht, erklärt der stellvertretende Schaeffler-Vorstandsvorsitzende, Peter Gutzmer.

Peter Gutzmer, Entwicklungschef, Schaeffler
Foto: Schaeffler
Was müssen Sie tun, um einen gigantischen Zulieferer wie Schaeffler im Zeitalter der Digitalisierung technologisch auf Augenhöhe zu halten?

Gutzmer: Die Welt, in der wir im Moment erfolgreich unsere Geschäfte betreiben, wird sich durch das Internet der Dinge massiv ändern. Themen wie das autonome und vernetzte Fahren werden zu neuen Geschäftsmodellen und zu neuen Zusammenarbeitsszenarien führen. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Die automobile Welt wird sich in drei Dimensionen verändern: Die Elektrifizierung, das automatisierte Fahren und das vernetzte Fahren werden kommen – und diese Themen hängen allesamt stark mit der Digitalisierung zusammen.

Unsere Highlights
Was bedeutet das konkret für Ihre Rolle?

Gutzmer: Die wird sich verändern und dennoch gleich bleiben. Wenn zum Beispiel Start-up-Unternehmen Ideen zum automatisierten Fahren entwickeln, dann brauchen auch die dafür einen klassischen Elektroantrieb. Den können wir in unserer bekannten Rolle liefern, aber in einer höheren Verantwortung.

Die Szene wird mittlerweile stark von neuen Start-up-Unternehmen geprägt. Brauchen wir die wirklich alle?

Gutzmer: Die Szene muss sich erst noch finden. Start-ups sind extrem breit angelegt: Sie bieten Services, Produkte, neue Geschäftsmodelle. Die Autoindustrie steht noch vor der Herausforderung, wie sie von der Produktwelt in eine Kundenservicewelt kommt. Und dabei können Start-ups hilfreich sein, weil in diesen Unternehmen bereits entsprechende Ideen entwickelt wurden.

Sie brauchen also Start-ups, weil sie schneller und kreativer sind?

Gutzmer: Genau. Die haben diese neue Welt mit Ideen bereits geöffnet. Ideen, an denen wir erkennen, dass es größere Geschäftsfelder werden könnten.

Auf welche schauen Sie besonders?

Gutzmer: Besonders auf die, welche die Schnittstelle zwischen Antrieb und der neuen Welt darstellen. Für uns ist ja auch der Aftermarket-Bereich wichtig. So kann es für uns interessant sein, wenn ein Auto künftig selbst meldet, dass es einen Service braucht. Wir machen Produkte wie Wälzlager, die sich selber überwachen und Signale senden – und diese müssen wir verarbeiten und daraus eine Serviceleistung hervorbringen. Das Produkt muss smart werden.

Von welcher Ideenwelt lassen Sie sich konkret leiten?

Gutzmer: Uber ist heute ein Taxiunternehmen ohne Taxi. Mit dieser Welt des „Car on demand“ müssen wir uns beschäftigen, auch weil die Produkte ganz anders belastet werden. Heute fährt das Auto eine Stunde am Tag. On-demand-Autos sind sechs, vielleicht sogar acht Stunden am Tag unterwegs. Das Fahrzeug der Zukunft muss also permanent Geld verdienen, in dem es in Bewegung ist. Was bedeutet das aber für elektromotorische Verschleißteile wie Radlager beispielsweise? Diese Teile werden wir künftig vorbeugend warten müssen, um sie schnell wieder in den Betrieb zu bringen. Das kann ein eigenständiger Servicebereich von uns sein. Diese digitale Vernetzung wird sich von der Entwicklung an durchziehen.

Firmen wie Bosch haben eigene Start-up-Unternehmen gegründet. Machen Sie das auch?

Gutzmer: Da denken wir drüber nach. Wir sind aktuell als ein noch sehr stark mechatronikorientiertes Unternehmen dabei, uns diese Welt anzuschauen. Deshalb treten wir im Moment mit solchen Start-up-Gruppen in Verbindung. Das müssen wir angesichts der Digitalisierung tun, um das, was wir an Substanz haben, auch in die Zukunft zu bringen. Und um natürlich auch neue Geschäftsmodelle zu erschließen.

Wird es in der Mobilität künftig große Unterschiede zwischen Stadt und Land geben?

Gutzmer: Ja. 60 bis 70 Prozent der Menschen leben künftig in der Stadt und werden dort sicher auch autonom fahren. Aber es bleiben drei Milliarden Menschen auf dem Land, die weiterhin ihr eigenes Fahrzeug haben und nutzen. Dann kommt ja der intermodale Verkehr auf uns zu: Wir erkennen bereits, dass in Städten zu bestimmten Zeiten oder auch zu bestimmten Zwecken der Individualverkehr verboten wird. Dafür müssen wir Übergänge finden. U-Bahn, Zug oder auch Last-Mile-Konzepte werden dann Verbindungen zueinander suchen. Dazu können auch Seilbahnen zählen. Das geht durchaus auch weg vom Fahrzeug.

Neben der Start-up-Szene entsteht auch die Welt der großen Kooperationen. Glauben Sie, dass die wirklich alle funktionieren?

Gutzmer: Das ist eine spannende Welt. Es ist tatsächlich so, dass diese Art der Kooperationen zwischen der IT-Welt und der klassischen Fahrzeugwelt eine andere Form der Zusammenarbeit darstellt. So sind wir beispielsweise bewusst eine Kooperation mit IBM eingegangen, um das gesamte Spektrum, von dem wir gerade sprachen, zu untersuchen und neue Entwicklungsprozesse und Geschäftsfelder für uns zu identifizieren. In der IT-Welt kann man es sich erlauben, mit einer 70-Prozent-Lösung zum Kunden zu gehen, und bessert auf Basis der gesammelten Kundenerfahrungen nach. So arbeitet ja auch Tesla. Die Kunden akzeptieren es ja dort offenkundig, dass sie ein Produkt kaufen, das noch nicht über die voll ausgeprägte Funktionalität verfügt.

Was will Apple?

Gutzmer: Aus meiner Sicht das Fahrzeug verstehen, aber nicht selber bauen. So geht es uns ja auch als Zulieferer: Wer in der digitalen Welt ankommen will, der muss sie verstehen – durch Kooperationen mit IT-Unternehmen, durch die Start-ups, die in dieser Welt entstehen. Wenn er es verstanden hat, kann er sein Portfolio optimieren und ergänzen, vielleicht sogar erneuern.

Deep Learning ist ja auch ein großer Trend, Maschinen lernen automatisch dazu. Können sich Autos dann irgendwann selbst reparieren?

Gutzmer: Das ist ein frappierender Gedanke. Ich bin mir noch nicht sicher, ob sie sich wirklich selbst reparieren. Aber sie werden sich auf jeden Fall automatisch melden, wenn bestimmte Betriebszustände nicht mehr zulässig sind. Durch künstliche Intelligenz können sich die Autos dann in ihren Funktionen selbst einschränken, ohne dass es für die Kunden so gravierende Folgen hätte wie heute, wenn sie etwa liegen bleiben. Diese Technologien wollen wir mithilfe von IBM erlernen, damit wir in zehn Jahren kein verschwundener Ex-Riese sind, wie manche es prognostizieren. Sondern im Gegenteil ein Riese sind, der die Kombinatorik zwischen virtueller Welt und der Umsetzung in die reale Welt beherrscht.

Sie haben letztes Jahr den Bio-Hybrid vorgestellt. Wie weit sind Sie mit dieser Art des überdachten Pedelecs mit vier Rädern?

Gutzmer: Wir wollen ihn in Serie bringen und werden dies mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer Struktur mit Start-ups tun. Wir denken daran, den Bio-Hybrid Kommunen anzubieten, die ihn dann vermieten. Daraus entstehen für uns wiederum neue Geschäftsfelder.

Die Autohersteller klagen angesichts der vielen neuen Herausforderungen, dass sie die Investitionen für Forschung und Entwicklung hochfahren müssen. Wie sieht das bei Schaeffler aus?

Gutzmer: Es trifft uns eher noch stärker, weil die Autohersteller ja bereits für das klassische Geschäft viele Entwicklungsarbeiten an die Zulieferer abgeben. Die Zulieferer stehen im Moment alle vor der Herausforderung, dass sie die Menschen, die sie für diesen neuen Digitalisierungsprozess brauchen, noch nicht vollumfänglich an Bord haben. Dementsprechend müssen wir uns also auch im Hochschulbereich noch einmal verändern.

Speziell im städtischen Umfeld entstehen über die Cloud und das Internet der Dinge viele Daten. Ist es wichtig für Sie, da heranzukommen?

Gutzmer: Ja, auf jeden Fall, beispielsweise für die Nutzung des Bio-Hybrids im Rahmen intermodaler Konzepte. Wir brauchen Informationen darüber, wie die Bedürfnisse der Kunden aussehen. Wann nehmen sie die Bahn, wann ein Pedelec. Darum geht es. Für den Aftersales-Bereich wollen wir Informationen über den Betriebszustand haben, um dann zu verstehen, wo welcher Servicebedarf entsteht.

Auch dafür gibt es ja bereits Start-ups. Doch wer führt die eigentlich?

Gutzmer: Der fatalste Fehler wäre, wenn wir versuchen würden, Start-ups in unsere gelebte Organisation zu integrieren. Diese Unternehmen brauchen ihre Freiheit und würden so eine Integration nicht überleben. Es wird also eine Struktur sein, die von uns getragen wird – entweder finanziell oder auch über Personen –, die aber außerhalb der eigentlichen Struktur stattfindet. Die jungen Unternehmen müssen schnell sein und auch Fehler machen dürfen, was wir in unserer klassischen Welt so nicht zulassen könnten.

Erwarten Sie große Veränderungen in der Produktion von Automobilen?

Gutzmer: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es künftig Hersteller geben wird, die im 3-D-Druck in relativ kurzer Zeit Peoplemover-Konzepte für Städte erstellen. Oder die unseren Bio-HybridAnsatz umsetzen und eine Millionen Einheiten davon in kurzer Zeit weltweit verteilen.

Sehen Sie solche Unternehmen?

Gutzmer: Es gibt erste Ansätze.

Wäre das für Schaeffler selbst nicht auch interessant?

Gutzmer: Ich hab es ja nicht umsonst erwähnt. Vielleicht haben wir zu diesem Thema im kommenden Jahr bereits eine Botschaft.

Zur Person

Peter Gutzmer (geb. 1953) hat an der Uni Stuttgart Maschinenbau studiert und anschließend in der Fachrichtung Verbrennungsmotoren promoviert. Er startete seine Karriere 1984 bei Porsche und war stellvertretender Entwicklungsvorstand. Seit 2001 ist er bei der Schaeffler Gruppe in der Geschäftsleitung mit Stationen bei LuK und Continental. 2011 wurde er zum Vorstand Technologie berufen, 2014 zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten