MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"6554335","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}
MISSING :: ads.vgWort
{"irCurrentContainer":"6554335","configName":"ads.vgWort"}

Renault 4
Mutter aller Mini-Vans

Inhalt von

Mehr als 3,8 Millionen Mal lief der Renault 4 zwischen 1961 und 1992 vom Band – und trotzdem ist er nahezu komplett aus unserem Straßenbild verschwunden. Schade, findet Kai Klauder.

Renault 4
Foto: Renault

Der Renault 4 war damals eine kleine Revolution. Bei seinem Vorgänger Renault 4 CV sitzen Antrieb und Motor noch hinten, doch mit dem R4 wird alles anders, er ist 1961 das Automobil der Moderne.

Praktischer Pragmatiker

Der Renault 4 ist der erste Renault mit Frontmotor und einer der ersten mit einer fünften Tür, die ihren Namen zu Recht trägt. Einzelradaufhängung war damals auch noch nicht Standard, und die Platz sparende Drehstabfederung sollte sich als einer der größten Vorteile des neuen Kleinwagens erweisen.

Unsere Highlights

Ansonsten ist der anfangs gerade mal 540 kg schwere Renault 4 in Sachen Technik noch ein Vertreter des Übergangs: Eine nicht selbsttragende Karosserie sitzt auf einem Plattformrahmen. Gebremst wird zunächst mit vier Trommelbremsen, die eine längere Gedenksekunde brauchen, bis sie ihre volle Wirkung entfalten. Eine Reminiszenz an die Vorkriegswagen ist das Loch in der vorderen Stoßstange für eine Kurbel, mit der der Motor von Hand gestartet werden kann. Ab 1975 entfiel diese anachronistische Ausstattung.

Motoren für die Ewigkeit

Wer die große Motorhaube des Renault 4 nach vorne klappt, erblickt zunächst nichts außer einem großen schwarzen Luftfilterkasten, ein paar Schläuchen und Kabeln. Bei genauerer Betrachtung erkennt man einen klitzekleinen Vierzylinder, der in dem riesigen Motorraum hockt und sich verschämt unter dem großen Luftfilterkasten versteckt. Doch der Kleine ist eigentlich ein ganz Großer. Er ist so robust wie ein Schiffsdiesel, läuft dabei viel ruhiger und verbraucht verschwindend geringe Mengen an Treibstoff.

Mit rund 5 Litern ist man gut unterwegs, selten werden es mehr als 6 Liter – selbst bei Dauervollgas, was bei den 26 bis 34 PS starken Motoren oft das Mittel der Wahl war, um im Verkehr mitschwimmen zu können. Bei höherem Verbrauch sollte man schnell den Vergaser einstellen, ein Kinderspiel bei dem Freiraum zum Schrauben im Frontabteil.

Ausstattung: Wo nichts ist, kann nichts kaputt gehen

Doch richtig auftrumpfen kann der Renault 4 mit seinem Lade- und Lebensraum, der direkt hinter der Schottwand beginnt. Hier sitzt nicht etwa kubikmeterweise Kunststoff, Gummi und Softlack-Gedöns, nein, auch hier geht es pragmatisch zu. Statt eines bedeckelten Handschuhfachs gibt es gleich drei offene – der Renault 4 hat nichts zu verstecken. Zwei auf Kniehöhe und eines vor dem Beifahrer. Der Kniekontakt zwischen Fahrer und Beifahrer wird übrigens nicht von einem Schalthebel gestört. Dieser ragt als Revolver aus dem Armaturenbrett, in dem vier Schalter und zwei Hebel dem Fahrer keine Rätsel aufgeben. Für Frischluftzufuhr zur Scheibe sorgte bis 1975 eine einfache Blechklappe unter der Windschutzscheibe.

Der Laderaum ist je nach Modell und Grad der inneren Befreiung – also Ausbau von Rücksitzbank und Beifahrersitz – zwischen 295 und 2.350 Litern groß. Der größte Renault 4, die Langversion R4F6 war daher bei Handwerkern wie Händlern beliebt und begehrt. Die Zuladung von 340 Kilogramm galt dabei für sie nur als grober Richtwert. Es soll locker möglich gewesen sein, das Leergewicht von 780 Kilogramm zu verdoppeln.

Für Fahrer der Normalversion öffnet sich im Renault 4 eine lichtdurchflutete Welt. So einen luftigen Aufbau wie beim Renault 4 findet man bei Automobilen selten. 12 Fenster sorgen für Durchblick von Innen und Außen. Statt schwerer und defektanfälliger Kurbelfenster gibt es simple Schiebefenster, die ihren Dienst klaglos verrichten. Nur manchmal neigen sie zu Inkontinenz.

Renault 4-Fahrer waren meist „Zeit“-Leser

Die kann einen Renault-4-Fahrer allerdings nicht nur von oben treffen. Auch der Unterboden neigt hin und wieder zu Wassereinbruch. Schuld daran ist die mangelnde Rostvorsorge, die das Blech porös werden lässt. In vielen Renault 4 ist daher auch unter den Fußmatten noch heute die ein oder andere „Zeit“-Wochenzeitung zu finden. Sie war besonders groß und dick und deckte fast den gesamten Fußraum ab. Man munkelt zudem, dass die Zeit wegen der hohen Papierqualität als Dichtmaterial am besten geeignet sei.

Kenner spendierten ihrem Renault 4 gleich bei der Auslieferung eine Hohlraumversiegelung, sonst war der Plattformrahmen oft schon nach ein paar Jahren von innen durchgerostet.

Renault 4 – ein Auto seiner Zeit

Der Renault 4 war und ist ein klassenloses Automobil. So einfach und praktisch, so sympatisch und günstig waren nur wenige andere Fahrzeuge: VW Käfer, Citroën 2CV, Fiat 500 oder Mini. Doch nur er bot im Innenraum so viel Platz wie eine Mittelklasse-Limousine. Schon als Neuwagen günstig (1961 kostete er 4.115 Mark), war er als Zweit- oder Dritthandauto wirklich billig. Generationen von Studenten nutzten ihn als Urlaubsauto, brutzelten ihm mehrere Lagen Blech auf seine Wunden und malten ihm bunte Blumen, Sponti-Sprüche über die rostigen Stellen oder verzierten ihn mit „Atomkraft-Nein Danke“- und „Stoppt Strauß“-Aufklebern.

Doch dann ging alles auf einmal ganz schnell. War er bis Mitte der 90er-Jahre noch ein oft gesehener Gebrauchtwagen, verschwand er zur Jahrtausendwende fast gänzlich aus dem Straßenbild. Einmal weil sich die Reparaturen nicht mehr lohnten; aber auch wegen seiner mangelnden Sicherheit. Kein ABS, kein ESP, keine Knautschzone und die Karosseriestruktur so weich wie französisches Weißbrot – er hatte sich selbst überlebt.

Endgültig zum diffundierenden Klassiker wurde er mit Einführung der Umweltzonen. Euro 2 war unerreichbar für die sparsamen Motoren, die auf einer Konstruktion aus den 50ern basieren. Schon ab Ende 1988 nahm Renault den 4 in Deutschland vom Markt, weil er die Abgasgrenzwerte nicht mehr erreichte. Als 1992 die Produktion nach 8.135.424 Exemplaren eingestellt wurde, ging eine Ära zu Ende.

Zweiter Platz bei der Rallye Paris-Dakar

Man mag es kaum glauben, doch der Renault 4 wurde auch im Motorsport eingesetzt – und das recht erfolgreich. Er startete 1962 und 1963 bei der Rallye Monte Carlo und schrieb sich endgültig in die Geschichtsbücher, als 1979 die Brüder Bernard und Claude Marreau bei der ersten Rallye Paris-Dakar den zweiten Platz im Gesamtklassement holten. Ihr Renault 4 war eine Allradversion von der Firma SINPAR, die schon 1964 eine vierradgetriebene Version vorstellten.

Renault Kangoo und Dacia Logan – die legitimen Nachfolger des Renault 4

Renault brauchte rund sechs Jahre, bis ein Nachfolger für den R4 präsentiert werden konnte – den Renault Rapid kann man nur als gescheiterten Versuch ansehen. Der Renault Kangoo trat in die großen Fußstapfen des kleinen R4. Er bietet noch mehr Raum, zudem zwei praktische Schiebetüren – und eine ähnliche Qualität wie sein Urahn. Vom R4 hat er die Drehstabfederung übernommen, wenn auch nur hinten.

Mit dem Dacia Logan MCV brachte Renault einen weiteren R4-Erben an den Start. Für unter 10.000 Euro bekommt man mit ihm einen Kompaktwagen mit dem Laderaum eines Kleinbusses: zwischen 700 und 2.350 Litern schluckt der günstige Rumäne. Mit dem Renault 4 verbindet ihn das miserable Abschneiden bei Sicherheitstests und der mangelnde Rostschutz.

Restaurierung lohnt sich kaum – noch

Da sind wir wieder bei der Mutter aller Mini-Vans: Wegen der braunen Pest gibt es keine bekannten Renault 4 im Zustand 1. Böse formuliert: eine Restaurierung überschreitet schon bei ihrer Planung den Zeitwert. Das ändert sich hoffentlich bald, wenn die Fangemeinde wächst und der Renault 4 eine höhere Wertschätzung gewinnt.

Doch wenn wir mal ehrlich sind: Ein perfekter Zustand steht dem Renault 4 gar nicht. Viel besser ist eine Zustandsnote 3 – fahrbereit und technisch ohne Probleme, dabei viele Spuren der letzten Jahrzehnte. Eben genau so, wie er schon seit mehr als 50 Jahren die Autowelt bereichert.

Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten