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Rallye Monte Carlo: 1969 und heute
Rallye-Sport: Blick zurück nach vorn

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Früher war alles besser. Die Mutter aller Plattitüden wird im Motorsport nirgendwo so gern und oft bemüht wie im Rallye-Metier. Wir springen in die Zeitmaschine, reisen zurück zur Rallye Monte Carlo 1969 und stellen fest: Es war schon immer das Gleiche - nur anders.

Opel Manta
Foto: McKlein

Professionell war ein böses Wort im seligen Jahr 1969 - wo alles im Rückblick nicht nur besser, sondern viel, viel besser war. Damals wechselte Gérard Larrousse von Renault zu Porsche. Das waren also die modernen Zeiten, in denen ein Fahrer plötzlich zwar nicht die Hand biss, die ihn bisher gefüttert hatte, sie aber schnöde verschmähte und sich dem nächsten Futterplatz zuwandte. Respekt, Dankbarkeit, Ehre, Loyalität und Nationalstolz waren nichts mehr wert, wenn selbst ein französisches Urgestein zu den finsteren Teutonen ging, nur weil die gerade angeblich das bessere Auto hatten oder dickere Schecks ausstellten.

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Rückgang der Privatfahrer-Nennungen

Die Hersteller steckten auch mehr Geld in ihre Einsätze. Porsche kam mit vier 911 mit nagelneuer Einspritzanlage, Ford und Lancia schickten ebenfalls Werksteams mit eingekauften Söldnern. Angesichts der zunehmend mächtigen Marken beklagte der Automobile Club de Monaco (ACM) schon damals einen Rückgang der Privatfahrer-Nennungen. Immerhin überlebten 158 von 172 Teams die teilweise über 1.000 Kilometer lange Anreise. Wegen zahlreicher Abflüge, Bremsdefekten und Zeitüberschreitungen blieben vor der letzten Schleife nur noch 39 Autos übrig. Was für ein Luxusproblem. Im aktuellen Jahrtausend gab es schon WM-Läufe, bei denen nicht mehr als 40 Autos über die Startrampe rollten.

1968 hatten die Veranstalter der Rallye Monte Carlo ihr uraltes und kurioses Handicap-System abgeschafft, das hubraumschwachen Autos gnädigere Temposchnitte erlaubte und somit weniger Strafpunkte versprach. Prompt machte das vier Jahre lang überragende BMC-Werksteam dicht und stellte die Minis ins Museum. War man beim ACM in der Frühzeit so kreativ, die Anzahl der mitgeführten Personen oder einen Einparkwettbewerb am Hafen im Klassement zu berücksichtigen und Zeitstrafen bei Beschädigungen oder schlicht fehlender Eleganz des Sportgerätes auszusprechen, galt immerhin seit 1968 die Devise: Der Schnellste hat gewonnen.
 
Wandel in eine Vollgasdisziplin
 
Obwohl der Motorsportweltverband CSI in den Rallyes immer noch in erster Linie eine Zuverlässigkeits-Disziplin sah, katapultierte die neue Richtung des ACM den Sport in eine Vollgasdisziplin, die sie bis heute geblieben ist. Traditionalisten beklagen heftig, der Werksfahrer von heute sei ein gehätscheltes Weichei, der schon am frühen Abend in die Daunen sinke, wo man einst die Muskeln für die nächste Nachtetappe lockerte. Männer wie Gilles Panizzi, über Jahre der schnellste Asphalt-Mann des aktuellen Jahrtausends, spielten derlei Vorurteilen in die Hände, wenn der Franzose erklärte, wie schön es doch sei, wenn man beim Training bereits am frühen Nachmittag wieder im Hotel einträfe.
 
Zu seiner Entschuldigung bleibt anzuführen, dass die Besichtigung der Prüfungen heute auf jeweils zwei Überfahrten beschränkt ist, um die Chancengleichheit zu erhöhen und Testauswüchse zu verhindern. In den Achtzigern wurde zuweilen zwei Wochen trainiert, bis das Team mehr oder weniger jede Kurve auswendig kannte. Doch in den späten Sechzigern wurde das alles noch nicht so eng gesehen. Porsche- Werksfahrer Björn Waldegaard trainierte nur wenig, beispielsweise musste er daheim in Schweden einer Kindstaufe beiwohnen. Heute gibt es keine fünftägigen Rallyes mit 60 Wertungsprüfungen mehr. Gesamt-Fahrzeiten von 14 Stunden sind auf kompakte Wochenenden mit allenfalls vier Stunden im Wettbewerb reduziert. Die aktuelle Rallye-Elite muss weniger körperliche Standfestigkeit mitbringen, andererseits mehr mentale Ausdauer. Wenn sich Vize-Weltmeister Mikko Hirvonen in sein Hotelzimmer zurückzieht, schaut er sich sämtliche Prüfungen des kommenden Tages auf Video an, während neben ihm Beifahrer Jarmo Lehtinen den Aufschrieb vorliest.
 
Vieles an den goldenen alten Zeiten wird verklärt
 
Zwar führte 1968 allein die Schleife von Monaco nach Vals le Bains und zurück über 1500 Kilometer, was der Gesamtdistanz eines modernen WM-Laufes entspricht, und Prüfungen über 45 Kilometer waren nicht selten, doch der größte Teil der Tour war reine Überführung. 1969 waren bei der Monte 16 Wertungsprüfungen über 414 Kilometer zu absolvieren – bei der Deutschland- Rallye 2010 werden es nicht weniger sein.
 
In Monaco bevorzugte man immer wieder gern französische Teilnehmer, aber 1969 trickste sich der Veranstalter selbst aus. Die Weltmotorsport-Behörde hieß damals noch nicht FIA, sondern CSI, war aber genauso unerbittlich. Um technische Auswüchse zu verhindern, waren die Spezialtourenwagen der Gruppe 4 und die Prototypen der Gruppen 5 und 6 von der Rallye-EM ausgeschlossen. Weil die Monegassen den heimischen Matra nicht absagen wollte, kreierten sie kurzerhand eine Rallye in der Rallye, die vollmundig „Der Große Mittelmeerpreis“ genannt wurde und zufällig über exakt die gleichen Strecken führte. Die CSI konterte den Etikettenschwindel mit dem Entzug des Europameisterschafts-Prädikats. Der EM-Auftakt war geplatzt.
 
Höchsten Automobilsport-Spielklasse hinter der Formel 1
 
Auch 2009 und im kommenden Jahr bildet die Monte nicht den Auftakt zur höchsten Automobilsport-Spielklasse hinter der Formel 1. Die monegassischen Vereinsmeier hatten die ständige Gängelei der Verbandsfunktionäre satt und empfanden den vom früheren Präsidenten Mosley durchgepaukten Rotationskalender, der die Monte nur alle zwei Jahre in der WM vorsah, als Blasphemie. Der ACM legte sich mit der Intercontinental Rally Challenge ins Bett. Um die zweite Rallye-Liga aufzupeppen, sollte seine Rallye 2010 auch für Gruppe-N-GT-Sportwagen vom Schlage eines Porsche GT3 geöffnet werden, doch die FIA legte ihr Veto ein. GT sind bei FIA-Läufen nicht zugelassen.
 
Der erfolgreichste Rallye-Fahrer aller Zeiten muss ebenfalls zu Hause bleiben. Sébastien Loeb hat einen Citroën-Vertrag, aber World Rally Cars sind in der IRC verboten, und die Marken-Weltmeister haben noch kein Super 2000-Auto. Obwohl sein Sportchef Olivier Quesnel die Oberhoheit über beide PSA-Marken hat, darf sein höchstbezahlter Angestellter nicht für Peugeot fahren. So bildet Vorjahressieger Sébastien Ogier im Peugeot 207 die Speerspitze der Franzosen. Immerhin hat sich Vize-Weltmeister Mikko Hirvonen angekündigt. Er fährt einen neuen Ford Fiesta Super 2000. Obwohl organisatorisch häufig unter aller Kanone, ist die Monte eben die Monte.
 
Die WM indes beginnt erst im Februar in Schweden – ohne dass es im gelbblauen Rallye-Traditionsland einen Erfolg versprechenden Lokalhelden gäbe. Das war 1969 anders. Der junge und nur Insidern bekannte Björn Waldegaard ruinierte zwar durch ein Missverständnis am Service zeitweilig seine Bremsen, doch das konnte ihn kaum aufhalten. Er verlor vier Minuten und damit seine souverän Führung, aber Vorjahressieger Vic Elford flog mit seinem Elfer kurz nach dem Ziel des ersten Turini-Durchgangs vor einen Baum. Waldegaard übernahm wieder die Führung. Der übergelaufene Teamkollege Gérard Larrousse war keine Gefahr, und der Drittplatzierte Jean Vinatier lag in seiner Alpine zig Minuten zurück.
 
Jener Björn Waldegaard krönte sich ein Jahrzehnt nach seinem ersten großen Sieg zum ersten Rallye-Weltmeister der Geschichte und musste erleben, wohin die Reise mit dem Sport geht. Der durchschnittliche Zeitrückstand vom Sieger zum Zweiten lag 1979 bei zehneinhalb Minuten. Doch zum Auftakt verlor Waldegaard die Rallye Monte Carlo um lächerliche sechs Sekunden. Seitdem ist von mehr als zwei Dutzend solch knapper Entscheidungen zu berichten. Den Rekord hält Marcus Grönholm, der Sébastien Loeb 2007 in Neuseeland um winzige drei Zehntel schlug. Seit 1998 gab es lediglich ein Jahr, in dem nicht mindestens eine Rallye gefahren wurde, die knapper als mit zehnsekündiger Differenz entschieden wurde.
 
Die Nervenschlachten der modernen Schotterkönige werden immer extremer
 
In der gerade abgelaufenen WM-Saison lagen Champion Loeb und Vize Hirvonen durchschnittlich um 0,05 Sekunden pro Kilometer getrennt. Wer heutzutage mehr als eine halbe Minute Rückstand hat, gibt sich bereits geschlagen.
 
Dennoch empfinden gerade gestandene Rundstreckenprofis damals wie heute die Rallye-Szene als ausgesprochen entspannend, und so lebt eine alte Tradition wieder auf. Dass Rundstreckenasse wie Vic Elford oder Gérard Larrousse sich nebenbei im Rallyesport vergnügen, ist vier Jahrzehnte später wieder schwer in Mode. So verwarf der frühere Formel-1-Weltmeister Kimi Räikkönen ein Engagement bei McLaren, weil ihm keine Rallyeeinsätze zugestanden wurden. Ergo fährt der Finne im kommenden Jahr bei Citroën in der Rallye-WM – aus Spaß und ohne Bezahlung.

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten