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Portrait Viking Motorsport
Hilfe, die Wikinger kommen mit einem Ford Escort

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Eigentlich verdient Phil Mills im modernen Rallyesport sein Geld als Beifahrer des früheren Weltmeisters Petter Solberg. Doch lauter und schneller schlägt sein Herz für alte Ford Escort. Motor Klassik hat ihn besucht und mit ihm gesprochen.

Portrait Viking Motorsport
Foto: Jakob Ebrey

Phil Mills ist keiner von denen, die viel reden. Vielleicht liegt es daran, dass er mit Sprechen sein Geld verdient. Seit zehn Jahren ist der Waliser professioneller Beifahrer in der Rallye-Weltmeisterschaft. Vielleicht wirkt Mills auch nur so zurückhaltend, weil sein Fahrer Petter Solberg ist. Der Norweger hat das breiteste Lächeln der WM und das ausgeprägteste Show-Talent. Sein Spitzname ist Hollywood. Neben dem nordischen Strahlemann sieht fast jeder wie ein Mauerblümchen aus. Das ändert sich, wenn man Mills auf alte Escort anspricht. Dann sprudelt er gestikulierend los: "Das musst du dir mal anschauen, die hörst du kilometerweit durch den Wald. Letztens in Wales hat einer zwei World Rally Cars geschlagen."

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Nach derm Ausstieg von Subaru suchte Mills Alternativen

Phil Mills Rallye-Karriere begann wie die vieler Profi-Copiloten. Er rutschte selbst ein bisschen durch die Gegend, bis er merkte, dass Landsmänner wie Mark Higgins das deutlich besser konnten. Doch mit Cleverness und Organisationstalent ließ sich der großen Leidenschaft auch vom rechten Sitz aus frönen und sogar Geld verdienen. Der große Sprung kam, als er 1999 zum jungen Solberg in einen Ford Focus WRC stieg. Das Duo ist seitdem unzertrennlich. Über 170 Rallyes haben sie gemeinsam bestritten, 2003 wurden sie Weltmeister.

Doch vor einem Jahr sah es so aus, als würde es um die Karriere des Phil Mills still werden. Subaru zog sich im Dezember 2008 aus der Weltmeisterschaft zurück, plötzlich stand das Star-Duo auf der Straße. Mills entschied, aus der Not eine Tugend zu machen: "Als die Verträge im Schredder waren, dachte ich: Gut, dann trete ich eben etwas kürzer und mache mehr bei den Historischen."

Die Escort Mark 2 weckten Mills Rallye-Fieber

Mills aktueller Arbeitsplatz ist ein Citroën C4 WRC, ein Gerät mit ausgefeilter Turbotechnik und intelligentem Allradantrieb. Der C4 ist das schnellste Rallyeauto, das jemals gebaut wurde. Aber es waren die Escort Mark 2, die ihn als College- Studenten einst in die Wälder lockten und das Feuer für den Rallyesport anfachten: "Diese Autos haben das richtige Aussehen, den richtigen Klang und den richtigen Geruch." Zudem bieten sie auch das richtige Spektakel. Bei der Manx-Rallye, dem Höhepunkt der britischen Saison, schmirgelt ein Dutzend MK2 auf letzter Rille über den Marktplatz von Castletown, allen voran das weiße Auto mit der Nummer 101. Es ist gerade eine Zeit gefahren, mit der sein Pilot im Feld der Modernen Platz vier belegt hätte.

Wer Gwyndaf Evans mit seinen roten Wangen und dem schütteren Haupthaar sieht, mag glauben, der Waliser spiele die Hauptrolle in der nächsten Staffel von Bauer sucht Frau. Aber bei kaum einem Menschen täuscht das Erscheinungsbild dermaßen wie bei dem 50-jährigen Waliser. Evans ist ein äußerst freundlicher Dr. Jekyll, sobald er sich in ein Auto setzt, wird er zu Mister Hyde. Mit 17 gewann er seine erste Rallye. Über Jahrzehnte zählte er zur britischen Spitze, lange war er Ford-Testfahrer. Evans wohnt nur 45 Minuten von Phil Mills entfernt. Als der Escort fertig war, rief Mills bei Evans an. "Wir wollen kein Mittelmaß", sagt er, und damit ist nicht nur das Auto gemeint.

Connor kennt die zweite Ford-Generation extrem gut

Das Auto baute John O’Connor, der zu Beginn der Achtziger im Team von David Sutton an diversen Escort schraubte. Sutton gewann mit Ari Vatanen 1981 die WM - es ist bis heute das letzte Fahrer-Championat, das an einen Ford-Fahrer ging. Niemand kennt die zweite Escort-Generation besser als O’Connor. "Die Autos sind gar nicht mehr vergleichbar", sagt der 57-Jährige. "Es geht beim Kabelbaum los und endet bei der Bremsanlage." Bessere Materialien und moderne Qualitätskontrollen hieven den Escort auf ein neues Niveau. Die Waldegaards, Mikkolas und Vatanens hätten nur davon träumen können, was ein MK 2 auf dem heutigen Stand alles kann. Der Cosworth-Vierzylinder orgelt bis 9.200 Umdrehungen und leistet mit Weber-Doppelvergasern 265 PS. Man könnte die Latte noch höher legen und auf 10.000 Touren gehen.

O’Connor hat einen noch 25 PS stärkeren Motor mit Lucas-Einspritzung gebaut, aber Mills winkt ab: "Leistung bedeutet nichts, Drehmoment ist alles." Er opferte 20 PS für 15 Prozent mehr Drehmoment. Spielte sich früher unter 3.500 Touren wenig ab, zieht der 2,5-Liter-BDA nun schon ab 2.000/min richtig los. Dass die 30 Jahre alten Kompakt-Autos in der Historischen Britischen Rallymeisterschaft auf Asphalt und Schotter runtergeritten werden, muss keinen Traditionalisten schmerzen. Es gibt fast nichts, was für den Escort nicht wieder erhältlich wäre. So baute man bei Weber vor zwei Jahren wieder Doppelvergaser, neue Motorblöcke gibt es in Brasilien, Cosworth liefert immer noch Kurbelwellen, ZF legte unlängst eine Kleinserie mit 50 Fünfganggetrieben auf, Atlas produzierte 100 neue Hinterachsen.

Die historischen Rallye-Autos boomen

Der Markt für historische Rallye-Autos wächst, so wird die Nostalgie auch in heutigen Zeiten zu einem attraktiven Geschäft. Während die moderne britische Meisterschaft in der Wirtschaftskrise mit weniger als 50 Teilnehmern darbt, fahren in der historischen Serie 80 Autos, davon etwa 20 Escort. Phil Mills sieht im Verkauf oder der Betreuung von Escort-Kunden seine wirtschaftliche Zukunft. Statt mit Masse will er vor allem mit Klasse überzeugen: "Wir wollen einen Sieben-Sterne-Service bieten. Wir wollen nicht 25 Kunden, sondern fünf, die eine Betreuung bekommen wie in einem modernen Rallye- Werksteam." Mit etwa 110.000 Euro für einen 78er Escort sind Mills‘ Autos bis zu 20 Prozent teurer als die der Konkurrenz.

Der Unterschied steckt zu einem großen Teil in der Karosserie. Während die meisten Escort- Teams ihre Karossen in mehr oder weniger gutem Zustand alten Witwen abschwatzen, sehen seine Autos aus wie neu, und sie sind neu. Den Namen will er nicht nennen, aber Mills hat eine Firma aufgetan, die sich in Ungarn und Polen Original-Pressformen besorgte. "Abgesehen von den zwei Grundträgern können wir jedes Blech neu fertigen lassen", sagt Mills. Drei Escort hat John O’Connor bisher aufgebaut. Was es nicht mehr gibt, baut er nach alten Vorgaben nach. Die Spannbreite reicht von der Instrumententafel bis zum Radmutterschlüssel. Nicht originalgetreu ist lediglich der eingeschweißte Stahlkäfig, der deutlich mehr Sicherheit bietet als die ursprüngliche, geschraubte Variante. Das Gros ist Handarbeit. 550 Arbeitsstunden stecken allein in der Karosserie, weitere 500 im Rest des Autos. "Es ist eben die Frage, ob du eine Timex oder eine Rolex kaufst", sagt Mills und outet sich als hoffnungsloser Purist und Traditionalist.

Phil Mills ist bescheiden

Von Wales nach Monaco ziehen? Undenkbar. Wenn er nach Teilen fahndet, zückt er kein modernes Blackberry, sondern einen alten Nokia-Knochen: "Manchmal musst du 25 Leute anrufen, um etwas zu bekommen, aber das macht einen Teil des Spaßes aus", sagt er. Zum Spaß gehört auch, auf Campingstühlen zu sitzen und Gästen Zucker zum Tee aus der Tüte anzubieten. Zwar weiß Mills die Motorhomes und Heerscharen von Mitarbeitern vom Ingenieur bis zum Physiotherapeuten in einem Werksteam zu schätzen, doch die geerdete Atmosphäre in der historischen Szene entspannt den zweifachen Familienvater. Ein Rallye-Auto, ein einfaches Wohnmobil und ein Kleintransporter, mehr benötigt er nicht zum neuen Glück. Er hätte das Team nach sich selbst benennen können, aber Selbstdarstellerei kann er nicht leiden. Weil der New-Zealand-Herald über ihn und Petter Solberg einst schrieb: "Hilfe, die Wikinger kommen", taufte er sein neues Geschäft Viking Motorsport.

Mehr als einmal steckte der Wikinger Solberg seine Nase schon in den alten Escort. Der stellte nach dem Ende bei Subaru in nur drei Wochen ein eigenes modernes Team auf die Beine, mit dem er die beste WM-Saison ablieferte, die je einem Privatier gelang. Aus dem Pausenjahr 2009 wurde für Phil Mills die stressigste Saison seines Lebens. Bisher stört ihn die Doppelbelastung nicht. Bis 2015 würde Mills gern im aktuellen Geschäft weitermachen, danach könnte er sich vorstellen, gemeinsam mit Solberg in die historische Szene zu wechseln. Mills träumt von einer historischen Weltmeisterschaft mit einem halben Dutzend klassischer Läufe.

Viking Motorsport ist äußerst erfolgreich

Er ist sich sicher, dass sich so auch frühere große Namen anlocken lassen. Und nicht nur die: Die aktuellen Ford-Werksfahrer Jari-Matti Latvala und Mikko Hirvonen haben beide einen Escort BDA in der Garage stehen. Latvala beeindruckte damit bei einer nationalen Rallye, und Vize-Weltmeister Hirvonen scharrt auch schon mit den Füßen. "Ich kann es gar nicht erwarten, damit anzutreten." Hirvonen kaufte sein Auto nicht bei Mills, sondern bei Escort-Routinier Mark Solloway, der selbst regelmäßig in der historischen britischen Meisterschaft ins Lenkrad greift und seit vielen Jahren gut im Geschäft ist - auf Mills hat die Szene nicht gerade gewartet. "Ich weiß nicht, ob er damit wirklich Geld verdienen kann", sagt Phil Collins - wie Gwyndaf Evans seit den späten Achtzigern eines der Urgesteine im britischen Rallyesport.

Immerhin hinterließ das Viking-Team beeindruckende Visitenkarten. Einmal streikte die Lichtmaschine, ansonsten gewann der weiße MK2 in der abgelaufenen Saison vier von fünf Rallyes. Beim Asphaltdebüt auf der Isle of Man stapelte Phil Mills tief und sprach von einer Lernphase. Man mag sich nicht ausmalen, wie sein Escort läuft, wenn er ausgelernt hat. Gwyndaf Evans fuhr sämtliche Bestzeiten.


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