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Pikes Peak Bergrennen 2013
Umlimitierte Technik an „Americas‘ Mountain“

Inhalt von

Die irrwitzige Rekordfahrt von Loeb, ein 2.450-PS-Laster, bärenstarke E-Renner und ein 500-PS-„Soccer Mom”-Honda - am Pikes Peak in Colorado war die Hölle los.

Pikes Peak, Peugeot 208, Frontansicht
Foto: Archiv

Der Pikes Peak ist das gelobte Land für ehrgeizige Technik-Freaks. „Hier bin ich Ingenieur, hier darf ich sein“, freuen sich die Techniker. Anders etwa als in der Formel 1, der Rallye-WM oder der DTM wird ihr Erfindergeist hier nicht im Geringsten eingeengt. Niemand wird am Pikes Peak unterjocht von öden Ladedruckbeschränkungen, geknechtet von limitierten Reifenbreiten oder gequält von lachhaft kleinen Luftmengenbegrenzern.

„Unlimited“ heißt die Topklasse, die an „Americas’ Mountain“ ausgeschrieben ist. Und wo unlimited draufsteht, ist auch wirklich unlimited drin. Was die Technik der Prototypen angeht, ist diese Piste in Colorado das Territorium der unbegrenzten Möglichkeiten, eines der inzwischen sehr seltenen Reservate, in denen man ungestraft und zügellos seine PS-Leidenschaft ausleben darf. Mit Ausnahme von Kernspaltung oder Dynamitstangen im Auspuff ist hier alles erlaubt, was schnell macht.

Unsere Highlights

Sich im PS-Monster bergauf zu kanonieren

Schon vor 25 Jahren versuchte ein kaltblütiger Amerikaner, sich mit einem turbinengetriebenen PS-Monster bergauf zu kanonieren. Mit bescheidenem Erfolg. Nach Problemen mit dem Gaspedal zerschellte der raketenartige Wagen bereits im Training nach wenigen Kurven im Wald. Dieses Schicksal ereilte auch seinen Landsmann Paul Dallenbach im letzten Jahr. Sein 1400 PS starker Apparat bog in der vierten Kurve mit Wucht in Richtung der Bäume ab. Glück im Unglück: Die beiden Amerikaner blieben unverletzt. Dallenbach konnte sich in diesem Jahr als Gesamt-Vierter bestens rehabilitieren, in einem optisch vergleichsweise unspektakulären, jedoch gut 500 PS starken Hyundai Coupé-Prototypen aus der Klasse „Time Attack“.

Spielwiese für Techniker und Marketingplattform

Vor fast drei Jahrzehnten entdeckten die Europäer den Pikes Peak für sich - als Spielwiese für die Techniker und als Marketingplattform: Audi holte drei Siege mit Spezialversionen des Rallye-Quattro, und auch Peugeot trug sich zweimal in die Siegerliste ein. Unvergessener Höhepunkt dieser wilden Zeit am Berg war das Duell zwischen Walter Röhrl und Ari Vatanen im Jahr 1987. Dank grandioser Fahrkunst sowie 650 PS im Quattro S1 bezwang der lange Regensburger den Finnen damals knapp. Dieser Triumph ist im kollektiven Motorsportgedächtnis der Deutschen immer noch sehr präsent.
 
Damals wurde auf einer Schotterstraße gefahren. Wegen Stress mit der lokalen Umweltbehörde, die übermäßige Staubentwicklung rügte, wurde die 20 Kilometer lange Piste sukzessive asphaltiert. Vor zwei Jahren schlossen die Arbeiter die letzte Lücke. Als Folge wurde die Bodenfreiheit nun zur Nebenssache, und jetzt kann auch mit wahrhaftigen Rennautos, zum Beispiel mit Sportprototypen, gefahren werden.
 
Sicherer wurde der Pikes Peak dadurch übrigens nicht. Eher im Gegenteil. „Der Speed ist jetzt viel höher. Außerdem kann es sehr unangenehm sein, wenn man mit Slicks in den Kurven auf Rollsplitt kommt, den der Vorausfahrende durchs Schneiden der Kurven auf die Bahn geworfen hat“, erklärte Pikes Peak-Veteran Rhys Millen.
 
Beim Comeback am Pikes Peak meinte Peugeot-Technikchef Bruno Famin, 875 PS müssten genügen, um so hurtig bergauf zu stürmen, dass den Amis Hören und Sehen vergeht. Die Jungs von Peugeot-Sport bauten in knapp einem halben Jahr einen unerhörten Kraftwürfel mit Allradantrieb, V6-Mittelmotor und nur 875 Kilo Leergewicht. Für dieses Technikwunderwerk kam nur ein Fahrer in Frage: Sébastien Loeb, der - nach WM-Titeln gerechnet -, erfolgreichste Autofahrer der Welt. Der Citroën-Star nahm sich ein paar Wochen Zeit, um bei der Konzernschwester auszuhelfen.

Loeb atomisierte die alte Bestmarke

Rekord oder nicht Rekord - das war im Grunde gar keine Frage für das Peugeot-Team. So lange es kein Glatteis gab, war klar, dass Loeb mit dem 208 T16 die alte Rekordmarke von 9.46 Minuten auf jeden Fall knacken würde, selbst auf nasser Piste: „Wobei das Auto dabei unfahrbar gewesen wäre.“ Doch es blieb trocken. Loeb atomisierte die alte Bestmarke. Er war mehr als 90 Sekunden schneller auf dem 4301 Meter hoch gelegenen Gipfel als der entthronte Rekordmann Rhys Millen im Jahr 2012.
 
Loeb schaffte einen Schnitt von fast 141 km/h, auf einer schmalen, brandgefährlichen Straße. Sein Topspeed betrug 244 km/h. Zum Vergleich: Röhrl wurde 1987 mit 192 km/h gestoppt. Sein Durchschnittstempo - auf Schotter - lag bei rund 116 km/h. Die Motorsportwelt trug zwar Loeb auf den Schultern, doch man sollte auf keinen Fall all jene vergessen, die mit viel Enthusiasmus, beachtlichem Budget und oft gewaltigem fahrerischen Einsatz dem Berg zu Leibe rückten.

Der Angriff auf den Berg ist eigentlich ein Amateur-Event

143 Starter versuchten sich in diesem Jahr am Pikes Peak, verteilt auf zehn Klassen bei den Autos sowie acht Motorrad- und Quadkategorien. Genau darin liegt der Charme dieses Rennens: Der Angriff auf den Berg ist eigentlich ein Amateur-Event mit Profi-Beteiligung. Der Enthusiasmus vieler Teilnehmer kennt kaum Grenzen. Wer den Gipfel erreicht, ballt die Faust, stößt spitze Schreie aus, lässt sich feiern und umarmt seine Konkurrenten. Ganz besonders herzlich ging es bei den Seitenwagen zu, was wohl daran liegt, dass dies die einzige Kategorie ist, in der ein Copilot sein Leben riskieren darf. Nach einem übel aussehenden Unfall 2012, als ein mit zwei Mann besetzter Mitsubishi in den Abgrund stürzte und sich ein Dutzend Mal überschlug, waren die Beifahrer aus den Autos verbannt worden. Die beiden Crashfahrer waren zwar nicht nennenswert verletzt - aber sicher ist sicher.
 
Ein französisches Paar schrieb diesmal ein rührendes Kapitel Pikes Peak-Geschichte. Christophe und Sylvie Lebert - fünf Kinder, ein Enkel - hatten 2011 bei einem Rennunfall im Sidecar Wirbelbrüche erlitten. Der 49-jährige Fahrer genas vollständig. Seine Frau kann jedoch nur mit Stock gehen, und im Fahrerlager nimmt sie den Rollstuhl. Trotz Handicaps zeigten die beiden mit ihrem betagten Yamaha-Gespann eine famose Leistung: Platz drei in der Klasse, 98 km/h im Schnitt.

Die Elektro-Japaner kommen

Die Franzosen waren generell stark vertreten in Colorado: Porsche-Werksfahrer Romain Dumas musste seinen Norma-Prototypen wegen des schwächelnden Honda-Turbo zwar schnell abstellen, doch Jean-Philippe Dayraut zeigte, was sich mit einem Eisrennauto so alles anstellen lässt. Der Mittelmotor-Renner, der auch schon mit einer Dacia Logan-Karosse in der Trophée Andros driftete, bekam ein Mini-Kleid sowie einen 850 PS starken Nissan-V6 - genug für Gesamtrang drei.
 
Toyota und Mitsubishi betrachten den Pikes Peak anscheinend als idealen Showroom für Elektro-Mobilität. Dumm nur, dass ihnen ein Landsmann ihren leise surrenden, 400 Kilowatt starken Gefährten die Show stahl. Der frühere Suzuki-Sportchef Nobuhiro Tajima war mit seinem Elektro-Eigenbau mehr als eine halbe Minute schneller - und das mit China-Reifen Marke Giti. Aus Ärger darüber hätte sich Mitsubishi-Mann Hiroshi Masuoka wohl am liebsten am Gipfel eingegraben.

2.450 Diesel-PS aus Kompressor- und Turboaufladung

Das stärkste Gefährt, ein Renn-Laster der Marke Freightliner, hatte seine 2.450 Diesel-PS einer Kombination aus Kompressor- und Turboaufladung zu verdanken. Fahrer Mike Ryan, ein knorriger Stuntman aus Hollywood, ließ es zwar nicht an Einsatz fehlen. Doch die nasse Piste im oberen Bereich wirkte auf die Zeitenhatz kontraproduktiv. Knapp 13 Minuten - das ist normalerweise indiskutabel für einen Burschen wie Ryan.
 
Immerhin war Ryan mit dem Monster-Laster ein paar Sekunden schneller als der wohl irrste Minivan der USA. Indy-Car-Pilot Simon Pagenaud mühte sich in einem frontgetriebenen Honda Odyssey redlich. Der Franzose mit dem akkuraten Gigolo-Haarschnitt freute sich über 500 Turbo-PS. Andererseits ärgerte er sich über mangelhafte Traktion und hatte abschließend einen guten Spruch auf Lager: „Das war ein Gewinn für alle Soccer Moms.“

Der Berg ruft
Die Stadt Colorado Springs hat Spencer Penrose zwei feine Attraktionen zu verdanken – das inzwischen fast wie eine Kleinstadt große, außergewöhnlich schöne Luxushotel „The Broadmoor“ sowie die Straße auf den 4301 Meter hohen Pikes Peak. Der autobegeisterte Unternehmer war die treibende Kraft hinter dem Berg-Highway, der 1916 eingeweiht wurde. Er diente als Ausflugsziel für die Kurgäste und einmal im Jahr als Rennstrecke. Nach Milwaukee-Mile, Indy 500 ist der Pikes Peak Hill Climb das dritttälteste Rennen der USA.

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten