Die Zukunft des Verbrennungsmotors

Die Zukunft des Verbrennungsmotors
48-Volt-Bordnetz gegen Bremsenergieverschwendung

Zuletzt aktualisiert am 23.12.2016

Feinstaubalarm, Fahrverbote oder gleich ein kompletter Zulassungsstop? Der Verbrennungsmotor geht schnurstracks seinem Ende entgegen. Sagen die einen. Für die anderen, zu denen Daimlers Entwicklungsvorstand Thomas Weber gehört, hat er seine beste Zeit noch vor sich. Als Beweis für die Ernsthaftigkeit dieser Aussage dürfen drei Milliarden Euro gelten, die Daimler in seine neue Motorenfamilie investiert, die sparsamer und sauberer sein soll als bisherige Antriebe. Mit dem Vierzylinder-Diesel in der neuen E-Klasse ist das erste Aggregat seit Frühjahr bereits in Serie und durchlief schon verschiedene auto motor und sport-Tests.

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Diesel kann auch sauber

Und tatsächlich überraschte der OM 654 mit seinen außergewöhnlich geringen Stickoxid-Emissionen (NOX) – neben dem Partikelausstoß die Problemzone des Diesel. Während es bei nahezu allen anderen von uns gemessenen Dieseln nur darum ging, um welchen Faktor ihr NOX-Ausstoß auf der Straße über dem gesetzlichen Euro-6-Grenzwert liegt, stieß die E-Klasse im Realbetrieb nur die Hälfte der erlaubten 80 mg/km aus. Eine motornah angebrachte und üppig dimensionierte Abgasnachbehandlung erfüllt ihren Zweck ebenso wie das verfeinerte Brennverfahren: Durch die gleichmäßige Verbrennung, bei der keine NOX-begünstigenden Hitzenester entstehen, kommen bedeutend weniger Schadstoffe am SCR-Kat an. Für den vom Vierzylinder abgeleiteten Reihensechszylinder, der 2017 auf den Markt kommt, verspricht Mercedes ähnlich niedrige NOX-Werte. Dabei soll der OM-656-Diesel mit drei Litern Hubraum über 300 PS und mehr als 650 Nm Drehmoment wuchten. Ob vier oder sechs Zylinder: Alle neuen Motoren verfügen über einen einheitlichen Hubraum von 0,5 Litern pro Brennraum und einen Zylinderabstand von 90 Millimetern, was Kosten bei Entwicklung und Produktion spart.

Mercedes Reihensechszylinder ab 2017

Auf noch spektakulärere Art verpasst Mercedes den Benzinern frischen Schwung und das sogar wortwörtlich: So kommt die S-Klasse bei ihrem Facelift 2017 in den Genuss des neuen Reihensechszylinders M 256, dem ein an der Kurbelwelle angebrachter Startergenerator mit bis zu 15 kW und 220 Nm Extraboost unter die Arme greift.

Der kräftige Elektromotor sorgt nicht nur für besseren Durchzug und blitzschnelle Motorstarts, er wird beim Bremsen zum Generator und speist so einen Teil der Bewegungsenergie zurück in die 0,5 kWh große Lithium-Ionen-Batterie. Obwohl Mercedes für den Sechszylinder-Benziner „deutlich mehr“ als 400 PS in Aussicht stellt, soll er 15 Prozent sparsamer laufen als sein 333 PS starker V6-Vorgänger. Ebenfalls ungewöhnlich: Die neuen Benziner stattet Mercedes mit einem Partikelfilter aus, der bisher hauptsächlich dem Diesel vorbehalten war. Gerade moderne und sparsame Direkteinspritzer neigen ebenfalls zu einer erhöhten Partikelbildung.

Anders als bei teuren Hochvolt-Hybridsystemen kommt beim M 256 ein 48-Volt-Teil-Bordnetz zum Einsatz, das nicht nur den E-Motor versorgt, sondern auch leistungshungrige Nebenaggregate wie die Wasserpumpe, den Klimakompressor oder den elektrischen Zusatzverdichter mitübernimmt. Den konventionellen Abgasturbolader unterstützt ein elektrischer Turbo von BorgWarner, der unabhängig vom Lastzustand des Motors nahezu verzögerungsfrei Ladedruck aufbauen kann.

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Weniger stromhungrige Komponenten wie die Beleuchtung oder die Steuergeräte laufen weiterhin mit den üblichen zwölf Volt, ein Spannungsteiler sorgt für passenden Anschluss. Durch die Elektrifizierung der Nebenaggregate entfällt deren Riemenantrieb, sodass der Sechszylinder kürzer baut als vergleichbare Reihenmotoren.

Auch wenn derzeit keiner die Möglichkeiten des stärkeren Bordnetzes so konsequent nutzt wie Mercedes, handelt es sich bei der 48-Volt-Technik um einen Branchentrend, der unter anderem einfachere und günstigere Spritsparantriebe ermöglicht.

Günstiger Hybrid von Continental

So hat Continental ein Elektromodul entwickelt, bei dem ein wassergekühlter 48-Volt-Motor den Anlasser ersetzt. Der kurzzeitig bis zu 10 kW starke E-Motor erlaubt schnelle und komfortable Starts des Verbrenners, sodass sich dieser wesentlich häufiger als bisher deaktivieren lässt – etwa im Schubbetrieb, wenn der Fahrer vom Gas geht. Am sparsamsten ist ein Verbrenner schließlich dann, wenn er aus ist. Geht der Fahrer wieder aufs Gas, wird der Motor elektrisch auf die passende Drehzahl gebracht. Die nötige Energie hat er zuvor per Rekuperation selbst erzeugt. Ende des Jahres beginnt der Serienstart des ersten, P0 genannten 48-Volt-Hybrids im neuen Renault Scénic, das Spritsparpotenzial beziffert Continental auf 13 Prozent.

Auf deren Testgelände in Regensburg hatte auto motor und sport die Gelegenheit, schon die nächste Generation (P2) auf 48-Volt-Basis Probe zu fahren. In Zusammenarbeit mit Ford baute Conti einen handgeschalteten Focus 1.0 Ecoboost zum Hybrid um. Hierfür spannten die Entwickler einen 15 kW starken E-Motor per Riemen zwischen Dreizylinder und Getriebe. Zwei elektrisch betätigte Kupplungen vor und hinter dem E-Motor ermöglichen verschiedene Fahrmodi wie Rekuperieren, Segeln oder Boosten. Durch die Möglichkeit, den Verbrenner abzukuppeln, ist sogar rein elektrisches Fahren möglich.

Im Test hielt der Teilzeitstromer tatsächlich problemlos Tempo 50, in der Stadt kann der Verbrenner daher oft pausieren. Die 15 kW reichen auch zum Ein- und Ausparken oder im Stau, wenn es immer mal wieder ein paar Meter vorwärts geht. Wird das Gaspedal stärker gedrückt, wirft der kräftige Riemengenerator den Benziner schnell und überraschend ruckfrei wieder an. Wann das clevere Hybridmodul in Serie geht, verrät Conti noch nicht, wohl aber dass es an nahezu jeden konventionellen Motor passt, bis zu 25 Prozent Sprit spart und weniger als 1.000 Euro kostet.

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Auch wenn sich die Branche derzeit stark mit Elektrifizierung, 48 Volt & Co. beschäftigt, ist der reine Verbrenner selbst nach 130 Jahren Einsatz im Auto längst noch nicht zu Ende entwickelt. So plant Mazda für die nächste Generation des 3 die Einführung einer Technik, an der schon viele Hersteller forschten: den selbstzündenden Benziner. Durch die hohe Verdichtung von 18 : 1 startet die Verbrennung wie beim Diesel ohne Zündfunken. Da der Motor extrem mager betrieben werden kann, soll der Verbrauchsvorteil bei eindrucksvollen 30 Prozent liegen, gleichzeitig fallen bei diesem Brennverfahren sehr wenig Stickoxide an. Mercedes hat das Verfahren als „Diesotto“ schon vor vielen Jahren vorgestellt, jedoch nie in die Serie gebracht.

Wassereinspritzung von Bosch

Auch bei der Wassereinspritzung handelt es sich um einen Klassiker der Motorenentwicklung, der unter anderem bei Saab bereits im Serieneinsatz war. Bosch hat das Prinzip nun aufgegriffen und nutzt winzige Wassermengen, die zur Kühlung in den Brennraum eingespritzt werden. Dadurch kann auf die Volllastanreicherung verzichtet werden, bei der zusätzlicher Kraftstoff nur dafür verschwendet wird, um Temperaturspitzen zu verhindern – was vor allem Downsizing-Motoren bei schneller Fahrt zu Säufern macht. Der nächste BMW M3 soll bereits mit Wassereinspritzung ausgerüstet werden.

Aber auch Großserienmotoren wie die millionenfach gebauten TSI-Aggregate von VW werden durch VTG-Lader oder plasmabeschichtete Zylinderwände immer aufwendiger und sparsamer. Ob es komplexe Konstruktionen wie die variable Verdichtung à la Infiniti in die Serie schaffen, ist allerdings noch nicht sicher.

Fazit

Ob Diesel und Benziner tatsächlich in ihre letzte Runde gehen, darf angesichts der teuren und reichweitenlimitierten Elektroautos bezweifelt werden. Dabei müssen alte und neue Welt gar kein Widerspruch sein, hilft doch das 48-Volt-Netz dem Verbrenner auf günstige Art, eine seiner Hauptschwächen zu lindern: das Verschwenden von Bremsenergie. Zusammen mit einer wirkungsvollen Abgasreinigung, die nicht nur auf dem Prüfstand funktioniert, hat der Verbrenner auf jeden Fall das Zeug zur Brückentechnik ins Elektrozeitalter.