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Mercedes G Historie
Der Mann hinter dem Mercedes G

Als Testfahrer hat Heinrich Wangler die Entwicklung des Mercedes G von Beginn an geprägt. Wir erzählen seine spannende Geschichte.

Der Mann hinter dem Mercedes G

Als Mercedes 1979 offiziell ein völlig neues Fahrzeugkonzept vorstellte, kannte Heinrich Wangler den Mercedes G bereits in- und auswendig. Auf unzähligen Erprobungsfahrten hatte er die Prototypen des Mercedes G durch Wüstenhitze und Eiseskälte getrieben. Wir hielten mit Wangler Rückschau in seinem Privatarchiv.

Am Anfang war der GW1

Mit dem trommelgebremsten Vorserienmodell machte Wangler 1977 zum ersten Mal Bekanntschaft. Eigentlich wollte der gelernte Kfz-Mechaniker damals in der Nutzfahrzeugabteilung bei Mercedes einsteigen und sich um Lkw kümmern. Die Einstellung war Formsache, doch aus den Lkw wurde nichts. Am 1. Juni 1977 begann Heinrich Wangler bei der G-Entwicklung. Seine erste Aufgabe dort war noch übersichtlich: Er assistierte den Entwicklungsingenieuren bei der Fahrwerkentwicklung. Wie in vielen seiner Erzählungen mutet es heute geradezu kurios an, unter welchen Umständen damals gearbeitet wurde. Die Fahrwerkabstimmung beispielsweise fand ganz unbekümmert auf der Schwäbischen Alb statt. Ein Entwicklungsingenieur vorneweg, Wangler hinterher. „Der hat’s richtig knacken lassen. Und als er sah, dass ich immer noch dran war, hat er in einer Kurve die Abkürzung genommen. Mit 60 über einen halbmeterhohen Absatz in einen Feldweg. Das war mein erster Flug mit dem G!“ Allerdings nicht sein letzter.

Die Abstimmungsfahrten, bei denen verschiedene Dämpfer-Varianten an den damals noch mit 250er-Benzinern ausgestatteten Prototypen ausprobiert wurden, waren Wanglers Eintritt in die weite Welt des Mercedes G. Und schon zwei Monate nach dem Erlebnis auf der Alb ging es ans Eingemachte. Mit einem 813er-Lkw, auf dessen Pritsche ein Vorserien-Mercedes 230 G parkte, machte sich Wangler gemeinsam mit einem Vorführ-Fahrer auf den Weg Richtung Ankara. Eigentlich nur als Monteur, falls den Prototypen ein Wehwehchen plagen sollte – Demonstrationsfahrten beim türkischen Militär standen an.

Unsere Highlights

Doch als der Fahrer, der eigentlich für Vorführungen auf Lkw geschult war, an einem Steilhang scheiterte, griff Wangler kurz entschlossen zum Volant. „Drei Mal hab ich Anlauf genommen, dann bin ich über die Kuppe geflogen.“ Das war der Anfang eines neuen Karriereabschnitts für den Schwaben. Und einer etwas längeren Dienstfahrt. Denn im Anschluss bekamen die beiden Piloten vom verantwortlichen Mercedes-Mann eröffnet, dass aus der geplanten Heimreise nichts werde. Man möge sich doch in Richtung Kuwait auf den Weg machen, auch da warteten Interessenten auf den neuen Mercedes-Geländewagen.

Wangler setzte sich in den Lkw und fuhr los

Auf dem Landweg über Syrien, Jordanien, Saudi-Arabien bis nach Kuwait. Und anschließend weiter nach Dubai, Abu Dhabi und Katar. Überall fand der neuartige Geländegänger reges Interesse. Und erstaunte Zuschauer. Wangler: „Das Auto wog ja nichts. Wir hatten keine Türen drin, eine klappbare Scheibe. 1500 Kilo Gesamtgewicht. Und als die Araber in den Motorraum sahen und den Vierzylinder erblickten, kam stets die Frage – gibt es den auch mit ganzem Motor?“ Der „halbe Achtzylinder“ im 230 G reichte jedenfalls, die Promotiontour geriet zum vollen Erfolg. Auch dank zahlreicher nicht ganz programmgemäßer Abstecher in die Wüste, bei denen die Einheimischen mehr als einmal über das seltsame Auto aus Deutschland staunten, das einfach die Dünen hinauffuhr statt wie sie den Weg außenrum zu suchen.

Vier Monate und 14.000 Kilometer später war Wangler wieder zurück in Deutschland. Und fortan der Vorführ-Pilot, wann immer der G potenziellen Kunden schmackhaft gemacht werden sollte. Eine solche Reise führte ihn auch nach Argentinien – das dortige Militär plante die Anschaffung eines größeren G-Kontingents. Als Herausforderung galt es beispielsweise, eine Markierung am Strand zu umfahren. Was niemand wusste: Bei Flut stand das Schild rund einen Meter weit im Wasser. „Ich hab dann eben Klebeband um den Verteiler gewickelt und bin los. Der leitende Techniker meinte nur, ich könne nicht ganz sauber sein. Aber ich war der Einzige, der um die Markierung gefahren ist. Es waren ja noch andere Marken bei der Vorführung dabei. Die haben alle nur zugeguckt. Bei jeder Welle hab ich gemerkt, wie der Wagen sehr, sehr leicht wird. Aber er hat’s gepackt.“

Als Wangler auf der anschließenden Fahrt durch ein riesiges Übungsgebiet – im Auto ein Major und ein Dolmetscher – von zwei Soldaten gebeten wurde, doch bitte vorsichtig in der gefahrenen Spur wieder zurückzufahren, wurde allerdings auch ihm mulmig. Denn auf seine Feststellung, dass in dem gerade frisch angelegten Minenfeld ja sicher Übungsmunition verlegt sei, antworteten Dolmetscher wie Major gleichzeitig: „Was ist Übungsmunition?“

Heinrich Wangler: Fahrer von Papst Johannes Paul II

Eine der herzerfrischenden Anekdoten aus Heinrich Wanglers Berufsleben darf nicht fehlen: „Anfang 1980 baute sich mein Hauptabteilungsleiter vor mir auf und rief: Wangler! Sind Sie katholisch? Ich bejahte und bekam als Antwort: Sind Sie gewillt, eine höhergestellte katholische Persönlichkeit zu fahren?“ So wurde Heinrich Wangler Fahrer von Papst Johannes Paul II, den er mit dem legendären „Papamobil“, einem perlmuttfarbenen 230 G mit goldenen Felgen, durch Deutschland chauffierte. Das Auto steht heute im Mercedes-Museum in Stuttgart.

Eine andere wunderschöne Geschichte brachte Wangler für ein paar Monate „schlechte Karten bei der Entwicklungsabteilung“ ein, wie er trocken erzählt. 1981 begann er mit seinem bis heute gepflegten Hobby: Trial-Wettbewerbe bei der Deutschen Geländewagen Meisterschaft. Anfangs mit serienmäßigen Werkswagen, die er sich übers Wochenende auslieh. Später baute er sich ein eigenes Auto: In einen ausgemusterten 1978er-Prototypen-230 G installierte er den 3,8-Liter-Achtzylinder einer S-Klasse und stellte ihn nach getanem Umbau seinem Direktor vors Büro. „Der ist in das Auto gestiegen, auf die Einfahrbahn und kam nicht wieder. Sogar die Mittagspause hat er verpasst.“ Irgendwann kam der Vorgesetzte doch zurück. Und ließ die komplette Einbau-Entwicklungsabteilung antreten. Dort war stets behauptet worden, ein V8 passe nicht in den G. Verständlich, dass Wanglers Gegenbeweis bei den Ingenieuren keine große Freude verursachte. Es dauerte zwölf Jahre, bis der erste offizielle V8-G vorgestellt wurde. Seit 2007 ist Wangler nun bei Mercedes im (Un-)Ruhestand. Der Marke ist er nicht nur als Präsident des G-Club weiter verbunden. Immer, wenn spezielle Fahrtermine oder Schulungen anstehen, klingelt sein Telefon.

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