Mercedes F-Cell World Drive: Todeskurven und Ziegenflüsterer

Mercedes F-Cell World Drive
Dickste Hörner, engste Hosen

Veröffentlicht am 02.03.2011

Pierre Le Moyne d’Iberville und sein Bruder Jean-Babtiste hatten die nicht geringe Aufgabe, ihrem König Ludwig das Gebiet von Lousiana unter den Nagel zu reißen. Sie fuhren den Mississippi hinunter und erreichten die Mündung am 3. März 1699, dem Tag vor Aschermittwoch. Nach diesem denkwürdigen Datum nannten sie den Ort "Point de Mardi Gras" (Ort des fetten Dienstags).

Wir wechseln Schauplatz und Zeit und begleiten Michael Krafft, einen einäugigen Holländer aus Pennsylvania, der in Mobile in der 1830er Neujahrsnacht im Suff in ein Eisenwarengeschäft einbrach, um sich und seine Freunde mit lärmendem Gerät einzudecken. Scheppernd und polternd zogen sie mit Glocken und Rechen durch die Straßen. Die Spießer nannten es Plünderung, Krafft und die Seinen eine Parade. Warum wir dieses Wikipedia-Wissen hier endlos ausbreiten? Weil aus der Fusion jener beiden Ereignisse der Südstaaten-Karneval entstand, in den unsere kleine Weltreise unschuldig hineingeriet.

Bourbon Street stinkt nach Pferdemist

An dieser Stelle ist eine unbequeme Wahrheit angebracht: Bourbon Street wird total überschätzt. Mag sein, dass sie die berühmteste Straße von New Orleans ist, aber zum einen scheint über ihr heute der von Sting so oft besungene Mond nicht, zum zweiten weht der aufbrausende Südwind eine Wand aus Pferdemist-Mief aus der Bourbon-Street in Richtung Canal-Street.

Hat der Tourist die Ausscheidungen der Polizei-Pferde erfolgreich überwunden, erlebt er das, was alle Partymeilen bieten: Lärm aus den Kneipen, Lärm auf der Straße. Die Mehrheit hat an diesem Sonntag schon gut getankt, man ist beim Aufwärmtraining für den nächsten fetten Dienstag in zwei Tagen. Ein junger Mann wird gerade in Handschellen abgeführt. Eine zierliche Asiatin zieht mit ihrer Freundin durch die Gasse und beschimpft alle möglichen Kerle, was sie für Waschlappen sind.

Blondine läutet ihren üppigen Busen

Eine üppige Blondine lupft ihr T-Shirt, läutet ihren ebenso üppigen Busen und schubbert sich anschließend am Autor dieser Zeilen. "Schau doch nicht so peinlich berührt", haucht sie beleidigt und zieht weiter. Jeder kleinere Gegenüber wäre erstickt.
 
Die größte Attraktion des Abends sind zwei Typen auf dem Balkon des Deja Vu. Der Nachtclub wirbt Parterre mit dem Slogan "1.000 schöne Mädchen - und auch hässliche". Weil das irgendwie nicht so richtig zieht, schmeißen die Jungs vom Balkon bunte Plastikketten in die Menge. Beim Mardi Gras geht es darum, möglichst viele dieser Glitzerdinger um den Hals zu hängen. Wer sich unter der Last kaum aufrecht halten kann, beweist damit, was für ein Partytier er ist. Unten stehen rund 50 Gierige, die die Spender vom ersten Stock anfeuern, als würden die Manna, Goldmünzen oder zumindest Google-Aktien vom Himmel regnen lassen.

Mercedes F-Cell Drive auf dem Weg gen Houston

Gibt es etwas Dämlicheres, als mit Sabber am Kinn geifernd die Hände zum Himmel zu recken und nach buntem Plastik zu hecheln, mit dem man vor Jahrhunderten noch die zutiefst verachteten Wilden zu bestechen suchte? Wie kann man sich dermaßen entblöden und erniedrigen? Derlei unkontrolliertes und infantiles Verhalten ist peinlich und albern. Außerdem haben die Typen mit ihren Plastikschätzen nie in meine Richtung gezielt.
 
Wir lassen New Orleans und Louisiana hinter uns und streben Richtung Houston. Die Stadt befindet sich nicht innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten, gehört nicht zum Kontinent Nordamerika und auch nicht zum Planeten Erde. Houston gehört zu Texas, was, wie schon am ersten Tag die Kalifornier Johnnie und Michael gewarnt haben - ein anderes Universum darstellt.

Texas ist ein Land für Angeber

Es beginnt mit der Topografie: Rollten unsere Brennstoffzellenbomber eben noch über 50 Kilometer lang auf einer Stelzenautobahn durch dichte Wälder und Sümpfe, befinden wir uns plötzlich auf plattem Weideland, so weit das Auge reicht. Die markantesten Wegmarken sind die alle Nase lang aus der Landschaft ragenden Raffinerien. Texas hat Öl, Texas verarbeitet Öl, und in Texas dreht sich nahezu alles ums Öl. In Texas sind die Hüte der Männer größer als anderswo, und selbst die Rinder tragen größere Hörner. Kurzum, es ist ein Land für Angeber.

Wo wir gerade beim Pflegen von Vorurteilen sind: Natürlich steht der Texaner auch im Ruf, ohne Sinn und Verstand den dicksten Pickup zu kaufen, auch wenn er nie etwas Größeres als eine Kühlbox zum Angelausflug transportieren musste. Was tat man als Kind auf nicht enden wollenden Autobahnfahrten? Man zählte Autos. Also führen wir doch mal schnell eine Messung durch, wie sich die ersten 100 Autos ab 14:20 Uhr auf der Interstate 10 nach Westen verteilen. Siehe da: 41 normale Pkw und Vans, 59 Pickups und SUV, eine absolute Mehrheit, wie sie in guten Zeiten die CSU in Bayern geschafft hat.

Captain John ist fasziniert von der Brennstoffzellen-Zukunft

Aber das Schönste an Vorurteilen ist, wenn man sie über Bord werfen kann. Und so steht beim Tankstopp am Mittag ein knorriger älterer Herr mit Baseballmütze vor unserem Auto und fragt, ob er mal einsteigen darf. "Mein Name ist Johann", sagt er auf Deutsch, um dann anzufügen, dass er eigentlich Captain John ist, weil er lange in der Army gedient hat. Um Himmels Willen, wieder so ein militanter, erzkonservativer Republikaner.
 
"Wow", sagt John. "Das fasziniert mich. Was ihr da mitbringt, das ist die Zukunft." Wie stand es in der Gebrauchsanweisung für Amerikaner? Sprich nicht über Religion! Rede um Himmels Willen nicht über Sex, und diskutiere, niemals, niemals und auch danach nie nicht über Politik.

Der Captain rechnet mit Ex-Präsident Bush ab

Das ist in diesem Fall auch gar nicht nötig, denn damit fängt John an: "Wir hatten den größten Idioten, den man sich vorstellen kann als Präsident, aber der hatte gute Kontakte." So schnell hat mit George W. Bush noch niemand abgerechnet. "Nun, haben wir ein Genie als Präsident, aber der hat keine Kontakte", analysiert John. Und wie geht die nächste Wahl aus? "Das ist eine wirklich interessante Frage", sagt er, um sich gleich wieder intensiv für Wasserstoffverbrennung zu interessieren, obwohl Tochter Jennifer eigentlich schon lange los will.

Amerikaner beweist seine Sparsamkeit

Wir rollen auch wieder los, und auf dem Rücksitz saß es sich noch nie besser, denn wir müssen nichts mehr beweisen. Das Mercedes-Planungsbüro hatte bei der Autobelegung für die kommenden Tage wieder mal ein Joint Venture zwischen auto motor und sport und zwei amerikanischen Journalisten vorgesehen. Nachdem wir in dieser Kombination schon am ersten Tag der Weltreise gestrandet waren, keine guten Vorzeichen. "Der Druck liegt ganz auf dir", hat Gary vom Mercedes-Club USA am Morgen verkündet. "Wir sind hier nur die Anfänger."
 
Aber jegliche Sorgen um heikle Verbräuche erstickte Kollege Tim im Keim. Schon am Vormittag zauberte er einen Traumverbrauch von 1,0 Kilo Wasserstoff auf 100 Kilometer aufs Display. Selbst das Auto mit B-Klasse -Projektleiter Adrian Wieser musste sich knapp geschlagen geben. Nach etwas zügigerer Reise am Nachmittag ließen wir kurz vor der Ankunft in Houston den Besuch des Schlachtschiffes Texas ins Wasser fallen. Bei nur wenigen Kilometern Restreichweite und einer Entfernung von etwa zwölf Kilometern von der Abendtankstation war uns das Risiko zu groß. Aber als Geschlagene müssen wir uns dennoch nicht fühlen. Das zweite Auto mit einer deutsch-französischen Mannschaft rollte mit weniger als 200 Gramm Restwasserstoff ins Ziel. Wir hatten noch ein knappes Pfund übrig.

Mädels vom Lande in engen Jeans

Die Pfunde an der richtigen Stelle haben angeblich die Mädchen in Texas. Nachdem uns der texanische Taxifahrer am Morgen in New Orleans gestand, wie er einst Deutsch lernte, weil die Spanischlehrerin verglichen mit der Fachkraft für Teutonisch so alt und hässlich war, gab er uns noch den Tipp mit auf den Weg, uns vom Karneval in Louisiana gleich in die Rodeowoche in Houston zu stürzen. "Da gibt es eine Menge Mädels vom Lande, und die haben ganz schön enge Jeans an."