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Mercedes F-Cell World Drive Tag 42
Geiselnahme an der großen Mauer

Am 42. Der Reise erreicht der F-Cell World Drive die chinesische Mauer. Außer Stress für die Lungen gibt es auch noch Ärger mit den Behörden.

04/11 Mercedes F-Cell World Drive, Mercedes B-Klasse,  42. Etappe
Foto: Daimler

Peking ist eine so einladende Stadt, dass die meisten sie ungern wieder verlassen, was aber auch daran liegen könnte, dass es ziemlich schwer ist, herauszukommen. Auf den ersten 35 Kilometern am Morgen stauen wir uns auf der sechsten Ringstraße Richtung Nordwesten. Das gibt Gelegenheit für die neue Besatzung, sich gegenseitig zu beschnuppern. Sally ist Australierin, lebt aber in San Francisco. Wie die meisten Aussies hat sie eine offene Art, ein fröhliches Wesen und ein loses Mundwerk. Derbe Flüche entfahren ihr regelmäßig, allerdings weniger aus Zorn, sondern mehr als Ausdruck großen Erstaunens oder Bekundung tiefsten Beeindruckseins. Sagt der Australier beispielsweise: "Wo zum Teufel, hast du gesteckt?"  meint er damit in Wahrheit: "Schön, dich zu sehen." "Immer wenn ich von Sydney zurück nach Amerika komme, muss ich den Leuten erst einmal klarmachen, dass die Flucherei nicht böse gemeint ist", sagt Sally.
 
Eigentlich hätten noch zwei weitere Australier die Tour von Peking Richtung Westen mitmachen sollen, aber die Kollegen haben abgesagt. Es gab wohl Probleme mit Visa und chinesischem Führerschein, aber Sally glaubt, den Landsmännern wäre in Wahrheit der Aufbruch in die chinesische Provinz und der hiesige Straßenverkehr nicht geheuer gewesen.

Unsere Highlights

Von der Großstadt an die große Mauer

Wir haben kurz darauf schon wieder die Provinz gewechselt und sind nun in Shanxi, was "westliche Berge" bedeutet. In eben jenen Taihang-Bergen findet sich 70 Kilometer westlich der Hauptstadt das größte Bauwerk der Welt, die chinesische Mauer. Die Einheimischen nennen sie selbst "10.000 Li", wobei die Zahl keine wirkliche Längenangabe, sondern ein Symbol für die Unendlichkeit ist.
 
Nach offizieller Vermessung der Behörden ist die Große Mauer mit 8.851 Kilometern angegeben, darin sind allerdings auch natürliche Barrieren wie Flüsse enthalten und Abschnitte unterschiedlichen Alters und verschiedener Bauweisen. Die Mauerabschnitte sind auch nicht komplett miteinander verbunden. Die stark befestigte Hauptmauer ist aber immer noch etwa 2.400 Kilometer lang. Wir sind in Badaling, so wie zigtausende andere Touristen, denn hier findet sich der am besten restaurierte Abschnitt der Mauer.

Schon der erste chinesische Kaiser Qin Shihuangdi ließ 214 vor Christus erste Schutzwälle gegen die wilden Völker aus dem Norden errichten, ähnlich wie der römische Kaiser Hadrian in Britannien gegen die Schotten. Die Mauer, wie wir sie kennen, stammt aus der Ming-Dynastie, und ist - je nach Abschnitt - sechs bis zehn Meter hoch und vier bis acht Meter breit. Der Ausbau begann 1493, ein Jahr nachdem ein gewisser Kolumbus in Spanien aufbrach, und sich kurz darauf in Indien wähnte, nicht weit von China und Japan entfernt. Die große Mauer bildete die Grenze zur Mongolei und sollte deren wilder Reitervölker fernhalten. In der Hochzeit schoben 300.000 Soldaten auf ihr Dienst.
 
Vor denen ziehen wir heute alle unseren Hut. Wer glaubt, er könne auf der Mauer einfach mal ein bisschen spazieren gehen, hat sich schwer getäuscht. Die Mauer ist auf schwer zugänglichen Bergkämmen errichtet. Die Stufen sind steil und bis zu 40 Zentimeter hoch. Tausende quälen sich bergan und müssen alle paar Meter stehen bleiben, um Luft zu holen. Die Mauer ist ein wunderbares Mittel zur Völkerverständigung. Es gibt keine Flachnasen und keine Langnasen mehr, keine Chinesen, Japaner, Amerikaner oder Deutsche. Es gibt nur noch wummernde Herzen und pumpende Lungen. Es wird geschätzt, dass etwa 25.000 Wach- und Signaltürme die Mauer säumen. Zwischen Turm sieben und acht dieses Abschnitts, verwickeln ein amerikanischer und ein chinesischer Student den schlecht trainierten Autor dieser Zeilen in eine Diskussion über Sinn und Unsinn alternativer Antriebe. Eigentlich ist mir momentan eher nach Sauerstoffzufuhr als nach Wasserstoffgesprächen. Man hätte vielleicht nicht die auffällige schwarze Jacke mit der großen "F-Cell World Drive" anziehen sollen.

Schwarzjacken unterwegs

Mindestens zwei Dutzend solcher Jacken arbeiten sich den Berg hinauf, passieren gestrandete Wanderer oder werden beschämend leicht von chinesischen Vätern überholt, die ihre Söhne auf den Schultern hinauftragen und dabei noch aufmunternde Liedchen singen. Es gibt auch abfällige Kommentare wie der eines drahtigen Engländers, der im Vorbeigehen fallen lässt: "Ich dachte, Mercedes wären schnell." Aber wir rufen auch freudige Erregung hervor. "Ich glaub, mich trifft der Schlag", sagt der Schwabe aus Sindelfingen, der mit seiner Frau hier ist. Er arbeitet bei Mercedes und schraubt im Berufsleben B-Klasse n zusammen.
 
Immer mehr Schwarzjacken bleiben zurück, einige wenige schaffen es bis zum höchsten Turm Nummer elf, um dort festzustellen, dass es dahinter noch höher geht. Leider wird die Zeit knapp, wir sind schließlich wie jeden Mittag zum Tankstopp verabredet. Wieder unten angekommen stellt sich aber heraus, dass wir noch Zeit haben. Die zuständige Behörde ist spontan zu dem Schluss gekommen, dass der große Parkplatz Teil der Mauer ist und für eben diese könnten wir keine Dreh- und Fotogenehmigung vorweisen.

Der Dreh mit der Drehgenehmigung

Damit nicht der ganze Brennstoffzellen-Tross lahmgelegt ist, stellt sich Pressedame Melanie Cecotti mit Fahrer Thomas als Geisel zur Verfügung. Damit sind wir plötzlich "Mission Control" beraubt. Der Viano wird von Absperrgittern eingekesselt und das Eintreffen der zuständigen chinesischen Agenturmitarbeiterin abgewartet, die sich um sämtliche Genehmigungen gekümmert hat, außer natürlich denen, die man eigentlich nicht braucht. Die Offiziellen sind stinkig und wundern sich, warum die schwäbischen Zechpreller alle Nase lang freudig begrüßt werden. Es wimmelt von deutschen Reisegruppen, die sich nach der World Tour erkundigen. Cecotti läuft zu Hochform auf und spult ein Dutzend Mal ihre Info-Ansprache herunter.
 
Zwei Stunden wird der Viano festgehalten, dann einigt man sich auf einen finanziellen Vergleich. Eine Summe muss hinterlegt werden, bis der Fall mit Sichtung sämtlichen E-Mail-Verkehrs geklärt ist. Cecotti ist wieder frei und meint lässig: "Wenn wir das Geld nicht zurückkriegen, war es immer noch drei Mal billiger als die Drehgenehmigung für den Pont du Gard in Frankreich."
 
Während Mission Control dem Feld hinterherhetzt, sind wir schon voraus nach Westen gefahren. Hier zeigt sich nach den dicht besiedelten Provinzen mit ihren Metropolen Shanghai, Jinan und Peking, wie chinesisches Landleben aussehen kann. Schmuddelige Dörfer, in denen zerfetzte Plastiktüten vom Wind aufgewirbelt werden und der Müll bis zu den Häusern reicht, säumen die Landstraße. Viele wohnen in engen Lehmziegelhäuschen. Ein Kindergarten besteht aus einer Veranda mit Gitterzaun neben der Hauptstraße. Die wiederum ist an diversen Stellen durch den Schwerlastverkehr komplett aufgebrochen, für unsere begrenzte Bodenfreiheit eine heikle Angelegenheit. 

Kraftwerkschlote und Hostessen

Viele Laster transportieren Kohle. Das Gebiet auf dem Weg nach Datong ist eine bekannte Minen-Gegend. Endlose Kohlenzüge rollen über die wenige Kilometer entfernte Bahnstrecke. Noch vor wenigen Jahren hatte die Provinz Shanxi die schlechteste Luft des Landes.
 
Aber es gibt nicht nur Schmutz und Elend. Am Abend wirft die Sonne tiefe Schatten in die stark gefalteten Berge am Horizont, die dort hindrapiert liegen, wie samtene Decken. Rechts und links der Straße ist der Sandboden von schweren Regenfällen in der Vergangenheit stark erodiert. So haben sich kleine, verwinkelte Schluchten gebildet, in denen Schäfer ihre Tiere weiden.
 
Die Dreimillionenstadt Datong winkt uns von weitem mit den Rauchfahnen der vier Kraftwerksschlote. Deutlich einladender ist die Begrüßung beim örtlichen Mercedes-Vertreter, der nicht nur ein Dutzend bildhübscher Hostessen zur Begrüßung engagiert hat, sondern auch ein kleines Büffet mit Törtchen und gebratenen Hühnerflügeln. Dazu spielt ein sehr ansehnliches, traditionelles Streichquartett zum Sonnenuntergang. Es gibt im Leben deutlich schlimmere Tage.

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