Mercedes F-Cell World Drive Tag 20: Die Slums von Hollywood

Mercedes F-Cell World Drive Tag 20
In den Slums von Hollywood

Zuletzt aktualisiert am 09.03.2011

Das sind wir nicht gewohnt. 208 Kilometer, da haben wir uns ja gerade mal angeschnallt und sind schon da. Die Etappe von San Diego nach Los Angeles ist ein Spaziergang, und wo geht man am liebsten spazieren? Natürlich am Meer, nur wo ist das jetzt? Wegen der Kürze der Etappe und der fehlenden Notwendigkeit, auf den Verbrauch zu achten, haben wir uns verplauscht und verfahren.

Kalifornien empfängt uns mit Stau

Dummerweise treffen wir bei der Ausfahrt aus San Diego auf ein Phänomen, das wir seit Miami nicht mehr wirklich gewöhnt sind: Verkehr. Nach den leeren Weiten von Texas oder Arizona fällt es nicht leicht, sich wieder ans Stehen im Stau zu gewöhnen. Aber in Südkalifornien wimmelt es eben von Menschen. Hier leben 40 Millionen, so viele wie in ganz Großbritannien, und diese Zahl ist nur die offizielle.

Dazu gibt es weitere Millionen, die über ihre Anwesenheit ungern Auskunft geben, weil ihnen die Anwesenheitserlaubnis fehlt. Egal, ob du dem Fahrer des Wäschereitransporters in die Augen blickst, den Fensterputzern, den Gärtnern, Straßenarbeitern, überall siehst du Menschen, die den Ausdruck Golden State allzu wörtlich genommen haben und aus Lateinamerika geflohen sind - in eine vermeintlich bessere Zukunft.

Kölner Karneval mitten in Kalifornien

Es ist schwer zu glauben, dass überhaupt jemand freiwillig in Kalifornien lebt. Tief unten schubbern sich die pazifische und die amerikanische Platte seit Mikrobengedenken. Im Schnitt messen die Seismologen 10.000 Erdbeben im Jahr, wobei kaum eines wirklich spürbar ist, nicht mal, wenn jemand im Hotelzimmer in San Diego aufspringt, weil Bayern in Hannover verloren hat. Dazu passend, und weil Rosenmontag ist, wird flugs ein passendes T-Shirt rausgekramt, und für den Rest des Tages fragen sich die Eingeborenen, was das funny word Karnevalsverein wohl bedeutet.
 
In Laguna Beach sehen wir die Wellen des unablässig anrauschenden Pazifiks gegen die Küste rauschen. Am Morgen hat es erstmals seit wir in Amerika sind geregnet. Aber der Fire Marshall hat versprochen, dass es gegen elf am Vormittag schön wird, und du glaubst es nicht, um Punkt elf zieht jemand den Vorhang weg, und die Sonne strahlt, wie es sich gehört.

Unglaublich! Die erste öffentliche Wasserstofftankstelle

Über Long Beach geht es weiter nach Norden, wobei sich hier die Schnellstraße empfiehlt, denn die zahllosen Stahltürme der Raffinerien verstellen ohnehin den Blick auf die Küste. Selbst am berühmten langen Strand blicken die Sonnenbadenden auf Ölplattformen.
 
Es ist schwer zu sagen, wann man in Los Angeles angekommen ist. Irgendwann hören die Häuserreihen am Straßenrand einfach nicht mehr auf. Unser Navi-Gerät schickt uns nach Culver City, was keine eigene Stadt ist, sondern der Stadtteil östlich von Santa Monica. Culver City hat keine Touristen-Attraktionen, ist aber für uns äußerst reizvoll, weil es hier eine öffentliche Wasserstoffstankstelle gibt.
 
Hinter schwarzen Eisenzäunen im Hinterhof einer Shell-Tankstelle steht blau und stolz die Zapfsäule. Auf einem Touch-Screen-Display muss der Fahrer sich und sein Auto zuerst identifizieren. Dann führt die Säule bei sich selbst und am Auto einige Druckchecks durch um sicherzugehen, dass es kein Leck gibt. Anschließend pumpt das Ding los und tatsächlich ist nach wenigen Minuten vollgetankt.

F-Cell Drive erklimmt die Hollywood Hills

Vollgestopft ist schon um vier die Interstate 405, die aus der Stadt nach Norden führt. Wir wollen noch was sehen, also reiten wir in Richtung Hollywood Hills und brauchen für die ersten zwei Kilometer eine halbe Stunde. Der Schleichweg am Soldatenfriedhof entlang erweist sich als Reinfall. An roten Ampeln festhängend können wir zugucken, wie der Verkehr auf der Schnellstraße wieder anrollt. Irgendwann hat das Tomtom einen Schleichweg gefunden und plötzlich geht es flüssig durch den hübschen Stadtteil Bel Air.

Oben auf den Hügeln thronen die Villen der Reichen und Schönen, hier unten in den Canyons drängen sich die Häuser dicht an dicht, das hier sind quasi die Slums von Hollywood. Für die Superstars und Chefs der Traumfabrik wahrscheinlich schon eine Gegend, wo man die Autotüren sicherheitshalber verriegelt, angesichts solchen Elends, wo die Menschen ihre S-Klassen mangels Platz sogar auf der Straße parken müssen.

Unterwegs auf dem legendären Mulholland Drive

Auch nach einer Stunde Fahrt sind wir immer noch in Los Angeles. Die Dimensionen dieser Metropole sind für Normalsterbliche nicht begreifbar. Von Norden nach Süden zieht sich die Stadt der Engel 70 Kilometer die Küste entlang. Ins Inland nach Osten ist sie bereits 40 Kilometer gewachsen. Jemand hat uns versprochen, dass es am Mulholland Drive einen tollen Ausblick auf die ganze Monstrosität L.A. gibt, und so biegen wir ein in die legendäre Straße, nach der Kultregisseur David Lynch vor einem Jahrzehnt einen Film benannte, den - wie bei ihm üblich - keiner so richtig kapiert, was man aber beim Party-Smalltalk nie zugeben darf, um sich nicht als Banause zu outen.
 
Was denn nun, nach links oder rechts? Wir entscheiden uns für die Richtung, in der die Sonne untergeht. Der Mulholland Drive zieht sich auf den Kämmen der Berge kurvig und für amerikanische Verhältnisse schmal durch die Gegend und wirkt schier endlos. Hat man in Europa je eine Straße gesehen, bei der es über 15.000 Hausnummern gibt? Guck mal, jetzt sind wir schon bei 15.400.

Wohin der Instinkt doch führt

Ein lieber Kollege vom Filmteam pfeift uns telefonisch schnurstraks zurück. "Ihr könnt da gern weiterfahren, aber da kommt ihr geradewegs in das Tal, wo sie die ganzen Pornoproduktionen drehen." Uups, besser wir sagen nicht, dass wir instinktiv in diese Richtung gefahren sind, das könnte uns in ein schlechtes Licht rücken.

Mysterium USA

Es ist eines der großen Mysterien der Vereinigten Staaten, in denen alles größer und besser ist, wo man vor dem Weg ins Bad das halbe Bett hinter sich herzieht, damit bloß kein Zuschauer etwas Spannendes zu sehen kriegt. Und dann befindet sich direkt neben Hollywood das unbestrittene Zentrum der Pornoindustrie in unserer Milchstraße. Vielleicht steht deshalb im Kleingedruckten der Einreisebestimmungen, dass es verboten ist, Obszönitäten ins Land einzuführen. Da ist der Amerikaner wieder ganz Geschäftsmann: "Was wollt ihr denn mitbringen? Wir haben doch alles da."

Los Angeles strahlt fast bis zum Pazifik

Wie auch immer, wir drehen um und fahren nach Osten in Richtung der "nur" vierstelligen Hausnummern, und siehe da, zwischen 7.400 und 7.300 findet sich ein Schild zum "Scenic Overlook", und der hält, was er verspricht. Im letzten Abendrot hat die Stadt bereits alle Lichter eingeschaltet. Bis zum Horizont ist das ganze Land beleuchtet, nur rechts wird es dunkel, da ist der Pazifik.
 
Wer das berühmte Hollywood-Schild sehen will, muss sich von hier aus nur umdrehen, aber er muss schnell machen, denn ausgerechnet das Wahrzeichen der Stadt ist nicht beleuchtet. Da flackern computergesteuert die ganze Nacht durch die bunten Lichter des Riesenrades am Santa Monica Pier, die Astronauten auf der Raumstation ISS setzen nachts die Sonnenbrillen auf , wenn sie aus dem All auf L.A. blicken, und es hat für ein paar popelige Scheinwerfer hier oben nicht gereicht?

Hat mal jemand ein Feuerzeug oder vielleicht ein Streicholz? Doch halt, auch im Dunkeln ist das Schild zu erkennen: Feuer anzünden ist verboten und wird mit 541 Dollar Strafe belegt. Das kitzelt ja schon wieder die Neugier: Nehmen sie dich mit auf die Wache und stecken dich in die Zelle, wenn du eine Weile im Portemonnaie kramst und dann sagst: "Sorry Officer, ich habe nur 540 dabei"?