Phoenix ist das heißeste Pflaster unter den amerikanischen Großstädten. Im Sommer fegt die Stadtreinigung bei knackigen 44 Grad im Schatten die Zerflossenen von den Bürgersteigen, im Winter folgt die Invasion der Golfer, die in Europa dem Frost entkommen und hier bei milden 24 Grad ihr Eisen schwingen können.
Kurz vor sechs und schon betrunken
Heute ist Samstag und unser Hotel im Osten der Stadt ist offenbar das Epizentrum der Wochenendunterhaltung. Es hätte vielleicht misstrauisch machen müssen, wenn man schon vor dem Betreten der Lobby eine dicke Kordel und zwei Türsteher überwinden muss. Drinnen buntes Treiben und fröhliches Gackern, zwei kichernde Mädchen im Aufzug. "Und, wie war dein Tag?" fragt die große Blonde den staubigen Fremden. "Ein bisschen müde, und selbst?" "Wir sind betrunken", sagt die kleinere Brünette giggelnd. Es ist kurz vor Sechs.
Da ist Leben in der Bude
Eine solche Ansammlung von kurzen Röcken und hohen Hacken haben wir seit Betreten der neuen Welt nicht gesehen. An der Poolterrasse ist Disco, oberhalb der Poolterrasse unsere Zimmer. Gegen nachts um zwei wird die Musik abgestellt, ach ist das schön ruhig. Ein kuzer Spaß, denn nun ziehen die Überlebenden der Party marodierend über die Flure, knallen die Türen und feiern auf den Zimmern weiter. Doch das ist erst der zweite Akt.
Im dritten stehen wütende Hotelgäste auf den Fluren und hämmern gegen die Türen des Feiervolkes. Die Bilanz der Nacht: drei Stunden Schlaf, aber man muss ja in Allem das Positive sehen. Verglichen mit Defuniak Springs oder Fort Stockton war hier mal richtig was los.
Mercedes F-Cell Drive auf dem Weg gen Westen
Wir schwingen uns frohgemut in die Sättel. 580 Kilometer stehen auf dem Programm, die sitzen wir doch auf einer Backe ab. Vorbei an von Eisenoxid leuchtend rot gemalten Felsen, rostenden Skulpturen eines Kunsthandwerksladens auf der Straße nach Yuma, grünen Kandelaberkakteen und noch grüneren Feldern geht die Reise weiter nach Westen. Nach fünf Tagen Steppe und Wüste wirkt der Anblick der frisch bewässerten Felder irgendwie völlig ungewohnt und fehl am Platz, denn aus der Ebene ragen auf beiden Seiten immer noch die schroffen Berge in Grau oder Beige.
Für ein gutes Foto tun wir ja praktisch alles, und so leisten wir uns den ein oder anderen Abstecher. Der Sprit wird trotzdem mühelos reichen. Wir haben das ja jetzt lange genug gemacht, wir kennen uns aus. Und so laufen wir nach der Mittagsrast mit frisch gefülltem Tank geradewegs in die Falle.
Wir laufen in die Falle oder: Wer hält unser Auto fest?
Es fängt ganz harmlos an. Obwohl wir mit dem gleichen Tempo wie am Morgen durchs flache Arizona rollen, liegt der Wasserstoffverbrauch plötzlich nicht mehr bei 0,96 Kilo pro 100 Kilometer, sondern bei 1,06. Seltsam. Vielleicht ein Knick in der Optik, möglicherweise geht es doch bergauf.
Kurze Zeit später steigt der Verbrauch auf 1,07 Kilo. Wir reduzieren das Tempo von 65 auf 60 Meilen. Zehn Minuten später zeigt das Command-System 1,08 Kilo an, und der Bordrechner reduziert die Restreichweite im Sekundentakt. Funkspruch an den Wagen des Fotografen: "Wir reduzieren noch mal." Mit 55 Meilen kriechen wir dahin, und trotzdem wird nichts besser, sondern schlimmer. Bei 1,09 Kilo der Warnruf an Mission Control. Wir haben noch 200 Kilometer zu fahren, und unser Treibstoff wird so nie reichen. Irgendwas stimmt nicht, entweder haben wir ein Leck, oder hinten hält jemand das Auto fest.
Der Wind, der Wind, das himmlische Kind
Erst dann fällt uns bei einem Seitenblick auf, dass die Büsche am Straßenrand sich erheblich nach Osten neigen. Da draußen bläst ein böiger und starker Gegenwind, der jetzt auch um die Seitenspiegel heult. Wie auf Bestellung stehen plötzlich Warnschilder an der Straße: "Achtung, starke Winde!" Na danke. So empfängt Kalifornien also seine Gäste.
Klimaanlage und Radio sind schon seit geraumer Zeit aus. Bei 30 Grad im Schatten rollen wir mit leicht geöffneten Seitenfenstern dahin. So geht es in jedem Fall nicht weiter. Ab sofort ist Windschattenfahren angesagt. Das lutschen am Hinterrad ist unter Radsportlern verpönt, und so schämen wir uns auch ein bisschen, als wir die südlichen Ausläufer der Rocky Mountains 130 Kilometer vor San Diego in Angriff nehmen.
F-Cell-Drive erklimmt die Rockys
Der Anstieg führt bis auf 982 Meter, und das ist nur der Anfang. Nach kurzer Abfahrt kommt der zweite Berg, dieses Mal mit 1.008 Metern. Der Verbrauch liegt nun bei 1,12 Kilo, selbst im Windschatten ist das Tempo noch zu hoch. Wir müssen abreißen lassen. Es sind noch knapp 80 Meilen bis ins Ziel und der Bordcomputer schlägt vor, dass wir uns nach 32 Meilen ein schattiges Plätzchen suchen, denn dann ist nur noch lauwarme Luft im Tank.
Das letzte Mittel, um nicht vorzeitig zu stranden, ist das sture Fahren nach der Kilowattanzeige, die in unserer B-Klasse den bei Elektromotoren überflüssigen Drehzahlmesser ersetzt. Im ständigen Funkkontakt zu den Technikern senken wir die Kraftanstrengung des Antriebs auf unter 20 Kilowatt. "Wir könnten euch ein bisschen schieben", sagt der Fotograf im GL hinter uns. Das wäre aber Inanspruchnahme fremder Hilfe und führt zur Disqualifikation. Und so krebsen wir mit 60 km/h in Richtung Himmel. Immerhin hat der Sturm aufgehört.
40 jahre alter Chevy holt aus zur Demütigung
Dass riesige Dutch-Star-Wohnmobile mit Lichtgeschwindigkeit ans uns vorbeirauschen, ist schon peinlich. Wie zum Hohn haben die noch ein knapp zwei Tonnen schweres SUV mit Koppelstangen hinten angehängt. Der Gipfel der Demütigung ist erreicht, als ein windschiefes, klappriges, ausgebleichtes und mindestens 40 Jahre altes Chevy-Wohnmobil den Blinker setzt und uns in Sekunden niedermacht.
Neuer Höhenrekord auf dem Mercedes F-Cell World Drive
Falls wir hier lebend rauskommen, müssen wir mal ein ernstes Wort mit dem Entwicklungsvorstand reden. Die F-Cell-B-Klasse bräuchte einen pneumatischen Enterhaken, dann könnte man sich einfach hinten dranhängen. Als wenn nicht alles schon schlimm genug wäre, ist die dritte Kletterpartie, die bis über 1.200 Meter führt, immer noch nicht die letzte.
Nach abermals kurzer Abfahrt erhebt sich eine gewaltige Himmelsleiter in Richtung Nordwest. Ein Dutzend Windräder auf dem Gipfel, lässt ahnen, dass dort jetzt wirklich der höchste Punkt erreicht ist. Der Höhenmesser zeigt 1.269 Meter. Dahinter geht es endlich zu Tal.
Mit null Verbrauch Richtung San Diego
Seit wir auf Schleichfahrt sind, hat sich die Sorge, es nicht ins Etappenziel zu schaffen verflüchtigt, der Bordrechner fühlt sich wieder im Lot, und nun beginnt der spaßige Teil. Im Leerlauf rauscht die B-Klasse mit 70 Meilen Richtung Pazifik. Verbrauch? Null. Wir müssen aufpassen, keinen Unfall zu bauen, während wir gebannt ins Mäuskino auf der Mittelkonsole starren, ob in der nächsten Minute wieder kaum ein Balken im Diagramm zu sehen ist.
Mission Control ruft an und verkündet, dass es die beiden anderen Autos knapp ins Ziel geschafft haben, und das wir mit dem Verbrauch aufpassen sollen. Wir hören nur mit einem Ohr hin. Erstens sind wir längst aus dem Gröbsten raus und zweitens ist es zu berauschend, 20 Meilen mit 100 Gramm Treibstoff zurückzulegen.
Da kann selbst Schwarzenegger nicht helfen
Enttäuschend ist allerdings die Ankunft in San Diego. Eigentlich hatten wir die Sonnenuntergangstour gebucht, stattdessen tief hängende Wolken und mickrige 15 Grad. Aufforderung an den österreichischen Kollegen Christian auf dem Beifahrersitz: "Ruf doch mal bitte den Arnie an. Es kann ja wohl nicht sein, dass der Governator für unsere Ankunft nichts vorbereitet hat." Aber Austrias steilster Karrierepolitiker würde unter der Nummer gar nicht mehr abnehmen. Er ist seit Dezember nicht mehr im Amt.
Die Gerüchte wollen nicht verstummen, dass er - um im Kabinett von Barack Obama Energieminister oder Ähnliches zu werden - im Eilmarsch Richtung Osten stürmt. Das würde wenigstens den strammen Westwind von vorhin erklären.