Mercedes F-Cell World Drive Tag 17: Weltreisender trifft Weltreisende

Mercedes F-Cell World Drive Tag 17
Weltreisender trifft Weltreisende

Zuletzt aktualisiert am 05.03.2011

Es hört einfach nicht auf. Seit drei Tagen rollen wir durch Texas, und sind immer noch nicht durch. Anderthalbtausend Kilometer haben wir hinter uns gebracht, und immer noch warnen am Straßenrand Schilder "Leg dich nicht mit Texas an". Nicht, dass der zweitgrößte Staat der USA nicht seine Reize hätte. Nach dem Durchqueren der Wüste Sonora ragen auf der Fahrt Richtung El Paso rustikale Bergketten aus der Landschaft. Leuchtend gelbes Steppengras sorgt für Farbe, sogar die ein oder andere Palme ragt aus der Gegend. Der weite Himmel und die unendlich weite Landschaft könnten enorme Freiheitsgefühle wecken, wenn da nicht der Zaun wäre.

Egal ob Draht, Holz oder was auch immer, verlässt du die Straße nach rechts oder links, rennst du nach spätestens zehn Metern gegen einen Zaun. Wir haben auf der kompletten Fahrt durch Texas kein einziges Stück offenen Geländes gefunden, das nicht irgendwem gehört.

Bloß nicht über den Zaun klettern

Der Drang, etwas Verbotenes zu tun und einfach mal über den Zaun zu steigen und ein bisschen Richtung Horizont zu wandern, hält sich sehr in Grenzen. Du weißt nie, ob sie nicht Grandpa zum Geburtstag dieses tolle Scharfschützen-Präzisionsgewehr geschenkt haben, durch dessen Zielfernrohr er plötzlich alles wieder scharf sehen kann. Durch das Flimmern der Luft kannst du sehen, wie sie dem Alten auf die Schulter hauen "Toller Schuss, Pa!" während du im Staub verblutest. Kurz gesagt: Wir bleiben im Auto.
 
Heute haben wir Zeit, am Morgen sind nur knapp 200 Kilometer zu bewältigen. Kurz vor dem Tankstopp in Van Horn stoppen wir an einer gottverlassenen Tankstelle, die weder Tee, noch Kaffee noch Trockenfleisch mit Barbecue-Geschmack zu bieten hat. Dafür steht hinten auf dem Hof ein spannender Truck. Irgendwie hat sich ein zweiachsiges MAN-Ungetüm der grobstolligsten Sorte von der Rallye Dakar hierher verirrt.

Drei Jahre lang quer durch Afrika

"Bonjour", sagt André fröhlich, ihm gehört der schicke Laster. Vor sechs Jahren ist er mit seiner gesamten Familie ebenfalls zu einer Weltreise aufgebrochen. Er hat eine Internetseite (www.anautica.com), auf der zu sehen ist, wie Töchterchen Audrey und Söhnchen Titouan in Afrika Weihnachtsgeschenke auspacken. Allein bei der Durchquerung Afrikas hat die Familie sich drei Jahre Zeit gelassen, um dann Indonesien, Malaysia und weiter Teile Asiens zu erkunden, bis es weiter über Süd- nach Nordamerika ging. Titouan überragt mittlerweile seinen Vater, Audrey muss demnächst zurück nach Frankreich, um zu studieren.

André und die Seinen haben den gleichen Weg wie wir. Sie wollen zur Pazifik-Küste durchstoßen und dann nach Norden bis Kanada. Sie kommen nur langsam voran. Der MAN schafft nur Tempo 80, außerdem wird morgens nicht gefahren, denn da haben die Kinder bei den Eltern Schule. Will man nach so langer Zeit nicht irgendwann wieder nach Hause? Andrés Frau Catherine schüttelt heftig den Kopf. Am liebsten würde sie noch mal ganz rumfahren.

Mercedes B-Klasse F-Cell sorgt für Begeisterung

Unser italienischer Kollege Stefano ist als passionierter Querfeldeinfahrer hingerissen und verkündet spontan: "Ich glaube, ich lasse mich adoptieren." André dagegen ist fasziniert von unserem Brennstoffzellem-Mercedes, fotografiert alles rundum. Kein Wunder, sein Truck trinkt 28 Liter Diesel auf 100 Kilometern, wenn er es mal eilig hat, können es auch 40 werden. Uns dagegen läuft das Wasser im Mund zusammen, als er die Reichweite verkündet.

Mit drei Riesentanks schafft der MAN 3.000 Kilometer. Apropos Tanken, wir müssen leider weiter und versprechen André, dass er nach dem Ende der Reise unsere B-Klasse als Beiboot haben kann.

Unangenehmes Gefühl beim Blick auf die Mauer

Die Nachmittagsetappe ist mit 280 Kilometern auch nicht allzu heftig, aber es zieht sich. Wir sind von der Interstate 10 runtergefahren, um die mexikanische Grenze zu sehen. Weil seit Jahrzehnten ständig Flüchtlinge aus dem Nachbarstaat illegal in die USA einwandern, hat die Bush-Regierung eine Mauer bauen lassen. Bei den endlosen Ampelstafetten der Außenbezirke von El Paso ist noch nichts zu sehen, aber mitten im Zentrum sind die zwei Brücken rüber nach Mexiko und das Bollwerk jenseits davon gut zu erkennen. Auch wenn die Flüchtlingsproblematik nicht zu leugnen ist, als Deutscher bekommt man immer ein ganz unangenehmes Gefühl im Magen, wenn man auf eine Mauer blickt.
 
Das Bollwerk erfüllt nur bedingt seinen Zweck. Jenseits davon sickern nach wie vor ständig Menschen aus Lateinamerika in die USA. Auch André ist von der Polizei schon zwei Mal gestoppt worden. In seinem geländegängigen Wohnmobil hätte er ja mühelos zwei Dutzend Mexikaner über de Grenze schmuggeln können.

Tacos am Rio Grande

Wir überqueren die Grenze nach New Mexico, was seinem Namen unfreiwillig alle Ehre macht, denn mittlerweile ist im fünftgrößten Bundesstaat der USA fast jeder Zweite Mexikaner. Dementsprechend wimmelt es plötzlich von Burrito- und Taco-Läden. Die Reklame ist an vielen Geschäften zweisprachig angebracht.
 
Die Grenze von Texas nach New Mexico bildet der berühmte Rio Grande, dem sein Ruhm offensichtlich so zu Kopf gestiegen ist, dass er sich hergelaufenen Fremden ohne Termin gar nicht erst zeigt. Unter der Brücke fließt träge ein Fluss von Sand, und das auch nur, wenn der Wind ihn weiterträgt. Wir durchqueren den Rio Grande spaßeshalber und können mit Fug und Recht sagen, dass wir es trockenen Fußes taten. Halt! Da, am westlichen Ufer glitzert es verdächtig. Tatsächlich: Ein dünnes Rinnsal, kaum einen Meter breit, duckt sich unter den Uferbüschen.
 
Das Verhältnis zwischen den Amerikanern und Mexikanern ist wegen des Flusses etwas angespannt. Die Amerikaner bewässern im Norden mit dem Rio Grande großzügig ihre gewaltigen Pecannuss-Plantagen. Hier stehen tausende von Bäumen wie im Sumpf, im Süden bleibt den Menschen nur noch Staub.

Auf den Spuren von Billy the Kid

Ebenfalls ein angespanntes Verhältnis hatten Billy the Kid und Pat Garrett, was in der Natur der Sache liegt, wenn der eine ein gesuchter Bandit und der andere der Sheriff von Lincoln County ist. Der mit bürgerlichem Namen Henry McCarty getaufte Räuber und Mörder nutzte im späten 19. Jahrhundert gern den gänzlich unkontrollierten Grenzverkehr nach Mexiko, um nach Raubzügen und Schießereien ein wenig zu entspannen.
 
Garrett und Billy kannten sich aus der Jugend. Der Gesetzeshüter spürte ihn zwei Mal auf und forderte ihn auf, nach Mexiko zu fliehen. Aber wie Kinder so sind, sie gehorchen selten, wenn man ihnen autoritär kommt. Beim dritten Mal gab es keine Warnung. Garrett erschoss Billy, das Kind am 14. Juli 1881 im Schlafzimmer von Pete Maxwell. Billy trug keine Waffe.
 
Notorischer Verbrecher hin oder her, einen Unbewaffneten zu erschießen, findet der Amerikaner unsportlich, und so musste Garrett vor Gericht ziehen, um die ausgesetzten 500 Dollar Kopfgeld zu bekommen. Er kaufte sich ein Stück Land in den Organ Mountains und verpachtete die Ranch an einen Typ namens Jesse Wayne Brazel. Mit der Zeit verkrachte man sich. Brazel löste das Problem wie es bei Nachbarschaftsstreitigkeiten im Südwesten üblich war. Er schoss Garrett in den Kopf.

Stadtgründung inmitten feindlicher Indianer

Was das alles mit unserer Weltreise zu tun hat? Nun, wir haben unser Nachtlager in Las Cruces aufgeschlagen, und Pat Garrett liegt nur ein paar Steinwürfe entfernt auf dem Friedhof begraben. Der Name der Stadt ist eben Programm. Schon die Spanier hatten eine Ader für morbiden Charme. Mit bis heute ungeklärter Präzision gründeten sie ihre Niederlassungen vorzugsweise in Sumpfgebieten, in denen bis dahin unbekannte Erreger tödliches Fieber verursachten. Beliebt waren auch Gegenden mit verseuchtem Wasser, was zu Epidemien führte, die Krönung war die Gründung der Stadt Antigua im heutigen Guatemala, die einmal als Hauptstadt des gesamten Vizekönigreichs Neuspanien diente, bis sie von zwei Erdbeben halb zerrissen wurde, was nicht ganz so verwunderlich ist, wenn man in der unmittelbaren Umgebung auf drei Vulkane blickt.
 
Und so ließ man sich eben in New Mexico einst inmitten feindlicher Indianer nieder, die (wieder völlig überraschend) den Dauerbesuch nicht schätzten und eines Tages ein Massaker anrichteten. Zur Erinerrung an die feierliche Beerdigung wurde der Platz nach der Vielzahl der Kreuze Las Cruces genannt, was wiederum amerikanische Siedler hinreichend attraktiv fanden, um hier eine blühende Stadt mit fast 90.000 Einwohnern zu errichten.  Es geht doch nichts über ein schönes Happy End.