Mercedes F-Cell World Drive: Rekordfahrt nach Süden

Mercedes F-Cell World Drive
Rekordfahrt nach Süden

Veröffentlicht am 05.02.2011

Die Saorne liegt noch mit einem Dunstschleier zugedeckt, als der Konvoi Lyon verlässt. Die Hausboote an der Rhone liegen schlafend am Ufer. Es wird wieder nicht richtig hell. Der Hochnebel verwandelt Zentralfrankreich immer noch in eine düstere Waschküche.

Selbst vor gebratener Taube schrecken wir nicht zurück

Eine Rotte Wildgänse fliegt über der Rhone. Wer segelt denn jetzt erst nach Süden? Vermutlich sind die Vögel auf der Flucht, seit sich in Lyon herumgesprochen hat, dass wir beim Abendmahl selbst vor gebratener Taube nicht zurückschrecken. Immerhin haben wir am Vorabend brav die Teller aufgegessen. Nach einer Stunde Fahrt ist zum ersten Mal seit drei Tagen wieder so etwas wie Himmel zu sehen. Kurz danach kommt sogar die Sonne durch.

Tagelang durch zähes Gel

Die scheint uns auch aus dem Tank. Kollege Bethscheider-Kieser von den Stuttgarter Nachrichten erweist sich als überragendes Spartalent. Der Durchschnittsverbrauch liegt bei 1,01 Kilogramm Wasserstoff pro 100 Kilometer. Abgesehen von seinem sensiblen Gasfuß hilft auch das wärmere Wetter. Kurz vor Nimes klettert das Thermometer auf lange nicht gekannte 17 Grad. Ingenieur Massimo Venturi hat ausgerechnet, dass die Luft beim Anstieg von 20 Grad im Vergleich zum Vortag acht Prozent weniger Dichte hat. So haben wir uns also quasi all die Tage durch zähes Gel gequält.

Heute dagegen streicht nur ein leichtes Lüftchen um den Pont du Gard. Die 275 Meter lange und 50 Meter hohe Steinbrücke mit ihrer Wasserleitung auf der Spitze ist der Weltstar unter den Aquädukten. Im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zogen die Römer die drei übereinander geschichteten Bogenreihen zwischen Uzès und Nimes hoch. 1.000 Arbeiter schufteten drei Jahre an der Brücke über den Gardon, damit die Bürger von Nimes noch mehr Wasser verschwenden konnten. Deren Verbrauch lag zu der Zeit drei Mal so hoch wie heute.

Castingshow für ein halbes Dutzend Zahnspangenschönheiten

Kichernd hockt eine pubertierende Schulklasse auf der Mauer vor dem Aquädukt. Ein halbes Dutzend Zahnspangenschönheiten wird kurzerhand für das Foto requiriert, die Zahl der Freiwilligen ist so groß, dass wir mit dem Klassenlehrer übereinkommen, vielleicht erst eine Castingshow zu veranstalten.
 
Die Teenies kommen aus Spanien, das im Mittelalter nicht weit lag. Die heutige Provinz Roussillon, die sich im Süden an das Languedoc anschließt, gehörte vor dreieinhalb Jahrhunderten noch zur Krone von Aragon. Das Wappen unseres Etappenziels Perpignan zieren rotgelbe Streifen wie die Flagge des heute im Süden angrenzenden Kataloniens. In der Umgebung sprechen auch wieder mehr als 100.000 Menschen katalanisch. Streng genommen ist die Provinzhauptstadt Perpignan aber quasi deutsch, sie war im Mittelalter mal die Hauptstadt des Königreichs Mallorca.

Wir kommen nicht zum Plündern

Das Fort von Salses, das mit bedrohlich rotem Schein rechts der Autobahn in der Abendsonne leuchtet, bewachte im späten 15. Jahrhundert den Weg nach Katalonien. Wir kommen nicht zum Plündern, wir bringen schließlich sogar unseren Wasserstoff selbst mit, aber bitte, wenn es die Tradition verlangt, erst das Einfallstor nach Katalonien niederzurennen, passen wir uns selbstverständlich den hiesigen Bräuchen an.
 
Die katalanischen Festungsbaumeister haben das Fort mit zehn Meter dicken Mauern gegen Artillerieangriffe gewappnet, mit einem Brennstoffzellenanschlag konnten sie nicht rechnen. Zudem lauert auf der Mauer vor dem Tore der Fotograf mit einem großkalibrigen Weitwinkel im Anschlag. Doch da - die Garnison wagt einen Ausfall. Die resolute Dame von der Burgenverwaltung hat gerade abgeschlossen und tritt uns furchtlos entgegen. Wir, in voller Rüstung mit unseren Mercedes-Jacken, stellen uns in den Weg, ein fröhliches: "Geben Sie auf, alles ist verloren", auf den Lippen.  Sie ist wenig beeindruckt und überbringt die Botschaft des Festungskommandanten: "Sie können hier nicht parken."


Bevor sie auf die Idee kommen, das Fort wie einst wieder zum Staatsgefängnis zu machen, trollen wir uns und reiten im Triumphzug Perpignan ein. An der Mercedes-Vertretung herrscht großer Bahnhof. Dutzende Mitarbeiter umringen die Autos, einige kriechen sogar darunter, um den Kohlefasertank und die Lithium-Ionen-Batterie zu erforschen.

Wir hätten die Grenze durchstoßen können

Fälschlicherweise machen sie das ganze Brimborium um das Auto mit der Startnummer eins. Dabei war es unsere Nummer zwei, die seit Tourbeginn den Vogel abgeschossen hat. 1,05 Kilo durchschnittlicher Tagesverbrauch, das ist bisher absoluter Rekord. Mit der Restreichweite von 120 Kilometern, hätten wir sogar noch bis zur spanischen Grenze durchstoßen können. Aber was soll’s? Morgen ist auch noch ein Tag. Schauen wir erst mal, was sie hier so auf der Speisekarte haben. Vielleicht gibt’s ja Gänsebraten.