Der 16. Tag des F-Cell-World Drives ist gleichzeitig ein Feiertag. Texas begeht seine Unabhängigkeit von Mexiko zum 175. Mal. Aber weiter westlich ist längst eine neue Schlacht um Texas entbrannt.
Amerika liebt Sieger
Hector lächelt etwas gequält. Die Uniform ist nicht gerade bequem, und sie ist zu warm für den texanischen Mittag. Noch dazu ist die bunte Kluft die falsche. Mit ihr gehört Hector zu den Siegern, und Amerika liebt Sieger, aber seine Uniform ist eine mexikanische. Hector steht heute auf der falschen Seite.
Am 6. März 1836 stürmte die mexikanische Armee um vier Uhr morgens die Wälle der ehemaligen Missionsstation Alamo, die rund 250 freiwillige Unabhängigkeitskämpfer provisorisch zu einer Festung ausgebaut hatten. Am Mittag war alles vorbei. Nur eine Handvoll Frauen und Kinder überlebten. Unter den Gefallenen waren auch die legendären Trapper Jim Bowie und Davy Crockett.
Bereits vier Tage vorher, am 2. März, hatte General Sam Houston mit einigen Getreuen eine Unabhängigkeitserklärung für den Staat verfassen lassen, wovon die meisten Eingeschlossenen in Alamo noch gar nichts wussten. Der siegreiche General Santa Anna glaubte den Aufstand der Texaner erstickt, doch kurze Zeit später musste er nach der Niederlage von San Jacinto kapitulieren. Texas war frei, die Männer von Alamo gelten seither als Märtyrer.
Zünftige Feier in Alamo
Der Texaner nimmt seinen Stetson eigentlich nur in der Kirche und vor Gericht ab. Die Kapelle von Alamo war schon im frühen 18. Jahrhundert längst keine Kirche mehr, sondern ein Armeedepot. "Würden Sie bitte den Hut abnehmen", sagt der Museumswächter höflich, aber bestimmt. Außerdem weist er darauf hin, dass auch das Fotografieren der bestickten Weste und des Gewehrs von Davy Crockett nicht erlaubt sei.
Den legendären Jäger und Kämpfer kennen wir in Deutschland als den Mann mit der Biberfellmütze. "Es gibt sehr viele Deutschstämmige in dieser Gegend", weiß Hector. Namen wie New Braunfels und Wurzbach künden davon. Die deutschen Siedler haben sich vor 150 Jahren mit den Comanchen besser vertragen als die amerikanischen. So konnte die deutsche Gemeinde schnell und relativ ungestört wachsen.
Hector muss den Vortrag beenden. Vor der Kapelle singt schon der Chor und die Armeeangehörigen nehmen ihre Ehrenplätze ein. Gleich ist zur Feier des Tages auf der Alamo Plaza eine zünftige Schießerei vorgesehen. Längst ist die Mission von der Stadt San Antonio eingekesselt. "Wir haben eigentlich nicht genug Platz. Wir lassen es eben ein bisschen knallen", sagt Hector, der für die komplette Koordination verantwortlich ist, wann immer historische Spektakel auf dem ehrwürdigen Grund stattfinden. Wenn er dann verschwitzt, abgekämpft und mit fusselig geredetem Mund nach Hause kommt, wird seine Frau abfällig sagen: "Na, hast du wieder Cowboy und Indianer gespielt? Hier, nimm du mal den Kleinen."
Die Amerikaner sind längst im Iraan
Wir verlassen San Antonio und reiten Richtung Westen. Heute stehen etwa 540 Kilometer auf dem Programm. Der F-Cell-Treck erreicht die Wüste Sonora. Die Sonne knallt mit 32 Grad vom Himmel. Alle sind zu müde für eine Verbrauchsrekordfahrt. Wir rollen dahin, der Sprit wird schon reichen und das tut er auch. Beim Tankstopp parken wir unter dem einzigen Baum der näheren Umgebung. Schatten ist heute mindestens so kostbar wie Sprit.
Die Nachmittagsetappe nach Fort Stockton ist nur knapp 250 Kilometer lang und führt durch das Gebiet, in das sich Davy Crockett einst verliebte, und für das er sein Leben gab. Schwer zu verstehen, vor der Windschutzscheibe erstreckt sich eine Wüste mit knorrigen Bäumen, trockenen Büschen und Kakteen. Der einzige Wasserlauf, den wir überqueren, ist der Rio Pecos.
Wir kommen nach Iraan und müssen feststellen, die Amerikaner sind dort schon einmarschiert. Das tun sie aber eigentlich andauernd. Iraan ist stolz auf seine Bigband, die alle Nase lang durch die Straßen zieht. Aber heute ist alles ruhig, die meisten Läden geschlossen, niemand auf der Straße. In Iraan willst du nicht mal tot überm Zaun hängen.
Windräder statt Ölpumpen
Auf den letzten 100 Kilometern Fahrt öffnet sich die Landschaft zu einer weiten Ebene, durchzogen von fotogenen Tafelbergen. Und hier wird Amerikas nächste Schlacht geschlagen. In den Senken stehen die Monumente der Gegenwart. Ölförderpumpen, die wie eiserne Hühner unablässig das Haupt zu Boden senken, um das schwarze Gold aus der Tiefe zu picken. Kommt es einem nur so vor, oder wirken sie ein bisschen langsam und müde? Einige Pumpen stehen still. Die restlichen sind schon fast umzingelt. Wie einst die Comanchen auf ihren Pferden, stehen auf den Anhöhen majestätisch aufgereiht Hunderte von Windrädern. Vielleicht sind es auch Tausende, aber so weit kann in der flimmernden Hitze niemand blicken. Die Schlacht ist noch nicht geschlagen, heute weht kaum Wind. Aber im tiefsten West-Texas hat eine neue Unabhängigkeitsbewegung Fuß gefasst – die vom Öl.