Hungaroring, gut eine halbe Autostunde nordöstlich von Budapest gelegen: Mercedes feiert ein bisschen sich selbst, aber vor allem die erfolgreiche Kompaktfamilie mit ihren fünf Derivaten, die zum Teil auch in Ungarn gebaut werden, im eigens dafür errichteten Werk Kecskemét. Ein Termin, der Ola Källenius leichtfällt, natürlich. Andererseits wirkt er eigentlich immer so souverän und charmant, als falle ihm überhaupt nichts schwer – vor allem nicht das Reden. Auch jetzt, als er einen GLA in Richtung der Offroad- Teststrecke lenkt, plaudert der groß gewachsene Schwede los. Er erzählt, dass ja auch im Kompakt-SUV die Gene des Gelände-Haudegens G stecken würden, wie in jedem Mercedes, der das G in der Modellbezeichnung trägt, referiert über die große Popularität von Fahrzeugen mit Allradantrieb. Es scheint, als spräche er hier noch in der Rolle des Vertriebsvorstands. Wie bekommen wir den Bogen zur Technik? Bleiben wir zuerst mal beim Allradantrieb.
Källenius: „Natürlich gibt es einen Mehrverbrauch, doch der wird immer kleiner und die Leistungsfähigkeit immer besser.“
Källenius: „Ich denke, da bewegen wir uns im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich, was den Effizienzsprung der Allradtechnologie von einer zur nächsten Generation angeht.“
Källenius: „Die Technik möchte ich jetzt noch nicht kommentieren. Aber die G-Fans sind die loyalsten, die wir haben. Seit fast 40 Jahren gibt es das G-Modell nun, und wir werden dieses Kultfahrzeug natürlich viele weitere Jahre und Jahrzehnte pflegen.“
Ja, da kommt er wieder durch, der Medienprofi im Manager. Aber auch ein wenig das Kind im Manager, denn Källenius lässt den GLA konzentriert die Gefällstrecke herunterkriechen, zirkelt den SUV geschickt durch den teils engen Parcours. Dabei ein Interview zu führen, sei durchaus eine Herausforderung, findet er. Merkt man ihm jedoch nicht an, sondern vor allem die Freude am Autofahren, denn er lächelt, wie meistens. Der Familienvater diskutiert gerne mit Gorden Wagener, dem Konzernverantwortlichen für Design, über die Gestaltung neuer Modelle und freut sich besonders, wenn er an einer „Abnahmefahrt auf der Schwarzwald-Runde“ teilnimmt. „Aber auch die Diskussionen, in denen wir etwas weiter in die Zukunft blicken als nur fünf Jahre, faszinieren mich.“
Källenius: „Das stimmt. Selbst in unserer optimistischen Annahme, dass im Kalenderjahr 2025 bis zu 25 Prozent unseres Gesamtabsatzes auf batterieelektrische Modelle entfallen, bedeutet das ja, dass wenigstens 75 Prozent der Fahrzeuge über einen Verbrennungsmotor verfügen, ganz gleich, ob da nun noch ein integrierter Startergenerator mit 48 V drin ist oder es sich um einen Plug-in-Hybrid handelt.
In der Welt des Verbrennungsmotors geht es also mit unvermindertem Tempo weiter darum, die Effizienz zu verbessern. Die Entwicklungen bei den batterieelektrischen Fahrzeugen laufen Hand in Hand. Das ist teilweise ein neues Feld, teilweise nicht, schließlich hatten wir bereits 2007 mit dem Elektro-Smart ein solches BEV-Modell im Markt. Jetzt geht es in die Breite, schließlich reden wir bei unserem 2025-Szenario ja nicht von Zehntausenden Fahrzeugen, sondern von Hunderttausenden. Dafür die Komponenten bereitzustellen und vernünftige Deckungsbeiträge zu erwirtschaften, das ist die große Herausforderung. Wie schnell also bekommen wir in den Batterien die Energiedichte hoch? Wie schnell bekommen wir die Kosten pro Kilowattstunde herunter? Das ist die große Herausforderung.“
Källenius: „Zunächst einmal werden wir bei der Lithium-Ionen-Technologie bleiben. Da gibt es natürlich verschiedene Varianten, die man nehmen kann. Das wird eine evolutionäre Performance-Steigerung bringen, aber keine Revolution. Wenn man aber 10, 20 oder gar 30 Prozent Steigerung der Leistungsfähigkeit schaffen könnte, wäre das schon erheblich. Später könnte die Lithium-Schwefel- oder Festkörper-Technologie kommen und größere Sprünge erlauben, aber nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre. Wir forschen selbst auf diesem Gebiet, da gibt es vielversprechende Entwicklungen. Aber der Weg ist noch weit, bis das den Ansprüchen gerecht wird, die eine Batterie im Auto erfüllen muss.“
Källenius: „Das wird mit der nächsten Generation unserer Frontantriebsarchitektur so weit sein. Wir haben ja gesagt, dass Mercedes-Benz Cars in Summe zehn Elektromodelle bis 2022 bringen wird. Dabei werden wir uns möglichst breit aufstellen. Anfang 2019 kommt zunächst der EQ-SUV, den wir EQC nennen werden.“
Lässt der Entwicklungsvorstand nun doch etwas Anspannung erkennen? Kein Wunder, der Kurs wird herausfordernder, diverse Hügel stellen die Verschränkung des GLA auf die Probe, fordern einen sehr sensiblen Gasfuß. Kurze Fragepause. Ola Källenius fährt behutsam, nicht betulich, eben so, wie es das Gelände erfordert. Später stülpt er sich einen Helm über und schießt mit einem GLA 45 AMG über die Rennstrecke. Weder übermütig noch übervorsichtig. Ob Källenius die Kompaktfamilie besonders schätzt? Oder bevorzugt er ein anderes Modell? „Ach, welches Ihrer Kinder mögen Sie am liebsten?“, kontert der Manager.
Källenius: „Ach, wir könnten uns hier sicher noch viel mehr vorstellen. Nach unseren Analysen gibt es momentan noch drei Kompaktsegmente, die wir besetzen können, in denen noch ein erhebliches Volumenpotenzial liegt. Aufgrund der nochmals verbesserten Plattform- und Modulstrategie können wir heute mit dem gleichen Ressourceneinsatz mehr realisieren als bei der aktuellen Modellgeneration.
So können wir auf den immer größeren Drang nach Individualisierung unserer Kunden reagieren. Wissen Sie, heute kauft man ja nicht eine Limousine und dann immer wieder eine. Oder einen SUV oder einen Kombi. Da gibt es viel mehr Bewegung. Dem können wir künftig begegnen. Das macht die Kunden glücklich und ist auch für uns wirtschaftlich vielversprechend. Der Erfolg der aktuellen Generation hat uns ermutigt, noch mehr zu machen.“
Källenius: „Wir sind schon sehr weit gekommen. Der Verblockungsgrad liegt schon heute zwischen 70 und 80 Prozent auf Sachnummernebene. Damit stimmt die Basis. Aber es geht noch mehr.“
Källenius: „Wir brauchen den Diesel weiterhin. Und mit unserem neuen Vierzylinder-Dieselmotor, dem OM 654, haben wir den Grundstein für Technologien gelegt, die den Diesel zukunftsfähig machen. Im B-Segment sind die Kosten sicher ein Thema. Im C-Segment ist diese Antriebsquelle weiterhin relevant. Um die Normen RDE1 und RDE2 zu erfüllen, haben wir einen Plan, den wir realisieren können, wenngleich das sehr anspruchsvoll ist. Für die nächsten Jahre sind wir also sicher. Geht darüber hinaus noch mehr? So, wie es derzeit aussieht, ja. In der Vorentwicklung arbeiten wir jedenfalls schon daran.“
Källenius: „Das glaube ich nicht. Das liegt an der Heterogenität der Märkte in Europa. Wir werden also alle Antriebsarten anbieten müssen.“
Ola Källenius wird also in den nächsten Jahren viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen müssen. Bei einer Offroad-Runde Fragen zu beantworten, zählt da sicher zu den leichteren Übungen. Vor allem die künftigen Emissionsvorgaben könnten die Souveränität des Managers torpedieren. Der Konzern jedenfalls vertraut ihm. Der Vertrag des Entwicklungsvorstands läuft bis zum 31.12.2022.