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Luca de Meo im Interview
Wo steht Seat?

Interview

Der Seat-Vorstandschef über die künftige Rolle der Marke innerhalb des Volkswagen-Konzerns, die Auslastung des Stammwerks Martorell und die Relevanz des Motorsports.

Luca de Meo
Foto: Getty Images
Sie sind seit November Vorstandschef von Seat. Wie ist denn die aktuelle Rolle der Marke innerhalb des Konzerns, und wie möchten Sie sie eventuell verändern?

Zunächst möchte ich meinen großen Respekt gegenüber der Arbeit meiner Vorgänger James Muir und Jürgen Stackmann zum Ausdruck bringen. Sie haben die Marke zum aktuellen Erfolg geführt und ein solides Fundament für die Zukunft von Seat geschaffen. Das hat natürlich zu einer starken Position innerhalb des Konzerns geführt, zumal die Marke immer das gehalten hat, was versprochen wurde. Ich muss nun diese Entwicklung fortführen und das Vertrauen erhalten, zumal ich hier auch gerne längerfristig arbeiten und mit meinem Team Seat auf das nächsthöhere Level führen möchte. Da reden wir von der Zeit nach 2020. Aber vielleicht haben wir ja schon früher die Möglichkeit, eigenständigere Produkte zu entwickeln. Zumal sich der Markt verändert und neue Fähigkeiten gefragt sind.

Zählt der Ateca zu den Modellen, die das Fundament noch stärken, oder zählt er schon zur neuen Generation?

Die Entscheidung für dieses Modell fiel ja bereits vor einigen Jahren, und es war genau die richtige. Er wird auf jeden Fall das Fundament weiter stärken. Eine entscheidende Rolle des Ateca wird aber sein, der Marke zu helfen, einen Sprung nach vorne zu machen und sich mit Blick auf das Marken-Image weiterzuentwickeln.

Aber es war ja damals schon absehbar, dass ein SUV erfolgversprechender ist, oder?

Ja, natürlich. Manchmal muss man kein Revolutionär sein. Aber für uns, aufgrund unserer Vergangenheit, ist so eine Entscheidung eine große Sache. Da macht man nicht einfach per Fingerschnipp ein neues Modell. Ich sage gerne, dass es durchaus ein Privileg sein kann, wenn man sehr fokussiert arbeiten muss. Wir konnten uns keinen Fehltritt erlauben.

Jetzt ist der erste SUV da, ein bisschen spät vielleicht. Heißt das, dass Sie nun schnell weitere SUV-Modelle bringen müssen?

Natürlich ist da noch Potenzial, und wir haben natürlich auch entsprechende Ideen. Es ist noch ein bisschen früh, über Details zu sprechen. Zumindest kann ich verraten, dass wir konkrete Pläne für einen kleinen Bruder des Ateca haben. Künftig sollen die SUV-Modelle sozusagen das dritte Tischbein für Seat sein. Die anderen beiden sind klar der Ibiza und der Leon. Mit SUV können wir den Tisch nun stabilisieren.

Wäre die Marke Seat schon bereit für ein SUV-Coupé?

Dazu kann ich nichts Konkretes sagen. Mit dem Ateca können wir zunächst die Basis schaffen, um SUV-Kunden zu gewinnen. Darüber hinaus haben wir natürlich Ideen. Aber eins nach dem anderen.

Dann skizzieren Sie doch bitte mal das nächste Level für Seat, von dem Sie eingangs sprachen.

Es wäre vermessen, wenn ich jetzt – nach gerade einmal drei Monaten im Amt – schon große Visionen präsentieren würde. Dazu muss ich noch mehr über die Organisation lernen. Es geht also zunächst einmal darum, den eingeschlagenen Kurs zu halten und parallel dazu neue Möglichkeiten für Seat zu evaluieren. Dabei genießen wir ohnehin schon einen hohen Freiheitsgrad, der natürlich von unseren Ergebnissen abhängt. Und der Konzern erwartet ein Stück weit auch von uns, dass wir in unseren Entscheidungen unabhängiger werden. Unsere Positionierung als erreichbare Marke gibt uns auch künftig Chancen, neue Geschäftsfelder abzudecken. Das könnten Mobilitätskonzepte ebenso sein wie das voll vernetzte Auto. Immerhin hat Seat das niedrigste Durchschnittsalter der Kunden im Konzern.

Aktuell wirkt es allerdings etwas verwirrend, wo Seat seine Autos baut. Der Ateca ist nun schon das dritte Modell, das nicht in Spanien vom Band läuft. Stattdessen werden in der Heimat Audi-Fahrzeuge gebaut. Wie funktioniert das?

Zugegeben, das ist ziemlich kompliziert. In erster Linie achten die Produktionsexperten im Volkswagen-Konzern darauf, wo zu welcher Zeit in welchem Werk die Kapazitäten am effizientesten genutzt werden können. Dabei gelten natürlich die gleichen Qualitätsvorgaben für alle. Generell hilft es allen Beteiligten innerhalb des Konzerns, die anderen Marken besser zu verstehen und das Netzwerk zu stärken – so wie jetzt in der Zusammenarbeit mit Skoda bei der Produktion des Ateca. Bezüglich Martorell sind wir mit der aktuellen Auslastung sehr zufrieden. Immerhin haben wir im vergangenen Jahr 477.000 Autos gebaut. Vor einiger Zeit waren es gerade einmal rund 300.000.

Ungeachtet aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten hat Seat immer am Motorsport festgehalten. Wie sieht die Zukunft diesbezüglich aus?

Bereits in meiner Zeit bei Audi war mir sehr daran gelegen, in den Motorsport sowie auch in die RS-Modelle zu investieren. Ich mag einfach die Emotionen, die dieses Thema hervorbringt. Als ich hier anfing, habe ich Seat Motorsport besucht und erfahren, dass es eine sehr kleine, sehr effiziente Organisation ist. Die Truppe ist in den letzten Jahren mehrfach durch die Hölle gegangen, hat es immer wieder geschafft, sich trotz schwieriger Zeiten zu rechtfertigen. Ich werde sie auch zukünftig unterstützen.

Dabei fokussieren wir uns auf die neue Tourenwagen-Serie TCR und den Markenpokal – da treten immerhin über 30 Autos gegeneinander an. Und die TCR hat meiner Meinung nach ein riesiges Potenzial, das es nun zu vermarkten gilt. Hinzu kommt, dass unser Fahrzeug als Maßstab für die anderen gilt. Trotz allem glaube ich nicht, dass wir in absehbarer Zeit in eine andere Serie einsteigen werden. Das Investment wäre einfach zu groß.

Zurück auf die Straße: Werden Leon und Ateca auch künftig die größten Modelle bleiben?

Man soll ja niemals nie sagen. Immerhin hat Seat es geschafft, nicht mehr nur im Kleinwagen-, sondern auch im Kompaktwagen-Segment wahrgenommen zu werden. Und diese Klasse zwischen 20.000 und 30.000 Euro bietet nach wie vor ein riesiges Potenzial. Für mich liegt die größere Herausforderung darin, mit unserem bestehenden Angebot die einzelnen Märkte in der Tiefe zu durchdringen. Sie brauchen nämlich eine kritische Masse, um überhaupt wahrgenommen zu werden, um auf die Einkaufslisten potenzieller Kunden zu kommen.

In Deutschland beispielsweise verkaufen wir 90.000 Autos pro Jahr, das ist sehr gut. In meiner Heimat Italien dagegen nur 16.000 Autos. Hier können wir uns klar verbessern. Aber warum ist das so? Fehlen wichtige Varianten? Motorisierungen? Darum geht es in erster Linie. Wir fliegen in einigen Märkten einfach unter dem Radar der Kunden. Das ändert sich erst, wenn man in einem Segment in etwa fünf Prozent Anteil erreicht. Das ist das Ziel.

Sie sind Italiener, haben in Ihrer Karriere schon für ein französisches, ein japanisches, ein italienisches und ein deutsches Unternehmen gearbeitet, sind nun in Spanien. Welche Mentalität liegt Ihnen am nächsten, und mit welcher haben Sie die größten Reibungspunkte?

Die größten Reibungspunkte? Vermutlich mit den Italienern! (lacht) Ich habe es immer als großes Privileg empfunden, so viele unterschiedliche Kulturen zu erleben. Es macht mir Spaß, irgendwo von Neuem zu beginnen, sozusagen wie in der Grundschule, und mich dann bis zur Universität hochzuarbeiten. Für mich war der Schritt, zum Volkswagen-Konzern zu wechseln, wohl der bedeutendste meiner Karriere. Wissen Sie, wenn sie in Italien im Topmanagement des Fiat-Konzerns arbeiten, dann sind sie durchaus eine Persönlichkeit mit hohem Stellenwert.

Warum habe ich das also gemacht? Es war ein bisschen so, als lande man auf dem Mond – ohne Sauerstoffgerät. Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich das schaffe. Dabei habe ich sehr viel gelernt und konnte mit den besten Managern zusammenarbeiten. Spanien ist jetzt das zwölfte Land, in das ich ziehe. Bei Seat finde ich eine gute Mischung aus der mediterranen und der strukturierten deutschen Mentalität vor. Und es ist für mich vergleichsweise leicht, die Sprache zu lernen, ich bin ja auch keine 15 mehr. Deutsch zu lernen, war dagegen am schwierigsten.

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