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Klimaanlagen-Kältemittel
R-1234yf noch nicht abschließend geprüft

Lieferprobleme, Patentstreit, Kartellverfahren und ungeklärtes Risikopotenzial: Der Skandal um das neue Kältemittel für Klimaanlagen zieht immer weitere Kreise.

Klimaanlagen
Foto: Matthias Seeburger

Eigentlich hätte man die schlechten Omen als Warnung ernst nehmen müssen. "Die Produktionstechnologie für R-1234yf ist noch nicht im großtechnischen Maßstab in Betrieb", hieß es zum Jahreswechsel 2011 in einem Hintergrundpapier des Umweltbundesamtes (UBA) über das neue Kältemittel. Noch brisanter waren die Ergebnisse von Versuchen, die die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung mit R-1234yf anstellte: Es ist leicht entzündlich, und bei Kontakt mit heißen Oberflächen - etwa am Abgaskrümmer - sowie im Brandfall entsteht sehr giftige und stark ätzende Flusssäure.

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Jetzt, anderthalb Jahre nach Inkrafttreten der "EU-Verordnung über bestimmte fluorierte Treibhausgase", die das Aus für das herkömmliche Kältemittel besiegelte, ist das Debakel um das neue perfekt: Theoretisch bekommen neue Fahrzeugmodelle seit dem 1. Januar 2011 keine Typgenehmigung mehr, wenn die Klimaanlage nicht mit einem umweltschonenden Stoff befüllt ist. Doch die einzigen Hersteller Honeywell und DuPont liefern nicht in ausreichender Menge – jedenfalls nicht nach Europa.

Altes Kältemittel darf bis Ende 2012 verwebdet werden

Deshalb verschickte die Industrie-Direktion der EU-Kommission am 18. April dieses Jahres einen Brandbrief an alle Autohersteller. Darin ist die Rede von Lieferengpässen der beiden Kältemittel-Produzenten. Als Gründe werden einerseits genannt, dass das Erdbeben in Japan die dort ansässige Fabrik beschädigt habe und andererseits die chinesischen Behörden die Produktionsgenehmigung für die im Reich der Mitte angesiedelte Großanlage bislang wegen fehlender Nachweise zum Gesundheitsschutz verweigerten. Solange R-1234yf nicht verfügbar sei, so das Schreiben der Industrie-Direktion, dürften die Autohersteller bis zum 31. Dezember 2012 das alte Mittel bei neu typgeprüften Fahrzeugen verwenden.

Die EU-Behörde legitimiert damit nachträglich die Typgenehmigungspraxis zum Beispiel für die neue Mercedes B-Klasse - aus Mangel an dem neuen Stoff ging sie mit dem alten Kältemittel R-134a an den Verkaufsstart. Die europäischen, insbesondere die deutschen Autohersteller sind stinksauer. Asiatische und amerikanische Konkurrenten werden nämlich von Honeywell und DuPont bedient, während die Europäer in der Warteschlage stehen. Das hat die EU-Direktion Wettbewerb auf den Plan gerufen. Anfang Dezember leitete sie ein Kartellverfahren gegen die beiden Chemiegiganten ein, das prüfen soll, ob sie eine marktbeherrschende Stellung innehaben und diese missbräuchlich ausnutzen.

Schutzrecht für Lizenzbedingungen wurde widerrufen

Doch damit nicht genug: Neun Unternehmen – darunter international agierende Chemiefirmen, aber auch der Branchenverband ACEA, BMW und Daimler – hatten Einspruch gegen eines der Honeywell-Patente eingelegt. Nach nur einem Verhandlungstag vor dem Europäischen Patentamt am 27. März dieses Jahres widerrief die Behörde das erteilte Schutzrecht für Lizenzbedingungen nach Gutsherrenart, mit dem sich Honeywell ein Supergeschäft sichern wollte.

Und der Kältemittel-Krimi geht noch weiter. Die Europäische Chemikalienagentur ECHA setzte R-1234yf auf die Liste der chemischen Stoffe, bei denen ein Verdacht auf Risiken für die Gesundheit oder die Umwelt besteht. Deutschland hat sich verpflichtet, den Stoff nach der EU-Chemikalienverordnung REACH bis Februar 2013 zu bewerten. Federführend ist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin – mit im Boot sind das Bundesinstitut für Risikobewertung sowie das UBA.

Bestätigt sich der Verdacht, kommt die EU-Kommission ganz schön ins Schwitzen. Die deutschen Autohersteller bräuchten sich dagegen nicht viel Neues einfallen zu lassen – Klimaanlagen, die mit dem besonders umweltfreundlichen natürlichen Kältemittel R-744 (CO2) laufen, waren bereits serienreif entwickelt, bevor die Branche 2010 ins Chemie-Lager wechselte .

Chronologie des Skandals

September 2007: Die deutsche Autoindustrie entscheidet sich für den zukünftigen Einsatz von CO2 als Kältemittel.
Februar 2008: Honeywell und DuPont präsentieren der Branche das Kältemittel R-1234yf.
Oktober 2008: Erste Untersuchungen dokumentieren, dass der Stoff entzündbar ist und im Brandfall extrem giftige Gase bildet.
Mai 2010: Die deutsche Autoindustrie entscheidet sich offziell für den zukünftigen Einsatz von R-1234yf als Kältemittel.
Juni 2010 Der Abschlussbericht der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung zeigt erneut, dass der Einsatz von R-1234yf mit Gefahren verbunden ist.

Was Kunden wissen müssen

Für Käufer von neuen Fahrzeugmodellen hat das Desaster rund um das neue Kältemittel keinerlei Konsequenzen. Daimler etwa hatte im Februar angekündigt, dass die Umstellung auf R-1234yf erfolgen wird, sobald der neue Stoff bei den Lieferanten in ausreichender Menge verfügbar ist.

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