Herr Hück, wie läuft die Zusammenarbeit mit dem neuen Porsche-Chef Michael Macht?
Hück: Sehr gut. Wir sind locker, zuversichtlich, schauen immer in die Zukunft. Ich kenne Herrn Macht nicht erst seit den vergangenen sieben Monaten, die er als Vorstandsvorsitzender im Amt ist, sondern seit 20 Jahren. Er ist durch und durch Porscheaner.
Die Porsche-Standortsicherungsvereinbarung läuft am 31. Juli 2010 aus. Wie laufen die Verhandlungen um eine Verlängerung?
Hück: Wir wollen bis spätestens 31. Juli zu einem sehr guten Ergebnis kommen. Die Verhandlungen mit dem Vorstand werden sicher die härtesten in unserer Geschichte. Aber das ist gut so. Denn wie sagt der Schwabe: "Alles was geschenkt ist, ist nichts gescheits".
Warum werden die Verhandlungen so schwierig?
Hück: Weil es darum geht, bis ins letzte Detail neue Projekte, wie zum Beispiel umweltfreundliche Technologien zu definieren, die neuen Investitionen genau festzuschreiben und gegebenenfalls die Belegschaft zu erhöhen. Von dem wachsenden Kapital, zum Beispiel durch die hohe Produktivität und Flexibilität der Belegschaft, fordern wir einen Rückfluss in Form von Investitionen.
Von welchen Größenordnung reden wir hier?
Hück: Für den Zeitraum 2005 bis 2010 konnten wir eine Investitionssumme von 600 Millionen Euro für Zuffenhausen vereinbaren, und ich trete niemals in einen Ring mit der Absicht zu verlieren. Wir brauchen schleunigst Investitionen, etwa für eine Erweiterung des Rohbaus. Hier liegt momentan der einzige Engpass, nachdem wir gerade 200 Millionen Euro in eine neue Lackiererei und 100 Millionen Euro in unser neues Logistikzentrum in Sachsenheim investiert haben. Das war notwendig, denn wir wollen ja weiter wachsen.
Welche Bedeutung hat Zuffenhausen als Standort in der Zukunft?
Hück: Zuffenhausen ist das Herz von Porsche. Und das muss auch so bleiben. Wir haben hier schon im Jahr bis zu 39.000 Einheiten des 911er produziert. Wenn wir mittelfristig über alle Baureihen hinweg auf 150.000 Porsche pro Jahr erhöhen wollen, müssen 50.000 davon im Stammwerk Zuffenhausen gebaut werden.
Nur 911er?
Hück: Nein, das halte ich für unrealistisch, denn im vergangenen Geschäftsjahr haben wir nur noch 28.000 Einheiten des 911er gefertigt.
Das heißt, Sie holen den Nachfolger des Boxster/Cayman 2012 zurück nach Zuffenhausen, statt ihn woanders bauen zu lassen?
Hück: In der jetzigen Weltwirtschaftskrise müssen wir uns zuerst darauf konzentrieren, Zuffenhausen und alle anderen Standorte von Porsche voll auszulasten.
Früher wollte bei Porsche niemand etwas von einem Einstiegsmodell wissen. Jetzt soll mittelfristig ein Baby-Boxster gebaut werden. Warum?
Hück: Das ist in keiner Art und Weise vereinbart, aber sollte es zusätzliche Modelle geben, werden wir natürlich dafür kämpfen, dass diese auch in Zuffenhausen gebaut werden, um nachhaltig eine Vollauslastung unseres Stammwerks zu sichern.
Welche weiteren Themen werden im Rahmen der Standortsicherungsvereinbarungen noch diskutiert?
Hück: Wir brauchen auch Geld für die Erweiterung unseres Ausbildungszentrum. Denn wir werden uns dafür einsetzen, weiterhin jedes Jahr mindestens 100 neue Auszubildende einzustellen und unbefristet in die Porsche AG zu übernehmen. Derzeit haben wir 355 Auszubildende bei Porsche.
Wie hoch ist der Personalstand derzeit?
Hück: Insgesamt hat Porsche weltweit rund 12.600 Mitarbeiter/innen, davon zirka 8.700 bei der Porsche AG in Deutschland. In Zuffenhausen und Ludwigsburg arbeiten derzeit zirka 5.500 Menschen. Wir werden unsere Vertriebsorganisation aus Ludwigsburg mittelfristig komplett nach Zuffenhausen überführen; und unsere Ludwigsburger Logistik zieht in das neue Zentrallager nach Sachsenheim.
Wie wird sich die Beschäftigtenzahl in den kommenden Jahren entwickeln?
Hück: Bei einem Jahresabsatz von mehr als 100.000 Einheiten brauchen wir natürlich auch mehr Mitarbeiter/innen.
Wie viele mehr?
Hück: 150.000 Einheiten sind zirka 30 Prozent mehr als aktuell. Wenn Sie davon jeweils zehn Prozent für die Steigerung der Produktivität und der Flexibilität abziehen, bleiben noch zehn Prozent übrig. Das bedeutet grob gerechnet 800 Mitarbeiter/innen mehr. Da diese 150.000 Einheiten aber nicht alle in Zuffenhausen gefertigt werden können, bedeutet es für diesen Standort einen Zuwachs von rund 400 bis 500 Mitarbeiter/innen im Laufe der nächsten fünf Jahre.
Ist das realistisch? VW-Chef Martin Winterkorn hat doch das Motto herausgegeben, beim Absatz zu wachsen, ohne die Belegschaft zu erhöhen.
Hück: Für Porsche ist das realistisch. Die natürliche Fluktuation habe ich da schon eingerechnet, die beträgt bei Porsche weniger als ein Prozent. Und im Gegensatz zu anderen Konzernen sanieren wir uns nicht durch Altersteilzeit; bei uns wird jede Stelle, die durch Altersteilzeit frei wird unbefristet wiederbesetzt - durch Auszubildende oder Arbeitslose. Auch die Zuwächse durch Produktivität und Flexibilität sind schon berücksichtigt.
Von welchen Produktivitätszuwächsen gehen Sie aus?
Hück: In der Produktion haben wir pro Jahr immer rund sechs Prozent erreicht. Und zwar ehrliche Produktivität. Sprich, hier streichen wir nicht Arbeitsplätze und verteilen die Arbeit dann auf weniger Schultern; vielmehr optimieren wir die Prozesse, um mit der gleichen Mannschaft mehr Effizienz und eine Verbesserung der Qualitätsstandards bei gleicher Belastung der Mitarbeiter/innen zu erreichen.
Die Produktionskapazität in Zuffenhausen ist bislang auf 230 Autos pro Tag begrenzt. Welche Ausweitung am Stammsitz ist denkbar?
Hück: Bevor wir in Kurzarbeit gegangen sind, haben wir 160 Fahrzeuge pro Tag gefertigt. Derzeit produzieren wir aber nur 140 Autos pro Tag. Lassen Sie uns hier einen Schritt nach dem anderen machen und dann schauen wir weiter.
Wie lange wird die Kurzarbeit andauern?
Hück: Bis Ende März ist sie ja bereits vereinbart. Vielleicht müssen wir sie bis Ende dieses Geschäftsjahres verlängern, sprich bis Ende Juli. Für das neue Geschäftsjahr muss es das Ziel sein, dass wir keine Kurzarbeit mehr benötigen. Daran arbeiten wir, zum Beispiel mit den neuen Motorvarianten beim Panamera.
Denken Sie im Rahmen der Standortsicherungsvereinbarung auch über eine Produktion in USA – zusammen mit Audi nach?
Hück: Nein, das macht keinen Sinn, denn wir haben vor einigen Jahren weltweit unsere Kunden befragt und das Ergebnis war eindeutig: "Made in Germany" ist der Erfolgsfaktor für Porsche, und das sollten wir so beibehalten.
Aber Sie produzieren doch jetzt schon den Boxster und Cayman bei Valmet in Finnland und den Cayenne in Bratislava?
Hück: Der Cayenne wird in Bratislava lediglich vormontiert und in Leipzig produziert. Der Boxster wird zum Teil bei Valmet produziert, aber auch in Zuffenhausen. Das akzeptiert der Kunde gerade noch, aber der 911er, das Herz der Marke, muss zu 100 Prozent in Zuffenhausen gebaut und von Porsche selbst entwickelt werden. Wenn wir das aufgeben, bekämen wir ein Problem. Denn einen Diamanten kaufen Sie ja auch nicht bei Aldi; und Zuffenhausen ist quasi das Juweliergeschäft von Porsche.
Wie entwickelt sich Ihr Werk und die Beschäftigung in Leipzig?
Hück: Unser Werk in Leipzig ist momentan voll ausgelastet. Kurzarbeit ist hier absolut kein Thema, denn der Absatz von Cayenne und Panamera ist höchst zufriedenstellend. Im Leipziger Standortsicherungsvertrag aus dem Jahre 2005 haben wir festgeschrieben, dass wir die Fertigungstiefe erheblich ausweiten werden. Die Zahl der Mitarbeiter/innen könnten wir dann langfristig aufbauen - und sicher von heute 600 auf 1.000 steigern.