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Frühe VW-Spar-Konzepte
Die Wolfsburger Öko-Aktivisten

Stopp-Starten, freilaufen, windschlüpfig und leicht sein, zum Schalten animieren: Was auch heute längst nicht alle Autos können, ist alles nicht so richtig neu. Volkswagen begann damit schon vor 30 Jahren ein Wiedersehen mit drei spannenden Eco-VW.

VW Passat Formel E, VW Golf Ecomatic, VW Lupo 3L, Frontansicht
Foto: Beate Jeske

Die seherischen Gaben des Markus Mörl wurden doch sehr unterschätzt Anfang der 1980er Jahre. Da brachte er die Platte (für jüngere Leser: Das war so etwas Ähnliches wie eine CD, nur größer und schwarz) „Kugelblitze und Raketen“ heraus. Und als Single (keine Erklärung für die Jugend, das kann man googeln) ging sein Song „Ich will Spaß“ durch die Decke mit der legendären Zeile „Und kosts Benzin auch drei Mark zehn, scheißegal, es wird schon gehn“. Ältere hielten Markus mit seiner Quietschestimme für durchgeknallt, zumal er beim Singen auch so komisch hüpfte. Jüngere fanden ihn lustig wie fast jeden Reiter der Neuen Deutschen Welle. Und selbst jene, die den Untergang des Abendlandes ausgerufen hatten, als der Preis für den Liter Normal 1981 erstmals die Grenze von einer Mark durchbrochen hatte, dachten: So schlimm kann das doch gar nicht kommen.

Schon lange vor Markus Mörl waren Menschen in Wolfsburg nicht so sicher, was das Schlimmerwerden angeht. Der Schock der zweiten Ölkrise saß zu tief. Sie machten sich daher unter Leitung des Entwicklungschefs Ernst Fiala daran, Sparkonzepte in die Serie zu bringen, die die bittere Note des an und für sich sinnlichen Tankvorgangs mildern könnten. Quer durch alle Fahrzeugklassen brachten sie mit dem Modelljahrgang 1981 das Zubehör-Paket Formel E in den Verkauf.

Passat Formel E markierte den Anfang

„Dass Energie gespart werden muss, ist jedem klar. Wir bei Volkswagen ...“ So staatstragend erklärt ein Prospekt den Sinn des Formel E-Paketes, das für 450 Mark in der Passat-Preisliste steht. Die 75-PS-Limousine verteuert sich dadurch auf 16.190 Mark. Der Mehrpreis, so rechnet auto motor und sport später nach akribisch protokollierten Vergleichsfahrten aus, hat sich nach 37.500 Kilometern amortisiert, denn das Formel E-Auto verbraucht 9,7 Prozent weniger: 8,65 statt 9,58 Liter Normal.

Ja, der Passat Formel E er begnügt sich noch mit dem mittlerweile ausgestorbenen Normalbenzin, weil die Verdichtung gegenüber dem Normal-Passat unverändert milde 8,2:1 betrug. Doch sonst hat er alles an Bord: kontaktlose Zündung, Bugspoiler und Gummilippe auf dem Heckdeckel (cW 0,36 statt 0,38), Leichtlauföl in den Adern und ein Vier-plus-E-Getriebe. Dessen Fünfter macht sich über den vier normalen Gängen lang im Stil eines Overdrive, die Höchstgeschwindigkeit wird im Vierten erreicht.

Die Verbrauchsanzeige mit Hochschaltempfehlung per Leuchtdiode zwischen Tacho und Uhr verdeutlicht das allerdings nicht. Ihr dicker Zeiger bewegt sich erst nach Einlegen des E-Ganges. Der taugt schon ab leicht erhöhtem Stadttempo zum Rollen und sanften Beschleunigen. Wer mehr Feuer sucht hinterm großen Lenkrad, findet es in den unteren Gängen. Und an der Ampel dann drückt er auf eine kleine Taste am Wischerhebel. Prompt schweigt der Motor, um sich wieder willig bei gedrücktem Kupplungspedal und einer Prise Gas zum Leerlauf aufzurappeln. Start-Stopp-Automatik anno 1981.

Golf Ecomatic schaffte Werte unter vier Liter

Eben diese Taste findet sich auch im Ecomatic-Modell des Golf III, das 1993 die Bühne betritt. Ein unglücklicher Held, denn der von Natur aus sparsam-spritzige TDI ist ja schon in Sichtweite und wird den lethargischen, weil turbolosen Wirbelkammerdiesel mit 64 Kaltblüter-PS so alt aussehen lassen, wie er ist. Die Taste kann aber einiges.

Sie startet zwar auch den Motor, wenn der sich bei längerem Halt automatisch abgestellt hat (der richtige Gang und ein wenig Gas tun es natürlich auch). Doch wichtiger ist: Sie aktiviert das Ecomatic-System, das den linken Fuß mit einer Kupplungsautomatik in Rente schickt.

Beim Anfahren und Schalten dosiert die Ecomatic den pneumatisch erzeugten Kraftschluss sanft und präzise, im Schubbetrieb kuppelt sie automatisch aus, wie es heute mehr und mehr in Mode kommt. Zusätzlich stellt das von einem Steuergerät mit dem kecken Namen Digi-Swing kontrollierte System den Motor in dieser Rollphase komplett ab. Nun kann der Golf den mühsam erarbeiteten Schwung ohne Leerlaufverbrauch nutzen.
Auch heute schwungnutzt es sich sehr elegant in den Motorstillstandsphasen. Wird dabei zu oft gebremst, springt der Motor irgendwann an und sorgt für Bremsdruck, derweil die Servolenkung bei Bedarf per Elektropumpe versorgt wird. Ist der Freilauf bergab unerwünscht, reicht ein Druck auf den Ecomatic-Taster, und schon bremst der Golf per Motor wie jeder Diesel von der Stange. Lohn der geballten Technologie: gar nicht mal so bemüht herausgefahrene Praxiswerte von unter vier L/100 km und ein Normverbrauch von 4,9 Litern.

Lupo TDI 3L mit nur 2,7 Liter Verbrauch

Der liegt nur knapp einen Liter unter dem Maximalverbrauch, den auto motor und sport 1999 im Einzeltest des VW Lupo 3L TDI ermittelt. Minimal begnügt sich der Kleine, der einem wie ein hoch spezialisierter, in seiner eigenen Welt gefangener Dr. Seltsam begegnet, damals mit 2,7 L/100 km, der Testverbrauch beträgt 3,9 Liter Diesel.

Nicht schlecht für diesen geräumigen Dreieinhalb-Meter-Knirps, der Ferdinand Piëch wohl 1991 schon vorschwebte. Damals noch in Audi-Diensten hatte der, begleitet von Entsetzen und Kopfschütteln der Konkurrenz, die Drei vor dem Komma als Verbrauchsziel für einen komplett alltagstauglichen, sicheren Viersitzer ausgegeben.

Die Realisierung dieses Versprechens ließ sich der VW-Chef einiges kosten, auch die Nerven vieler Entwicklungsingenieure: Fahrwerks- und Karosserieteile aus Aluminium und sogar Magnesium, das sich auch im Lenkrad und im Getriebegehäuse wiederfindet, dünneres Glas, Sitzrahmen aus Leichtmetall, geschmiedete Aluräder und vieles mehr drückten das Gewicht gegenüber dem normalen Lupo um rund 200 Kilogramm. Hinzu kamen eine optimierte Aerodynamik durch verkleinerte Kühlluftöffnungen und tiefer gezogene Seitenschweller, dünne Leichtlaufreifen mit einem Unterbau aus Kevlar sowie ein Dreizylinder-Pumpe-Düse-TDI. Das automatisierte Fünfganggetriebe mit Freilauf, aber ohne Motor-Aus im Schubbetrieb wie beim Golf Ecomatic, sei auch noch erwähnt. Der Kleine ist auch heute gut einsetzbar, beschleunigt vernehmlich schnarrend mit Nachdruck, lenkt sich aber servolos nicht ganz kinderleicht. Ein Visionär, der als Mensch akademische Titel verdient hätte. Damals störten die Zugkraftunterbrechung beim Hochschalten und das Schaltruckeln beim langsamen Ausrollen. Heute erscheint das in milderem Licht. Schließlich tun das solche Getriebe ja noch immer. Flott war und ist der Kleine übrigens auch. Dem Dreimarkzehn-Markus von 1982 in seinem 210-km/h-Maserati könnte er bei Tacho 200 am Heck kleben. Zumindest bergab.

Fazit
Volkswagen war nicht der erste Hersteller, der vor mehr als 30 Jahren mit der Entwicklung und Umsetzung von Eco-Konzepten begann. Doch die Konsequenz der Bemühungen um weniger Verbrauch beeindruckt. Was mit der Formel E verhalten begann und immer wieder durch Forschungsfahrzeuge vorangetrieben wurde, fand im Golf Ecomatic von 1993 einen ersten Höhepunkt. Mit dem von Natur aus sparsamen TDI wäre dieses Konzept zu voller Blüte gereift, doch angesichts der noch höheren Preise wohl mangels Kundeninteresse verdorrt. Von heute aus betrachtet wirkt der Golf Ecomatic sehr faszinierend, der Passat Formel E anrührend bemüht – und der sehr komplexe Lupo in keinster Weise historisch, sondern ganz im Gegenteil up to date.

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