Die neue Formel 1 2010: 26 Autos, 13 Teams und vier Newcomer

Die neue Formel 1 der Saison 2010
2010: 26 Autos, 13 Teams und vier Newcomer

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Veröffentlicht am 20.02.2010

Es ist eine andere Formel 1 als noch vor zwei Jahren. Von sechs Herstellern blieben zweieinhalb übrig. Honda, BMW und Toyota nahmen Reißaus. Ferrari und Mercedes blieben. Renault wurde zu 75 Prozent verkauft. Der Name blieb, doch das Team gehört jetzt einer Holding, die Firmen kauft und verkauft. Der neue Chef Gerard Lopez, beruhigt seine 450 Mann-Belegschaft: „Mit dem Formel 1-Team haben wir das nicht vor. Wir planen langfristig.“

Peter Sauber ging es wie Michael Schumacher. Er ist wieder zurück, ein wenig wider Willen allerdings. „Hätte ich das Team nicht zurückgekauft, wäre der Standort Hinwil jetzt tot.“ So ist Sauber wieder, was es 2005 vor dem Verkauf an BMW war. Ein echtes Privatteam. Mit 40 Prozent weniger Budget als zuvor. ToroRosso gehört zwar immer noch zur Red Bull-Familie, doch die Autos entstehen neuerdings in Faenza. Das Reglement verbietet einen Technik-Transfer vom großen Bruder. Das kostet mindestens 30 Prozent mehr als das Kundenmodell.

Vier neue Teams in der Königsklasse

Dann gibt es da noch vier Teams, die zum ersten Mal in der Formel 1 antreten. Bei zwei ist noch nicht sicher, ob sie in Bahrain antreten. Wir haben Lotus, VirginF1, USF1, Campos und StefanGP auf den Prüfstand gestellt.

Formel 1-Teamvorstellung Lotus

Von Lotus ist nur der Name und das Firmenlogo. Keiner aus dem Team, bei dem 1994 aus Geldmangel der Stecker gezogen wurde, ist noch dabei. Immerhin, die neue Fabrik in Hingham ist nur einen Steinwurf von der alten in Ketteringham Hall entfernt. Aber mittelfristig soll das ganze Team nach Kuala Lumpur abwandern. Weil die Investoren in Malaysia sitzen, und weil der Name Lotus inzwischen dem malayischen Autokonzern Proton gehört. Ob Lotus-Gründer Colin Chapman damit zufrieden wäre? Sein Sohn Clive identifiziert sich mit dem Projekt. Als das neue Auto erstmals auf den Rädern stand, weilte er in der Fabrik.

Der 80. Sieg für Lotus als Ziel

Technikdirektor Mike Gascoyne wischt Bedenken der Traditionalisten weg. „Wenn wir gewinnen, wird das der 80. Sieg für Lotus sein.“ Teamchef Tony Fernandes, Besitzer der Fluglinie Air Asia, hat sich bei den Fahrern nicht auf halbe Sachen eingelassen. Mit Jarno Trulli und Heikki Kovalainen sitzen 268 Grand Prix Erfahrung in den Cockpits. Kovalainen geht realistisch in das Abenteuer: „Ich bin bereit, ganz unten anzufangen, glaube aber, dass wir das beste der neuen Teams werden können. Wir müssen die Leute davon überzeugen, dass wir ein seriöses Team mit Perspektiven sind.“ Gascoyne nahm am 14. September die Arbeit mit vier Ex-Toyota-Ingenieuren auf. Am 23. Januar war das erste Chassis fertig. Die Design-Enklave in Köln wuchs bis auf 35 Mitarbeiter an.

Neues Design ab Barcelona

Im Oktober wurde das Licht im Aerolab-Windkanal in Bologna angedreht. „Mangels Zeit habe ich ein Auto nach den gängigen Designtrends gebaut. Da alle drei Projektleiter bei Toyota gearbeitet haben, ist es von der Toyota-Philosophie stark beeinflusst“, erklärt Gascoyne. „Die Barcelona-Spezifikation wird deutlich anders aussehen. Da schlagen dann die aktuellen Windkanalergebnisse durch.“ Zur Zeit arbeiten 140 Leute in der Produktion, 50 im Windkanal und 35 im Designbüro, das Schritt für Schritt nach England verlagert wird. Das Team ist neu, sein Personal nicht. „Unsere Ingenieure und Mechaniker haben bis zuletzt bei anderen Teams gearbeitet. Da gibt es keine Zeit der Eingewöhnung.“ Der Name Lotus verpflichtet. „Wir können nicht drei Sekunden hinterherfahren.“

Formel 1-Teamvorstellung VirginF1

Technikchef Nick Wirth könnte in der Szene eine Palastrevolution auslösen. Wenn sein neuer VR-01 funktioniert, dann muss sich der Rest im Fahrerlager fragen: Warum haben wir über all die Jahre soviel Geld in unsere Windkanäle investiert? Wirths Produkt ist komplett am Computer entstanden. Die Aerodynamik wird in CFD-Software simuliert Fahrwerks- und Reifendaten im Simulator gegengecheckt, Steifigkeitsberechnungen am Prüfstand. Der Motor kommt vom Cosworth, das Getriebe von X-Trac. „Mit unseren Adaptionen, die wir auch den anderen Cosworth-Kunden zur Verfügung stellen“, sagt Wirth.

Windkanäle sind die größte Geldverschwendung

Der großgewachsene Engländer, der sein Handwerk bei Simtek und Benetton gelernt hat und in der ALMS-Sportwagenszene mit seinen Acuras sein Meisterstück ablieferte, hatte schon immer eine große Klappe: „Windkanäle sind die größte Geldverschwendung.“ Rein von der Optik betrachtet, muss man ihm Recht geben. Der VirginF1- Cosworth ist ein properes Rennauto, das um den Schönheitspreis konkurriert. Mit eigenwilligen Lösungen wie einer langen Geiernase, kurzen Seitenkästen und einem kompakten Heck, dass Heckflügel und Diffusor optimal anströmen lässt. Aber ist es auch schnell? Timo Glock ist vorsichtig: „Ich will ein paar Überraschungsmomente setzen. Die entscheidende Frage ist aber: Wie gut ist unsere Basis? Erst dann wissen wir, was unsere Simulationsergebnisse wert sind. Wir versuchen so schnell wie möglich Richtung Top Ten vorzustoßen und um Punkte kämpfen zu können.“

Chefs wetten mit persönlichem Einsatz

Glock macht sich auf eine Saison mir Rückschlägen gefasst. Beim ersten Test in Jerez brach ohne Vorwarnung der Frontflügel. Er war wohl in Bezug auf seine Belastung nicht ordentlich berechnet. „Ich rechne mit drei Jahren, bis sich das Projekt für mich auszahlt“, sagt der Hesse. Damit zählt er im Team zu den Realisten. Teambesitzer Richard Branson hat wie Wirth eher einen Sinn für starke Sprüche. Der exzentrische Chef der Fluglinie Virgin hat mit Lotus-Chef Tony Fernandes gewettet, dass Virgin den Preis des besten neuen Teams gewinnt. Wer verliert, muss in der Fluglinie des anderen einen Tag Flugbegleiter spielen.

Formel 1-Teamvorstellung USF1

Mit großen Ambitionen verkündeten Formel 1-Journalist Peter Windsor und Ingenieur Ken Anderson schon vor der Saison 2009 die Pläne für ihr neues Formel 1-Team USF1. „Ken und ich wollen das Team auf unsere eigene Art aufbauen“, erklärte Windsor bei der Präsentation stolz. Der Masterplan sah vor, dass innerhalb kurzer Zeit aus dem Nichts ein durch und durch amerikanischer Rennstall entsteht, der sich grundlegend von den anderen Formel 1-Teams unterscheidet. Man wollte sich gegenüber Fans und Medien offener präsentieren, man wollte US-amerikanische Piloten verpflichten und man wollte sich mit kreativen und effizienten Entwicklungsmethoden langfristig an die Spitze der Formel 1 vorarbeiten.

Auch die FIA glaubte an den amerikanischen Traum und sprach USF1 einen Startplatz für die Saison 2010 zu. Als die US-Truppe mit Youtube-Gründer Chad Hurley auch noch einen finanzstarken Investor vorzeigen konnte, schien alles den geplanten Weg zu gehen. Doch in die Euphorie mischten sich schnell Zweifel. Beobachter berichteten, dass der Aufbau der Fabrik in Charlotte nur langsam vorangehe. Während die anderen Neulinge stolz über ihre Fortschritte informierten, war von der neuen Offenheit bei USF1 nicht viel zu sehen. An der Teamleitung prallte die Kritik ab. Gebetsmühlenartig versicherte Windsor immer wieder, dass der Entwicklungsplan eingehalten werde.

Erst Ende Januar verpflichtete USF1 als letztes Team überhaupt einen Piloten. Der Argentinier José Maria Lopez ist zwar kein Amerikaner, aber er soll dank privater Sponsoren und öffentlichen Geldern acht Millionen Dollar zum Teambudget beisteuern. Von einem zweiten Fahrer war einen Monat vor Saisonbeginn noch nichts zu sehen. Der ehemalige GP2-Pilot Adrian Valles soll ein Kandidat sein. Auch das Auto ließ auf sich warten. Die für Anfang Februar geplante Jungfernfahrt in Alabama wurde stillschweigend auf unbestimmte Zeit verschoben. Spätestens in Bahrain muss USF1 die Karten auf den Tisch legen und zeigen, was das Prädikat „Made in America“ wert ist.

Formel 1-Teamvorstellun Campos/StefanGP

Campos galt lange als der seriöseste Kandidat im Reigen der neuen Teams. Der spanische Ex-Rennfahrer hatte mit Dallara zusammengespannt. Die italienische Rennwagenmanufaktur weiß wie man Rennautos baut. Bei den Sponsoren war von Telefonica, Repsol und Petrobras die Rede, als Fahrer wurden Pedro de la Rosa und Bruno Senna gehandelt. Bis heute ist nur Senna und eine Mitgift von geschätzten fünf Millionen Euro übriggeblieben. Der Rest präsentierte sich Mitte Februar als Scherbenhaufen. Campos ließ bei Dallara, Cosworth und anderen Lieferanten Rechnungen offen. Und die lieferten nicht. Dallara bestand mit seinem Chassis zwar alle Crashtests, doch was nützt das schon, wenn das Geld zum Fahren fehlt?

Die Autos dürften gut genug für das Mittelfeld sein

Parallel dazu bastelte in Belgrad Zoran Stefanovich an einem Formel 1-Projekt namens StefanGP. Der Serbe engagierte die Ex-McLaren Mitarbeiter Mike Coughlan und Dave Ryan und er bezahlte bei Toyota für Chassis und Motor. Bei dem Chassis handelt es sich um jenen TF110, den Toyota eingesetzt hätte, wäre nicht drei Tage nach Saisonende der Rückzug beschlossen worden. Eine Rumpftruppe aus Köln unter Leitung von Pascal Vasselon setzte die Konstruktionspläne in Rennautos um. Stefanovich genießt die Unterstützung von Bernie Ecclestone. Über die Gründe kann man nur mutmaßen. Der Serbe, der mit Militärtechnologie reich geworden ist, hat Geld. Auch von der serbischen Regierung. Und die Autos dürften gut genug sein, um im Mittelfeld mitfahren zu können.

StefanGP stand jedoch vor einem Problem: Wie komme ich an einen der 13 Startplätze? Dazu müsste entweder Campos oder USF1 sterben. Der Versuch, Dallara die Rechte am Auto abzukaufen, um so Campos zu blockieren, fruchtete nicht. Campos hatte bei Dallara schon eine Anzahlung geleistet. Die Spanier drohten mit Klage, sollte der Konkurrent mit seinem Bauerntrick Erfolg haben. Adrian Campos war am Ende sogar bereit, seinen Formel 1-Traum meistbietend zu verkaufen, nur um das Team am Leben zu halten. Der ehemalige A1-Chef Tony Teixeira blitzte ab. Es kam nie Geld. Wer der neue Investor ist, darüber schweigt sich Campos aus. Von Ecclestone selbst war die Rede, auch über Volkswagen wurde spekuliert. Das Dementi aus Wolfsburg folgte umgehend. Ecclestones Eingriff könnte folgenden Hintergrund haben: Er will lieber Campos retten als USF1. Und den Platz der Amerikaner bekommt StefanGP.