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Firmenporträt Tesla
Zu Besuch beim E-Auto-Hersteller

Eines der innovativsten Unternehmen auf der IAA ist die US-Elektroauto-Firma Tesla, die ganz anders tickt als der Rest der Branche. auto motor und sport hat im Vorfeld der Messe in Kalifornien hinter die Kulissen des Unternehmens geschaut und mit dem charismatischen Firmenchef Elon Musk gesprochen.

Tesla, Impressionen
Foto: Justin Evidon

Es ist gut, einen Plan zu haben – aber noch viel besser, wenn er aufgeht. Als Tesla-Chef Elon Musk 2010 öffentlich verkündet, dass er mit seinen E-Autos ab 2013 schwarze Zahlen schreiben werde, schmunzeln viele. Tesla hatte gerade eine schlimme Krise überstanden und bis dato nicht mehr als ein paar Hundert Roadster mit E-Motor und Tausenden Handyakkuzellen verkauft. Man kann es so sehen, kann sich aber auch den ganzen Plan von Musk anhören, einen Blick in die Fabrik in Fremont/Kalifornien werfen und dann urteilen.

Unsere Highlights

Ortstermin im Designstudio von Tesla in Los Angeles, das sich in einem alten Flugzeughangar versteckt. Vor dem schlichten gläsernen Eingang wuseln ein Dutzend Bauarbeiter – die kostenlosen Schnellladesäulen für E-Autos werden erweitert. Im kühlen Empfangsraum stehen sich eine Designstudie und eine Sitzecke mit flachem Tisch gegenüber, darauf liegen Bücher über US- Musclecars – und auto motor und sport.

Für Verwunderung bleibt keine Zeit, Dave Morris möchte uns das Designzentrum zeigen. Der Engländer ist für alle Abläufe hier verantwortlich und öffnet die Sicherheitstür der riesigen hellen Halle. Links und rechts arbeiten Designer in offenen Büroecken. In der Mitte glänzen zwei Prototypen – die Limousine Model S und das Crossover-Model X – unter Tafeln voller Neonröhren.

Dave Morris stand bereits bei einigen großen Automobilherstellern unter Vertrag, aber solch eine Dynamik wie bei Tesla hat er noch nicht erlebt: "Alles geht hier viel schneller, die Atmosphäre ist anders, die Menschen sind irgendwie engagierter. Sie wollen etwas verändern und haben hier das Gefühl, dass es möglich ist."

Tesla-Boss - ein Mann unter Strom

Elon Musk trifft ein, verwuschelte Haare, schwarzes T-Shirt, wacher Blick. Obwohl der 41-Jährige sehr gefragt ist, lässt er sich genügend Zeit für das Interview. Seine Antworten sind ausführlich und frei von einstudierten Marketingsätzen. Er erklärt, dass hier alles einem einfachen Plan folgt: Der limitierte E-Roadster sorgte für den ersten Aha-Effekt. Nun sollen massentauglichere Tesla-Modelle zu erschwinglicheren Preisen das elektrische Fahrgefühl verbreiten – gemeint sind Model S (Limousine im Audi A6-Format ab 71.400 Euro, die im August nach Deutschland kommt) und der SUV Model X (groß wie ein BMW X5, folgt Mitte 2014).

Phase drei läutet dann ein kompaktes Modell ein, das dank höheren Stückzahlen noch günstiger zu haben sein wird – in drei bis vier Jahren. Ziel des Ganzen ist, dem Verbrennungsmotor schneller adieu zu sagen und mit erneuerbaren Energien von A nach B zu fahren. Musk ist jedoch klar, dass er weder mit 20.000 Einheiten pro Jahr wie jetzt noch mit 200.000 Einheiten in Zukunft diese Wende allein schaffen wird – aber er setzt ein Zeichen. Und er gibt den Menschen eine Alternative, die sie sonst nirgendwo bekommen.
Musk erklärt all das, als wäre es so einfach. Als hätte längst jemand darauf kommen müssen. Aber vermutlich brauchte es einen Visionär wie ihn, der den Mut und die finanziellen Mittel dafür aufbringt. Geerbt hat er diese übrigens nicht. Er eröffnet schon als Jugendlicher mit seinem kleinen Bruder Kimbal im südafrikanischen Pretoria das erste Geschäft: einen Videospielsalon. Als die Eltern Wind davon bekommen, müssen die Söhne ihn dichtmachen.

1994 versuchen es die beiden mit dem Programmieren von Software unter dem Namen Zip2 und sind erfolgreich: Compaq kauft 1999 ihren Laden für 300 Millionen Dollar. Das Geld investierten die beiden in den Online-Bezahldienst X.com, der 2002 unter den Namen Paypal an Ebay geht. Für 1,5 Milliarden Dollar.

Während Bruder Kimbal heute unter anderem an Schulen Gärten anlegt, in denen Kinder lernen, Gemüse anzubauen und zu verarbeiten, will Elon die Mobilität verändern. Sein privates Investment in Tesla beträgt rund 80 Millionen Dollar. Seinen Geldgebern verspricht er 25 Prozent Rendite – ein Ziel, das er schon Ende dieses Jahres erreichen will, unter anderem mit der effektiven Herstellung seiner Fahrzeuge im ehemaligen Nummi-Werk (New United Motor Manufactoring). Bis vor drei Jahren spuckte es noch Autos für Toyota und General Motors aus, dann ging es Pleite. Tesla kaufte die gesamte Anlage im Jahr 2010 für 42 Millionen Dollar.

Tesla-Arbeiter fahren Skateboard

Gilbert Passin nennt den Deal ein großes Schnäppchen. Zum einen, weil die Fertigungsanlagen noch installiert waren, zum anderen, weil die Gebäude so riesig sind. Als er uns vor der roten Wand mit dem Tesla-Schriftzug die Hand schüttelt, wirkt der Chef des Werkes entspannt und fragt, was wir alles sehen wollen. Über unsere Antwort "alles" schmunzelt er und eilt mit großen Schritten voraus. Dabei erklärt der gebürtige Franzose, dass von den 500.000 Quadratmeter Produktionsfläche momentan nur ein Drittel genutzt wird.

Und das, obwohl Tesla rund 95 Prozent des Model S hier selbst herstellt. Erst werden die Aluteile der Karosserie per Laser zurechtgeschnitten, dann von deutschen Maschinen in Form gepresst. In einer anderen Ecke entstehen Kunststoffverkleidungen, die Batterien und die Elektronik. Obendrein fertigt Tesla hier auch Formen und Maschinen oder verbessert sie. Passin stoppt auf einer Brücke und zeigt auf ein Dutzend Roboter, die fleißig und leise die Karosserieteile aus Aluminium zusammenschweißen.

Die Halle ist bis unter die Decke weiß gestrichen, die Luft rein. Auf dem sauberen Boden liegen überwiegend Magnetbänder, denen die Karossen auf automatisierten Schlitten folgen. Vorteil: Die Produktionsstraße lässt sich so relativ schnell umbauen.

Gewöhnungsbedürftig ist dagegen der offene Bürotrakt inmitten der Fertigung. Hier haben die Controller genauso wenig Ruhe wie die Konstrukteure im Gebäude nebenan. Der Geräuschpegel in diesem Großraumbüro fordert sicher mehr Gewöhnung als die freien Getränke in den Pausenräumen. Kostenlos gibt es Müsli, Milch, Kaffee, Tee und Popcorn. Um die langen Wege kürzer zu machen, stehen Fahrräder und Skateboards zur Verfügung. Und in den Pausen der beiden Schichten können die rund 3.000 Angestellten in Sofaecken entspannen oder Tischtennis spielen. Erinnert alles ein wenig an die Atmosphäre bei Google.

Einzigartig ist wohl die Indoor-Schlechtwege-Strecke, die jeder Tesla Model S emissionsfrei absolviert. Zum Abschied chauffiert uns ein Testwagenfahrer in einer Performance-Version am Werk vorbei. Er ist stolz, als er den Wagen beschleunigt und erzählt, wie langweilig sein Job hier vorher war, als sie noch Pontiacs gebaut haben: Autos von gestern. Heute baut er die Zukunft.

Interview mit Tesla-Chef Elon Musk

10.15 Uhr, Designcenter Los Angeles: Elon Musk, 41, betritt den Konferenzraum – schwarzes T-Shirt, blaue Jeans, schwarze Lederschuhe. Er wirkt locker, begrüßt auf Deutsch. Das hat er während des Studiums gelernt.

Wann hat Ihr Wecker heute geklingelt?

Musk: Ganz schön spät, weil es gestern Abend lange ging. Viertel vor acht. Normalerweise stehe ich eine Stunde früher auf.

Was ist Ihre älteste Erinnerung an Autos?

Musk: Mein Vater hatte einen Mercedes, ich glaube einen 450 SL, dessen Hardtop schwierig zu befestigen war. Aber es war ein sehr cooles Auto. Es hat ihn sehr stolz gemacht.

Was war Ihr erstes Auto?

Musk: Ein alter Buick für 1.000 Dollar. Ich brauchte damals was zum Fahren. Aber er war schrecklich und hatte innerhalb kurzer Zeit einen Motorschaden. Dann kam mein zweites Auto, ein BMW 320i Baujahr 1977. Den hab ich sehr gemocht, obwohl er für 1.400 Dollar in keinem guten Zustand war. Wenn etwas kaputt gegangen war, musste ich auf den Schrottplatz, Teile besorgen und sie selbst wechseln. Als Student hatte ich kein Geld. Das Merkwürdigste an diesem BMW: Er startete nicht, wenn der Motor warm war. Ich kann mich an Dates erinnern, bei denen mir die Frauen dann in hochhackigen Schuhen das Auto anschieben mussten. Als ich dann zum ersten Mal Geld hatte, kaufte ich mir einen 67er Jaguar E-Type Roadster. Ein wunderschönes Auto.

Sind Sie je Autorennen gefahren?

Musk: Nicht wirklich. Ich hatte ein paar lustige Wochenenden mit Freunden auf lokalen Rennstrecken. Und ich besaß mal einen McLaren F1, mit dem ich einen spektakulären Unfall hatte. Danach besuchte ich die McLaren-Rennschule. Das Auto hab ich übrigens reparieren lassen und verkauft.

Gibt es einen Oldtimer, den Sie gern in Ihrer Garage hätten?

Musk: Ich verrate Ihnen ein Geheimnis, das nur wenige wissen: Das einzige Auto mit Verbrennungsmotor, das ich noch besitze, ist der 67er Jaguar Roadster. Als ich 17 Jahre alt war und mir jemand ein Buch über klassische Cabriolets gab, hab ich mir gesagt: Wenn ich je Geld habe, hole ich mir diesen E-Type.

Warum, denken Sie, haben sich elektrische Autos Anfang des 20. Jahrhunderts nicht durchgesetzt?

Musk: Die Batterien waren nicht sehr weit entwickelt, und die Elektronik war extrem primitiv.

Wann kam Ihnen die Idee mit Tesla?

Musk: Als ich Physik studiert habe. Ich dachte über die Probleme nach, die wir in Zukunft lösen müssen. Eins davon ist die Transportmöglichkeit basierend auf nachhaltiger Energie. An der nachhaltigen Energie wird gearbeitet, fehlen nur noch die entsprechenden Verkehrsmittel. Deutschland zum Beispiel ist ein Vorreiter bei der Solar-Energie – aber merkwürdigerweise nicht bei Elektroautos. Wir wissen, dass die Deutschen Dinge mit Logik angehen, aber das ist überhaupt nicht logisch. Warum nutzt Ihr diesen Öko-Strom nicht für E-Autos? Die Energiedichte von Batterien war lange das Problem, aber mit der Lithium-Ionen-Technik ist das Geschichte. Nun muss der Übergang von der Verbrennungstechnik zum E-Antrieb vorangetrieben werden. Dabei sollten auch die Regierungen Anreize schaffen. Ich habe gehört, dass in Deutschland keine Zuschüsse für Elektroautos gewährt werden. Dabei würden Steuernachlässe auch einen Impuls für Autohersteller darstellen. So aber ist es hart, Geld in eine Entwicklung zu stecken, in der keine großen Gewinne warten. Das kann man als Unternehmen den Gesellschaftern nicht erklären.

Wie fühlt es sich an, während einer Rezession in den USA so viel Geld ins eigene Unternehmen zu stecken?

Musk: Momentan läuft es ziemlich gut. Aber natürlich gab es ungewisse Zeiten, und ich fürchtete mich vor dem nächsten Tief, anstatt mich über Hochs zu freuen. Dann gab mir ein Freund einen guten Rat: Wenn du die Erfolge nicht genießen kannst – wozu machst du es dann? Er hat recht.

Wie ist die Hierarchie bei Tesla?

Musk: Es ist ein typisches Silicon-Valley-Unternehmen mit flacher Hierarchie. Jeder kann an jeden berichten. Es geht nicht darum, dass nur die Chefs alle Informationen haben, es geht um die Ziele des Unternehmens. Dadurch lassen sich Fehler eliminieren und Entscheidungen viel schneller treffen.

Hat sich Ihre erste Vision von Tesla während der letzten Jahre verändert?

Musk: Nein, nicht wirklich. Es ist immer noch der Plan, den ich einst aufgestellt habe, und der ist ziemlich einfach. Starte hochpreisig mit kleinen Stückzahlen, reduziere dann die Preise, erhöhe die Stückzahlen und gehe über zu Produkten mit niedrigen Preisen und noch höherem Volumen. Wir befinden uns gerade in Phase zwei und wollen so schnell wie möglich Phase drei erreichen.

Wann genau soll das so weit sein?

Musk: Schätzungsweise in drei bis vier Jahren. Wir reden dann von 200.000 Autos pro Jahr anstatt von 20.000 Einheiten.

Wie reagieren Sie auf Kunden-Feedback?

Musk: Wir schauen uns das ganz genau an und reagieren, wenn wir Fehler feststellen. Fehler passieren. Ich zum Beispiel habe beim Model S auf hintere Leseleuchten verzichtet, in der Annahme, dass die Menschen, die unser Auto interessiert, auf Tablets lesen. Dann hatte ich meine Söhne im Auto. Die konnten ihr Buch nicht anschauen und sagten: "Das ist aber ein dummes Auto." Also installierten wir Leseleuchten.

Wie würden Sie einem Nachbarn einen Tesla Model S verkaufen?

Musk: Kommt immer drauf an, was für ein Typ er ist. Ich würde ihn vermutlich zu einer Probefahrt einladen, damit er spürt, wie spontan dieses Auto ist. Es fühlt sich so an, als würde man mit dem richtigen Partner Tango tanzen. Zudem ist der große Touchscreen beeindruckend, man kann Straßenkarten viel besser sehen, kann via Google Voice Musiktitel auf Ansage abspielen lassen. Ein dritter Überraschungsmoment ist der riesige Platz. In den Model S passen fünf Erwachsene, zwei Kinder und ein paar Taschen noch unter die vordere Haube. Zudem ist das Auto sehr sicher gebaut, es gibt keinen schweren Motor, daher ist die Knautschzone bei einem Frontalunfall riesig.

Wie lange wird es dauern, bis es eine Infrastruktur für E-Autos gibt?

Musk: Es dauert heute nicht mehr lang, neue Ladestationen einzurichten. Und wenn wir von einer Reichweite von 300 bis 350 Kilometer pro Auto ausgehen – der Tesla Model S schafft rund 400 – dann brauchen wir in einem Land wie Deutschland gar nicht so viele Stationen, wie stets angenommen wird.

Wie unterscheidet sich der Tesla Model X vom Model S?

Musk: Der Model S, der ab August nach Deutschland kommt, ist eine sportliche Limousine mit bis zu sieben Sitzplätzen, die auch den halben SUV-Markt abdecken soll. Der Model X ist für die andere Hälfte des SUV-Segments und das Segment der Minivans zuständig. Er kommt mit einem einzigartigen Türkonzept auf den Markt: Er hat Flügeltüren hinten. Damit wird er das erste Auto sein, in dem man wirklich bequem in die dritte Sitzreihe steigen kann. Zudem arbeitet an jeder Achse ein Elektromotor, somit lässt sich das Drehmoment schnell und bedarfsgerecht verteilen, und der Antrieb wird sehr dynamisch.

Und was wird der Model E sein?

Musk: Es ist unser Auto für Phase drei, eine Version unterhalb des Model S, mit weniger Ausstattung. Eine Limousine mit höheren Stückzahlen. Aber ich möchte keine kleine Kopie des S, das wäre zu langweilig. Es soll etwas ganz Besonderes werden im Segment des BMW 3er und Audi A4.

Tesla-Historie

Juli 2003 Tesla wird gegründet
März 2008 Tesla Roadster wird ausgeliefert
Mai 2008 Erster Verkaufsraum eröffnet in Los Angeles/Kalifornien
Oktober 2008 Mitbegründer Elon Musk wird zum Chef des Unternehmens ernannt
März 2009 Erste Präsentation des Model S
Mai 2009 Tesla beginnt, Batterien und ein Auflademodul für den E-Smart zu entwickeln
Januar 2010 Zusammenarbeit mit Panasonic für neue Elektroauto-Batteriegeneration begründet
Juli 2010 Tesla geht an die Börse
Oktober 2010 Kauf des ehemaligen Nummi-Werkes in Fremont/Kalifornien und Eröffnung des neuen Produktionsstandortes
Juli 2011 Kooperation mit Toyota, um Elektroantrieb für RAV4 zu entwickeln
Oktober 2011 Liefervertrag mit Panasonic für Lithium-Ionen-Batteriezellen unterzeichnet
Januar 2012 Produktionsende Tesla Roadster nach 2.500 verkauften Einheiten
Februar 2012 Prototyp des Model X enthüllt
Mai 2012 Model S schafft mit 85-kWh-Akku im amerikanischen Reichweitentest 265 Meilen. Auftrag zur Entwicklung eines gesamten E-Antriebes für Mercedes-Benz
Juni 2012 Model S wird in USA ausgeliefert
September 2012 Eigene Schnellladestation entwickelt und vorgestellt
November 2012 Model S in Europa präsentiert
Dezember 2012 Europäische Vertriebszentrale in den Niederlanden beschlossen
Mai 2013 Im ersten Quartal 2013 schreibt Tesla erstmals schwarze Zahlen
August 2013 Model S soll in Deutschland starten August

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AUTO MOTOR UND SPORT 15 / 2024

Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten