Die Eifel-Mafia ist überall, sogar in Abu Dhabi. Beim allerersten Rennwochenende der neuen GT1-Weltmeisterschaft spielten Meuspath und Mayen eine überragende Rolle: Das Matech-Team siegte mit Thomas Mutsch und Romain Grosjean, das Phoenix Racing-Team staubte mit seinen zwei Corvette C6.R die beiden restlichen Podestplätze ab. Weil Michael Bartels und Andrea Bertolini im alten GT-Schlachtross Maserati MC12 auf Platz vier kamen, setzte sich eine Tradition aus der alten FIA-GT-Meisterschaft nahtlos fort: Auch 2010 dominieren die Deutschsprecher das GT-Geschäft - trotz der großen Zäsur, die mit der Verleihung eines WM-Titels durch die FIA fraglos erfolgte. Wer die Ergebnislisten genauer studiert, wird feststellen, dass sogar die ersten neun platzierten Teams aus dem Hauptrennen allesamt einen deutschen Hintergrund haben. Eigentlich ist Deutschland also schon Weltmeister, bevor die erste WM-Saison richtig begonnen hat. So ganz kritiklos darf die Dominanz von Matech und Phoenix freilich nicht stehen bleiben, denn die beiden Teams hatten offenbar überlegene Fahrzeuge, was prinzipiell nicht dem Grundgedanken der Meisterschaft entspricht. Im Grund sollen die sechs vertretenen Marken im Feld von ihrer Basis-Performance auf demselben Niveau liegen. Weil die neue GT-WM sich nicht an die Hersteller, sondern an private Teams richtet, soll die Leistung von Teams und Fahrern den Ausschlag geben. An diesem Punkt sei allerdings eingeräumt, dass die Dichte an Topfahrern 2010 absolut bemerkenswert ist. Zum Beispiel Sieger Grosjean: Der ehemalige Renault-F1-Fahrer pilotierte zum ersten Mal in seinem Leben einen Rennwagen mit Dach. Er übernahm von Thomas Mutsch im Hauptrennen, der den Ford GT trotz gebrauchter Reifen in Front hielt. Seine Outlap aus der surrealen Abu Dhabi-Boxengasse war drei Sekunden schneller als der Rest des Feldes. Mit frischen Reifen legte der Schweizer los wie die Feuerwehr und nahm seinem direkten Verfolger, Phoenix-Pilot Andreas Zuber, bis zum Zielstrich 23 Sekunden ab.
Die FIA wurde an der Nase herumgeführt - Respekt !
WM-Promoter Stéphane Ratel bemerkte: "Das Fahrerniveau hat sich im Vergleich zum letzten Jahr stark gesteigert. Wir haben nicht nur die Anzahl der GT1-Wagen verdoppelt, sondern offenbar auch noch das Niveau der Piloten und obendrein die Anzahl der möglichen Sieganwärter. Jetzt fehlt nur noch eine gewisse Ausgeglichenheit im Feld." Womit wir wieder bei den Fahrzeugeinstufungen angekommen wären. Natürlich haben die Teams Matech Racing und Phoenix Racing über den Winter sehr gut gearbeitet, doch der Stint von Romain Grosjean belegte ein Ungleichgewicht. Ebenso die Tatsache, dass die vier Nissan-Fahrzeuge irgendwo zwischen Platz 12 und 16 ihren eigenen Markenpokal ausfochten. Was ist also schief gelaufen mit der sogenannten Balance of Performance, der Austarierung der Fahrzeuge, bei der der FIA-Delegierte Peter Wright als technischer Oberschiedsrichter des Sports in der Vergangenheit so ein glückliches Händchen bewiesen hatte? Wie schon im März von sport auto prognostiziert (hier kommen Sie zum Artikel), kam die wahre Performance bei den Vortest nie auf den Tisch. Weil auch das Zeittraining nach einem wüsten Unfall der Matech-Pilotin Natacha Gachnang - bei der sich die Schweizerin einen zweifachen Beinbruch zuzog - abgebrochen werden musste, verlor Peter Wright seine Chance zum Eingreifen in letzter Sekunde. Dazu ist zu beachten, dass speziell aufgebaute Rennwagen nach dem neuen Reglement wie der Ford GT von Matech und der von Nismo entwickelte Nissan GT-R gegen stark modifizierte Altwagen aus dem Vorjahr antreten - was die Aufgabe der Austarierung natürlich nicht einfacher machte. Dazu blufften sich die Teams bei den insgesamt drei Einstufungstests vor dem Debütrennen in Abu Dhabi förmlich zu Tode - und führten die FIA erfolgreich an der Nase herum. Auch das verdient Respekt! Dennoch: Wie kam es zu der offenbar falschen Einstufung? Am Mittwoch vor dem Rennen fuhr Ex-GP-Pilot Heinz-Harald Frentzen noch einmal alle Autos im direkten Vergleich. Daraufhin reagierte die FIA mit Neueinstufungen: Nissan bekam 30 Kilo aufgebrummt, Maserati 25 und Lamborghini 10. Der Ford wurde anstandslos durchgewunken, der Aston Martin durfte sogar mit um 1,1 Millimeter größeren Air-Restriktoren starten.
Werden hier etwa Spielchen gespielt? Ratel und Wright sind sich sicher
"Das ist der größte Witz der Weltgeschichte", schnaubte Nissan-Pilot Karl Wendlinger, der im Swiss Racing Team antritt. Der Tiroler sollte recht behalten, denn einige Autos waren am Freitag auf einmal drastisch schneller als noch beim Einstufungstest am Mittwoch. Der Aston Martin DBR9 von Hexis Racing fuhr am Mittwoch 2.13 Minuten, im Zeittraining 2.07 Minuten. Auch der Young Driver-Aston von Tomas Enge verbesserte sich um 4,4 Sekunden. Ford war drei Sekunden fixer. Bei Aston Martin wurden die Trödelvorwürfe mit dem Argument gekontert, die Adaption des alten GT1-Autos auf die neuen Bestimmungen sei umfänglich gewesen und noch immer nicht abgeschlossen. Bei Aston wurden der Heckflügel beschnitten und die Fahrzeughöhe um 25 Millimeter angehoben, um Platz für die Skid Blocks am Unterboden zu schaffen. Dazu musste die Einheits-ECU auf den Motor angepasst werden, auch die Restriktoren schrumpften über den Winter. "Wir sind noch mitten im Testbetrieb, so kommen die großen Verbesserungen zustande", entschuldigte sich Aston-Pilot Darren Turner. GT-Boss Stéphane Ratel nannte Ross und Reiter: "Leider spielen hier einige Spielchen. Dazu gehören Maserati, Corvette und Ford. Und die Steigerung von Aston Martin ist völlig unerklärlich. Nur Lamborghini und Nissan haben am Mittwoch beim Test gezeigt, was sie können. Aber weil die Qualifikation abgebrochen wurde, hatte unser Oberschiedsrichter Peter Wright keine Datengrundlage, um neue Einstufungen vor dem Rennen vorzunehmen. Ich bin mir sicher, dass nun noch mal alle Daten genau geprüft werden. Das System hat in der Vergangenheit funktioniert - es gibt keinen Grund, warum es nicht auch in Zukunft funktionieren sollte."
Die Eifelaner kämpfen noch mit ihren Problemen
Die offensichtlich falschen Einstufungen ließen einige Träume zerplatzen, wie im Nissan-Camp, wo Karl Wendlinger in seiner schnellsten Rennrunde 2,2 Sekunden langsamer war als Ford-Pilot Romain Grosjean. "Die FIA hatte am Mittwoch wohl das Gefühl, dem Nissan zu viel zugestanden zu haben - und hat dann kalte Füße bekommen", versucht sich Ratel an einer Erklärung. Der Oberschiedsrichter Peter Wright wehrt sich: "Die Entscheidungen vom Donnerstag vor Abu Dhabi basierten auf den Daten von allen drei Tests. Natürlich spielen alle nur mit uns und gegeneinander, aber das ist völlig normal. Das machen sie auch in den freien Trainingssitzungen, weshalb wir diese Ergebnisse schon immer ignorieren. Wenn es keinen Grund zum Schnellfahren gibt, fahren die Teams langsam, damit müssen wir leben. Aber nun haben wir ja alle Daten, die wir brauchen." Das müssen auch die Eifelaner aus Meuspath (Phoenix) und Mayen (Matech) durchaus als Drohung verstehen, wenngleich das Corvette-Team von Ernst Moser mildernde Umstände ins Feld führen kann: Seit Start der Entwicklung verrauchten fünf Motoren, am Ende musste das Phoenix-Team in Abu Dhabi aus zwei kaputten Motoren ein funktionsfähiges Triebwerk zusammenstricken. "Immer dasselbe Problem: Im fünften Zylinder geht ein Ventil in die Binsen", rapportierte Pilot Mike Hezemans, der sich mit Co-Pilot Andrea Piccini vom letzten Startplatz im Quali-Rennen bis auf Platz drei im Hauptrennen nach vorn ackerte. Allerdings hatte man wegen der vielen Motorwechsel als einziges Team noch drei Sätze frische Reifen. "Nur deshalb kamen wir so weit nach vorn." Bei Phoenix macht man für die Motorschäden das neue Einheitssteuergerät von Magneti Marelli verantwortlich: "Wir haben beim ersten Lauf bereits alle Motoren für die komplette Saison verbraucht, das kann so nicht weitergehen", knurrte Hezemans. Die Phoenix-Truppe aus der Eifel wird die zwei Podestplätze also mit hohen Revisionskosten bezahlen müssen.