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Ferrari LaFerrari
Formel 1 für die Straße

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Ferrari bringt mit dem LaFerrari den ersten Supersportwagen auf die Straße, der komplett dort entwickelt und gebaut wird, wo er auch entworfen wurde: in der Formel 1-Abteilung des Werks. Mit aktueller Grand-Prix-Technik wie dem Kers-System soll er fantastische Fahrleistungen bieten. Wir haben ihn in seiner Heimat besucht.

Ferrari LaFerrari, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Technischer Fortschritt vernichtet Ideale. Was eben noch als bewunderungswürdiger Höhepunkt galt, als Nonplusultra der Autotechnik, kann sich morgen schon zum alten Eisen trollen – vorausgesetzt, das Nachfolgemodell zündet wie geplant.

Die Geschichte der Top-Modelle von Ferrari ist ein rennroter Beleg für das Killer-Potenzial der besseren Idee. 1987 kam zum 40. Geburtstag des Werks mit dem Ferrari F40 eine Biturbo-Rakete auf den Markt, die den damaligen technologischen Höhepunkt der Marke mit dem schwarzen Pferdchen im Logo markierte. Schnellste Rundenzeit auf der hauseigenen Testpiste in Fiorano: 1:29,6 Minuten. Der zehn Jahre später gebaute F50 schlug den Vorgänger um zweieinhalb Sekunden und ließ ihn entsprechend überholt aussehen. Als 2002 der Ferrari Enzo Ferrari mit seinem 650-PS-Zwölfzylinder ausrückte und nur 1:22,3 Minuten für eine Fiorano-Runde brauchte, war der F50 plötzlich steinalt – und jetzt gibt es den Ferrari LaFerrari, einen neuen Fixstern unter dem Himmel der Emilia Romagna, der für einen Umlauf in Fiorano gerade einmal 1:20,3 Minuten benötigt.

Unsere Highlights

Ferrari LaFerrari baut auf Kohlefaser-Monocoque

Nicht Pininfarina gab dem Ferrari LaFerrari mit dem Kohlefaser-Monocoque seine pfeilförmige Figur, sondern Ferraris Chefdesigner Flavio Manzoni und die Formel 1-Designer unter Aerodynamik-Guru Rory Byrne – der Engländer war in der Vergangenheit bei Ferrari für jene Rennwagen verantwortlich, mit denen Michael Schumacher immerhin fünf Weltmeistertitel holen konnte.

Das zentrale Monocoque des neuen Ferrari LaFerrari wird aus vier unterschiedlich festen Kohlefasertypen von Hand laminiert, und zwar von denselben Leuten, die sonst die Rennwagen für Fernando Alonso und Felipe Massa fertigen. Auch der Backofen, im Fachjargon Autoklav, in dem das LaFerrari-Monocoque dann aushärtet, ist in der Hauptsache mit der Monoposto-Fabrikation ausgelastet. Gegenüber dem Modell Enzo liegt der Schwerpunkt des Ferrari LaFerrari noch einmal um 35 Millimeter tiefer; die Verdrehfestigkeit nahm um 27 Prozent zu, die Biegesteifigkeit um 22 Prozent, doch das Gewicht sank gleichzeitig um immerhin 20 Prozent.

V12-Motor mit Literleistung von 128 PS

Hinter den Sitzen, längs eingebaut, hält der 6,3-Liter-V12 die ganze Partitur der Ferrari-Töne bereit: vom Leerlauf-Murmeln über das Warmlauf-Kläffen bis zum Start-Gebrüll und dem heulenden Belcanto bei voller Drehzahl und durchgetretenem Gaspedal. In seiner Architektur prinzipiell bekannt aus dem Enzo und seinem leistungsgesteigerten Bruder FXX, leistet der mit 13,5:1 verdichtete Saugmotor im Ferrari LaFerrari nicht weniger als 800 PS bei 9.000 Umdrehungen pro Minute. Das entspricht einer Literleistung von 128 PS – damit hätte man früher Grand-Prix-Rennen gewonnen.

Dieser Drehmoment-Athlet erweist sich im Ferrari LaFerrari mit seinen 700 Newtonmetern bei hurtigen 6.750/min als nicht nur auf den Bereich hoher Drehzahlen hin optimiert; er entwickelt bereits im Drehzahlkeller den Punch eines Boxers im Superschwergewicht, was dem Kers-System geschuldet wird und in einem Spitzenwert von mehr als 900 Nm mündet. Den Abschluss des hinter der Antriebsachse positionierten Getriebes bildet ein Elektromotor, der seine Energie aus tief im Wagenboden verborgenen Batterien bezieht. Die 120 Zellen sind in acht Modulen zusammengefasst, die als Paket 60 Kilogramm wiegen. Sie laden sich beim Bremsen und während der Kurvenfahrt durch nicht abgeforderte Leistung des V12 immer wieder auf. Zusatzleistung des Kers-Fahrmotors: 163 PS (120 kW).

1.000 PS für nur zwei Räder

Dieses System, in der Formel 1 als Überholhilfe gedacht und nur nach Freigabe der Rennleitung benutzbar, hat im Ferrari LaFerrari in erster Linie nichts mit dem Umweltgedanken konventioneller Hybrid-Automobile zu tun. Es ist eine zuschaltbare Powerquelle, die keinem anderen Ziel dient als dem schnelleren Fahren. Erst einmal aktiviert, übernimmt parallel dazu ein zweiter, kleinerer Elektromotor den Antrieb aller nötigen Nebenaggregate, sodass für den kombinierten Benzin- und E-Antrieb als alleinige Aufgabe bleibt, das Kohlefaser-Projektil mit olympischem Schwung nach vorn zu schleudern.

Und da bleibt dann kaum ein Auge trocken. Der Ferrari LaFerrari, trotz der 140 zusätzlichen Kers-Kilogramm nicht schwerer als der knapp anderthalb Tonnen wiegende Vorläufer Enzo, braucht gemäß der Werksangabe keine drei Sekunden, um aus dem Stand Tempo 100 zu erreichen – allein mit Hinterradantrieb wohlgemerkt. Ein Allradsystem, lässt Ferrari stolz verlauten, benötige man nicht; die elektronisch geregelte Drehmomentverteilung komme auch mit knapp 1.000 PS für nur zwei Räder zurecht.

Ferrari LaFerrari soll über 350 km/h schnell werden

Wer das Gas im Ferrari LaFerrari stehen lässt, fliegt nach insgesamt sieben Sekunden schon über die 200-km/h-Marke, und nur 15 Sekunden vergehen, bis der Tacho Tempo 300 signalisiert. Mit "Start" oder "Losfahren" ist diese Geschwindigkeitsorgie eigentlich nur blutleer und einfallslos beschrieben. Es ist ein veritabler Launch nach Formel 1-Manier, und wer jemals in die glückliche Lage kommt, diesen Stunt einmal selbst zu probieren, ist ohnehin ein besonderes Glückskind. Den Horizont von 350 km/h Höchstgeschwindigkeit soll der Ferrari LaFerrari locker teilen; wo Schluss ist mit der Beschleunigung, will Ferrari aber noch nicht verraten. Boss Luca di Montezemolo: "Jenseits von 350, basta."

Getreu den Konstruktionsprinzipien, nach denen zum Beispiel die Prototypen jener Sportwagen gebaut werden, die um den Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans kämpfen, wird der Fahrer im Ferrari LaFerrari sozusagen zum vollwertigen Maschinenelement. Die unverstellbare Sitzschale ist gewissermaßen ein Teil des Moncoques, und was an Arm- oder Beinlänge fehlt, gleicht ein Knopfdruck aus: Lenkrad und Pedale werden von Elektromotoren so lange verstellt, bis alles passt.

Aerodynamik-Tricks aus der Formel 1

Wer vermutet, dass der Ferrari LaFerrari auf großem Fuße lebt, liegt richtig. Vorn müssen die Carbon-Keramikbremsen an doppelten Querlenkern aufgehängte Pneus der Dimension 265/30 R19 verzögern, hinten die Multilink-geführten Walzen im Format 345/30 R20. Die Gewichtsverteilung des gesamten Sportwagens bevorzugt aus Gründen besserer Traktion die Aufteilung von 59 Prozent auf der Hinterachse, somit 41 Prozent vorn.

Der neue Ferrari LaFerrari wäre kein Kind von Aerodynamiker Byrne, würde er nicht einige nette, in der Formel 1 gelernte Tricks der Strömungslehre mit auf den schnellen Weg bringen. Die Karosserie-Elemente vorn und hinten sollen in jeder Fahrsituation einen optimalen Kompromiss von niedrigem Luftwiderstands-Beiwert und maximalem aerodynamischem Abtrieb vereinen. Frontflügel, Splitter, Spoiler und Luftführungskanäle orientieren sich an den Windkanal-Studien der Formel 1 und sorgen für schnellstmöglichen Abtransport heißer Luft vom Hauptkühler sowie aerodynamischen Abtrieb auf der Fronthaube.

Durch seitliche Führungskanäle nach hinten geleitet, kühlt die Luft aus den vorderen Radhäusern nicht nur Motor und Getriebe; die rückwärtigen Bremsen kühlt ein Luftstrom, der vom Einlass vor den Radhäusern zu den Scheiben geführt wird. Die Hutzen über den hinteren Radläufen dienen der Aufladung: In ihnen staut sich die Ansaugluft und gelangt so mit leichtem Überdruck in die Brennräume. Je nach Fahrgeschwindigkeit soll dieser Ram-Air-Effekt bis zu fünf zusätzliche PS bringen.

Ferrari LaFerrari ist auf 499 Exemplare limitiert

Das Zusammenspiel von hinterem Spoiler und Unterboden dient wiederum dem Steigern des Abtriebs an der Hinterachse. Die Diffusorkanäle im Heck des Ferrari LaFerrari verfügen wie ihre Pendants vorn über ein variables Klappensystem, das den Luftstrom steuert und so automatisch der Geschwindigkeit und dem Fahrzustand anpasst. Ihre Sensoren füttern denselben Zentralrechner mit Input, der auch die Koordination des Fahrwerks und weiterer verstellbarer Karosserie-Elemente übernimmt. Dazu gehört zum Beispiel das tempoabhängige Verändern des Kühler-Anströmkanals nach dem Prinzip "hohes Tempo, kleiner Querschnitt".

So viel geballte Hochgeschwindigkeitstechnik ist nicht zum Schnäppchenpreis zu haben, weshalb der Ferrari LaFerrari-Interessent etwas tiefer in die Tasche greifen muss. So tief, bis er rund eine Million Euro plus der landesüblichen Steuer in der Hand hält. Ob er dann einen der tieffliegenden Kohlefaser-Pfeile bekommt, ist trotzdem fraglich. Nach alter Sitte des Hauses werden die Kaufverträge für die auf 499 Exemplare limitierte Serie sorgfältig verteilt, und zwar zuerst an jene Glücklichen, die schon mehrere andere Ferrari ihr Eigen nennen. Trotzdem erhalten sie ein bis jetzt einmaliges Auto: Noch nie brachte ein Sportwagen aus Maranello so viel Formel 1-Know-how auf die Straße wie der Ferrari LaFerrari. Er bleibt das wahre Top-Modell – bis sein Nachfolger kommt.

Die aktuelle Ausgabe
Auto Straßenverkehr 13 / 2021

Erscheinungsdatum 26.05.2021

76 Seiten