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Elektroauto-Reichweite im Winter
Bis zu 47 Prozent geringere Reichweite

Was bleibt bei Elektroautos von den versprochenen Reichweitenangaben im Winter? Wenig, wie der weltweit erste Reichweitentest bei Extremtemperaturen von auto motor und sport zeigt. 

Fiat 500 Elektro Karabag, Mitsubishi i-Miev, Smart ED, Mia Electric
Foto: Karl-Heinz Augustin

Winterzeit ist keine Akkuzeit. Das wissen besonders Besitzer von älteren Dieselautos. Wenn sich eine angeschlagene Batterie noch achtbar durch den Sommer stromert, lässt sie bei Frost den Anlasser nur noch erschöpft zucken. Nicht umsonst sind Batteriedefekte immer noch klar an der Spitze der Gründe, wieso ein Auto nicht mehr startet. Winterlich niedrige Temperaturen setzen auch Elektroautos und ihren vergleichsweise riesigen Lithium-Ionen- Energiespendern mächtig zu.
 
Dabei geht es weniger darum, dass sie nicht mehr starten (auch das kann passieren). Vielmehr verlieren sie massiv an verfügbarer Kapazität und damit Reichweite. Wie stark, das ergründete auto motor und sport mit dem TÜV Süd beim weltweit ersten Wärme-Kälteprüfstand-Vergleichstest für Elektroautos. Für diesen wurde ein eigenes Prüfprogramm und ein eigener Zyklus entwickelt. Soviel vorweg: Die Ergebnisse geben Grund zum Frösteln. Aber erst mal zurück zur Theorie. Wieso verliert das Elektroauto an Reichweite? 

Darum leiden die Batterien der Elektroautos bei Kälte

Zwei Ursachen sind dafür verantwortlich: Erstens das Elektrolyt, also die Substanz, die in einer Akkuzelle eines Elektroautos intern für die Stromleitung zwischen Plus- und Minuspol sorgt. Bei Kälte wird das Elektrolyt dickflüssiger, und die elektrochemischen Prozesse laufen langsamer ab. Damit steigt der so genannte Innenwiderstand der Batterie, die nun weniger Strom und damit Leistung liefert. 

Bei einfachen Lithium-Ionen-Akkus eines Elektroautos kann das Elektrolyt unterhalb von minus 20 Grad sogar einfrieren. Obwohl besonders kältestabile Elektrolyte auch noch unter minus 50 Grad funktionieren, verliert die Zelle trotzdem an verfügbarer Kapazität. Eine aktive Erwärmung des Akkus würde helfen, aber das kostet wieder Leistung.

Heizung als Reichweiten-Killer bei Elektroautos

Damit kommt schon der zweite Punkt: Im Winter saugen elektrische Verbraucher besonders viel Strom. Wenn bei tiefen Minustemperaturen eine elektrische Innenraum-Heizung voll bollert, leistet sie schnell bis zu vier Kilowatt. Bei einem 16 Kilowattstunden großen Akku eines Elektroautos würde das bedeuten, dass die Batterie in vier Stunden leer gesaugt wird, ohne dass sich das Auto auch nur einen Meter bewegt hat. 

Während bei einem Auto mit Verbrennungsmotor die Heizenergie im Vergleich zu den gigantischen Wärmeverlusten kaum auffällt, wird sie bei Elektroautos zum bestimmenden Faktor. Hinzu kommen im Winter ein erhöhter Strombedarf der Lichteinheiten und – ähnlich wie beim Verbrennerauto – höhere Reibungswiderstände. Das alles führt, wie die Messungen zeigen, bei Elektroautos zu teilweise eklatanten Reichweiteverlusten. 

Reichweite des E-Smart sinkt um 47 Prozent

Besonders gravierend sind sie beim Smart Fortwo ED, der beim ersten Test nach dem EU-Zyklus bei kuscheligen 23 Grad noch beachtliche 208 Kilometer weit kommt und damit die Werksangabe sogar um 73 Kilometer übertrifft. Selbst beim zweiten Test auf der Rolle nach dem rekuperationsfreundlichen TÜV Süd-Elektroautozyklus erreicht er mit 159 Kilometern immer noch mehr als versprochen. Für ein vor allem im städtischen Bereich eingesetztes E-Auto sind Werte oberhalb von 100 Kilometer Aktionsradius sowieso reiner Luxus, da die bisherigen Modellversuche eindeutig zeigen, dass über 90 Prozent der Fahrten sich weit darunter abspielen.  

Der Smart-Besitzer freut sich und plant zu Weihnachten übermütig eine Fahrt zur 100 Kilometer entfernten Verwandtschaft. Dort will er wieder nachladen, doch bei Kilometer 84 versiegt der Elektronenfluss plötzlich. So viel schafft der E-Smart nämlich gerade noch bei minus sieben Grad Celsius nach dem TÜV Süd-Zyklus. Damit bricht die Reichweite des Elektroautos um fast die Hälfte im Vergleich zum Prüfstandswert bei 23 Grad Außentemperatur und um über ein Drittel zur Werksangabe ein. Die ist damit im Winter schlicht wertlos. Immerhin heizt der Smart – wie der um 43 Prozent verlierende Mitsubishi i-MiEV (nur noch 64 km) – den Innenraum rein elektrisch auf wohlige Grade auf.

Mia Electric verliert sieben Prozent

Beim im Prototypenstadium zum Test angetretenen Elektro-Dreisitzer Mia schaltet sich die elektrische Heizung dagegen einfach ab. So bleiben die Verluste bei Kälte im TÜV Süd-Zyklus zwar mit minus sieben Prozent sehr gering, aber die kleine Bude auch kalt. Die Serienversion soll jedoch heizen wie alle anderen. Dann müssen nochmals zirka 20 Prozent Reichweitenverlust zusätzlich einkalkuliert werden. Auch wenn der Mia sich (absolut gesehen) für seine kleine Batterie sehr wacker und für die Stadt völlig ausreichend schlägt, ist seine Werksangabe im Winter ebenfalls unbrauchbar. 

Fiat 500 Karabag verzichtet auf Elektro-Heizung

Die Entwickler des Fiat 500 Karabag ließen sich daher erst gar nicht auf eine elektrische Heizung ein, sondern spendierten ihrem umgebauten Kleinwagen eine Benzinzusatzheizung. So verliert dieser zwar auch 20 Prozent aufgrund der kalten Batterie, bietet aber mit 105 Kilometer die mit Abstand größte Reichweiten-Sicherheit bei Kälte. Der Malus sind die zusätzlichen Kosten und die 0,5 Liter Benzinverbrauch pro Stunde. Zumindest im Winter verliert er dann seine Emissionsreinheit (keine Schadstofffilterung). Verschmerzbar, denn der Karabag würde bei einem Stau bis zu 15 Stunden heizen, ohne dass die Restreichweite leiden müsste.

Kommentar Alexander Bloch

Nein, Sie werden jetzt von mir kein populistisches „Elektroautos bieten zu wenig Reichweite“ lesen. Im Gegenteil: Die kleinen Stromer besitzen zum Teil eine größere, als für einen Zweitwagen in der Stadt gebraucht wird. Und Batteriekapazität ist teuer. Da ist weniger mehr, wie der günstige Mia Electric beweist. Was auto motor und sport aber vehement fordert, ist Reichweiten-Sicherheit. Es kann nicht sein, dass im Prospekt eines Elektroautos 144 Kilometer stehen und es im Winter nur 64 werden. Bei einem neuen Akku, wohlgemerkt. Wer damit auf einer Stadtautobahn im winterlichen Megastau landet, kommt nicht nur nicht nach Hause, sondern dem wird es ohne Strom für die Heizung bald richtig kalt. Daher muss zusätzlich zur Reichweiten-Werksangabe bei optimalen Bedingungen auch eine verlässliche Angabe für den schwierigsten Fall her. Wie man diesen misst, hat auto motor und sport zusammen mit dem TÜV Süd gezeigt. Jetzt liegt es am Gesetzgeber, im Sinne der klaren Kundeninformation eine solche Kennzeichnung zwingend einzufordern. Wir werden sie überprüfen. 

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten