Die Einführung von E10 diene auch dazu, die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Die Grünen fordern hingegen ein vorläufiges Aus.
Sensorium für Stimmung in der Bevölkerung ist unterentwickelt
Scheitert E10, könnte die Quote im laufenden Jahr nach Ansicht von Experten kaum erfüllt werden - dann drohen Strafzahlungen, die die Benzinbranche als versteckte Steuererhöhungen auf die Spritpreise aufschlagen könnte. In der schwarz-gelben Koalition wächst der Unmut über Röttgens Krisenmanagement - so geht der für Dienstag einberufene "Benzin-Gipfel" auf die Initiative des für E10 (alle Fragen und Antworten zu E10) gar nicht zuständigen Wirtschaftsministers Rainer Brüderle (FDP) zurück. Das "Sensorium für Stimmungen und Sensibilitäten in der Bevölkerung" sei im Umweltministerium ausgesprochen unterentwickelt, sagte FDP-Fraktionsvize Patrick Döring der "Welt am Sonntag".
BMW: Motoren altern schneller
Unterdessen äußerte der Leiter der BMW-Mechanikentwicklung, Thomas Brüner, den Verdacht, dass Motoren durch E10 stärker als bisher bekannt in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. "Das Wasser kondensiert aus den Verbrennungsgasen und gelangt ins Öl, das dadurch verdünnt wird und schneller altert", sagte Brüner der Zeitung. Daher könne es sein, dass Ölwechselintervalle verkürzt werden müssten.
Daimler sieht keinen erhöhten Ölwechsel-Bedarf
Ein BMW-Sprecher betont am Sonntag, an der grundsätzlichen Einschätzung habe sich nichts geändert. "In allen BMW-Pkw Modellen sämtlicher Baujahre ist der unbedenkliche Einsatz von E10 Kraftstoffen möglich", heißt es in einem Informationsschreiben. Ein Daimler-Sprecher sagte, es gebe keine Erkenntnisse, dass Wagen des Stuttgarter Herstellers wegen des neuen Kraftstoffs häufiger zum Ölwechsel müssten oder andere Probleme hätten. 95 Prozent der Daimler-Autos, die jünger als 25 Jahre sind, schafften es "locker", mit dem E-10-Benzin klarzukommen.
Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Winfried Hermann (Grüne), sagte der "Welt am Sonntag", der geplante Benzin-Gipfel sei "eher ein Gipfel der Nachsorge, weil die Bundesregierung die vorsorgende Koordination vergessen hat". Hermann forderte ein Aus für das Biosprit-Projekt: Es müsse jetzt zunächst geklärt werden, welche Motoren den Sprit wirklich vertragen und worin der ökologische Nutzen bestehe. Der "Rheinpfalz am Sonntag" sagte Hermann, den Autofahrern sei die Verunsicherung nicht länger zuzumuten.
"Gau für die Bundesregierung"
Der Autofachmann Ferdinand Dudenhöffer sagte, wenn E10 scheitere, drohe Deutschland auch angesichts des Hinterherhinkens bei der Elektromobilität zum Schlusslicht in Sachen Umweltfreundlichkeit im Verkehr zu werden. Er sprach von einem drohenden "Gau für die Bundesregierung". Denn bereits 2009 sollte E10 in Deutschland angeboten werden. Kurz vor Ende der Vorbereitungen stoppte der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) die Einführung - auch damals gab es vor allem Verträglichkeitsbedenken.
Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) warf der Wirtschaft "gravierende Versäumnisse" vor. "Es kann nicht sein, dass die Autofahrer jetzt am Ende die Rechnung dafür bezahlen sollen, dass sich einzelne Konzerne aus der Verantwortung stehlen", sagte Aigner der "Rheinischen Post". Die Einführung von E10 dürfe nicht dazu genutzt werden, Spritpreise in die Höhe zu treiben.
ADAC gibt allen die Schuld
Auch der ADAC sieht die Schuld für das E10-Chaos bei der Mineralölwirtschaft. "Der Einführungsprozess von Super E10 verlief von Anfang an unglücklich. Dabei haben sich die Mineralölkonzerne wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert", sagte ADAC-Präsident Peter Meyer den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Sie hätten es versäumt, die Autofahrer umfassend über die Qualitäten des neuen Kraftstoffs zu informieren. Aber auch die Automobilhersteller hätten ihre Kunden nur halbherzig informiert, ob ihr Fahrzeug E10 vertrage oder nicht.
Der Verband der Mineralölwirtschaft wehrt sich unterdessen. Im Informationschaos um den Biosprit E10 verweist der Verband auf die Autobauer. "Wir sind nicht in der Lage, eine kompetente Auskunft zu geben", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Klaus Picard, am Montagmorgen im Bayerischen Rundfunk. Bei Problemen könnten deshalb nur die Hersteller haften. Die Mineralölwirtschaft sieht er in einer undankbaren Situation: "Wir müssen die Vorgaben der Politik gegen den Wunsch der breiten Bevölkerung umsetzen." Problematischer als der Informationsmangel sei die fehlende Akzeptanz von E10. Den ökologischen Nutzen des Biosprits nannte Picard "sicherlich gering".