Detroit Motor Show 2010: D wie Durchhalteparolen

Detroit Motor Show 2010
D wie Durchhalteparolen

Veröffentlicht am 17.01.2010

Die gute Nachricht vorweg: Es gab selbst von der gebeutelten US-Autoindustrie die eine oder andere Weltpremiere von Bedeutung, allen voran die nächste Generation des Ford Focus. Daneben Autos, die man nur auf Nordamerikas Straßen sehen wird, wie den Hyundai Equus (der dann noch einen anderen Namen erhält). Und nette Studien, wie den GMC Granite oder das Cadillac XTS Platinum Concept, eine Luxuslimousine, die langfristig die Baureihen DTS und STS der amerikanischen Premiummarke ersetzen soll.

Die Detroit Motor Show war für die Deutschen ein voller Erfolg

Die zweite gute Nachricht: Aus Sicht deutscher Hersteller war Detroit ein voller Erfolg. Denn sie dominierten mit ihren Exponaten die Messe, allen voran mit dem Audi e-Tron, dem BMW Z4sDrive35is und BMW Conecpt Active e, dem Mercedes E-Klasse Cabrio und der CLS-Designskulptur oder dem VW New Compact Coupe.
 
Erstmals auf der Messe vertreten ist der neue Chrysler-Großaktionär Fiat, der den 500 zwischen seinen Sportwagenmarken Maserati und Ferrari präsentiert. Und darstellt, wie er sich die Zukunft von Chrysler vorstellt: als Badge-Engineering von bestehenden Lancia-Modellen wie dem Delta.
 
Neu sind auch einige chinesische und koreanische Hersteller, die auf der "Electric Avenue" mit kleinen E-Wägelchen punkten wollen, die allerdings mehr den Charme von Golf-Carts haben.
 
Doch nun zur Liste der schlechten Nachrichten: Auch dieses Mal glänzen zahlreiche Automarken mit Abwesenheit: Porsche, Lamborghini, Nissan, Infiniti, Mitsubishi oder etwa Suzuki. Die Liste ist gefühlt länger als im Vorjahr. Das liegt auch daran, dass einige Marken im Krisenjahr 2009 schlichtweg beerdigt wurden, wie Saturn und Pontiac. Oder kurz davor stehen, eingestellt zu werden, wie Saab. Oder sie wurden an Chinesen verkauft, wie Hummer.

Hyundai findet in Detroit viel Beachtung

Ein weiterer Schlag für das US-Ego: Das renommierte B2B-Magazin Automotive News kürt den koreanischen Hersteller Hyundai zu einem der Stars der Show. Nicht nur, weil die Koreaner 2009 eine von drei Marken mit Absatzzuwächsen gewesen sind, sondern weil sie mit Kontinuität im Management und Qualität punkten. Hyundai wird sogar zur Titelstory im Wirtschaftsmagazin Fortune, das die Leistung der Koreaner würdigt, statt wie in der Vergangenheit die einheimische Industrie über den grünen Klee zu loben.
 
Wer einen strammen Schritt einlegt, kann die Detroit Motor Show in der betagten Cobo Hall in einer halben Stunde komplett ablaufen. Journalisten standen sich an den Pressetagen nicht im Weg. Wohl auch, weil viele Redaktionen aus Kostengründen keine oder weniger Mitarbeiter nach Detroit entsandt haben.

Viele Konzernchefs glänzten in Detroit durch Abwesenheit

Die Konzernchefs der großen Hersteller hielten sich stark im Hintergrund: VW-Chef Martin Winterkorn blieb gleich in der Heimat, ebenso wie BMW-Chef Norbert Reithofer und Toyota-Chef Akio Toyoda. Die Vertriebs- und Marketingchefs mussten reichen, um den Medienvertretern die Neuheiten zu präsentieren. Das war auf anderen großen Messen, wie zuletzt Tokio oder Schanghai, ganz anders.
 
Vor und nach den Pressekonferenzen wirken die Stände oft regelrecht verwaist. An manchen Countern, wie bei Mazda, sparen sich die Hersteller gar die Hostessen und legen das Pressematerial einfach offen aus.
 
Charme hat diese Messe nicht mehr. Das Land der großen Entertainer scheint immer noch in eine Schock-Starre zu liegen. Allein die Durchhalteparolen sind geblieben, die ewig gleichen Floskeln über world-class cars, great service, great people, great companies, die einer neuen, rosigen Zukunft entgegen eilen.

"Motown" ist heruntergekommen 

Die Tristesse zeigt sich auch außerhalb der Messehalle: In der Stadt selbst hat sich kaum etwas verändert. Abgesehen davon, dass noch mehr Menschen durch die Innenstadt irren, die in den USA einfach durchs soziale Netz gefallen sind. Man sieht Detroit an, dass die einstigen "Big 3" weiter Fabriken geschlossen und Mitarbeiter entlassen haben. "Motown" ist heruntergekommen. Neue Werke entstehen im Süden des Landes, in Alabama, Tenessee. Gebaut von Importeuren - aus Deutschland und Asien.
 
Die Autoindustrie muss sich fragen, ob Sie die Detroit Motor Show wirklich noch braucht. Ob DIE amerikanische Leitmesse nicht in Los Angeles etabliert werden sollte - obwohl das die einstigen "Big Three" - GM, Ford und Chrysler - sicher zu verhindern suchen wollten, denn ihr Stammsitz ist in Michigan. Und Kalifornien ist die Hochburg der Importeure. Eines ist aber klar: Die Branche braucht sicher nicht jeweils eine Show in Detroit im Januar, in New York im April und Los Angeles im Dezember. Vielleicht sollten die USA dem Vorbild Chinas, des inzwischen größten Automarktes der Welt, folgen - und jährlich wechselnd nach Los Angeles oder Detroit laden, so wie China es mit Shanghai und Peking betreibt. Denn eine große US-Messe pro Jahr ist in Zeiten knapper Budgets bei weitem genug.