Crossover mit Allrad: Darf es auch etwas weniger sein?

Crossover Marktübersicht
Darf es auch etwas weniger sein?

Veröffentlicht am 21.04.2011

Nicht Fisch, nicht Fleisch – es fällt zunächst schwer, die Fahrzeugart der „Crossover“ einzuordnen. Sie sind weder Geländewagen noch reiner Pkw, doch selbst für den neumodischen Begriff SUV, mit dem in Deutschland straßenlastige Offroader wie der Toyota RAV4 belegt werden, fehlen einige Merkmale. Am ehesten begreift man die gar nicht so neue Gattung der Crossover, wenn man in deren Historie zurück blickt.
 
Als der erste Vertreter dieser Gattung dürfte der AMC Eagle aus dem Jahr 1980 gelten. Der damalige Mutterkonzern der legendären Marke Jeep, die American Motors Corporation, kreuzte für den Eagle die Technik eines Jeep CJ (Vorgänger des heutigen Jeep Wrangler) mit der Karosserie eines Straßen-Pkw. Der Crossover war geboren. Doch im AMC Eagle steckte noch viel handfeste Geländewagentechnik, die in heutigen Crossover-Modellen nicht mehr vorkommt.

Audi und Subaru waren die Crossover-Pioniere

In der Neuzeit wurde diese Modellgattung vor allem von den Allrad-Pionieren Audi und Subaru vorangetrieben. Die Japaner stellten mit dem Outback 1995 ein erstes derartiges Modell vor, das als Vorbild für die ganze Branche gilt. Der Outback basierte und basiert auf dem Subaru-Spitzenmodell, dem Mittelklasse-Kombi Legacy. Diesem voraus hatte er in der Urversion ein höhergelegtes Schlechtwege-Fahrwerk mit bis zu 20 Zentimeter Bodenfreiheit sowie die Kunststoff-Beplankung an Seiten, Front und Heck, die ihn als Abenteurer auswiesen.

Ein ähnliches Konzept, mit deutscher Gründlichkeit verfeinert, zeigte Audi vier Jahre später mit dem Allroad. Wie der Subaru Outback baute auch der Allroad auf einem Allrad-Kombi-Pkw, dem Audi A6 quattro, auf. Und wie dieser verfügte er nach außen sichtbar über eine auffällige Kunststoff-Beplankung, die ihn von seinen artigen Straßenbrüdern unterschied. Audi ging allerdings weiter: mit einer Luftfederung ließ sich die Fahrwerkshöhe individuell einstellen, für den Geländeberieb sogar auf eine ansehnliche Bodenfreiheit hochpumpen. Selbst ein Untersetzungsgetriebe fürs Gelände gehörte zu den Optionen.

Verschwommene Grenzen zwischen den Fahrzeugklassen

Heute sind die Grenzen weiter verschwommen. Aus Allroad und Outback wurden eigenständige Ausstattungslinien der Serienmodelle, die nur noch Eingeweihte als Sonderversion erkennen. Die ehemals rustikale Hemdsärmeligkeit des Auftritts wich der in dieser Klasse heute üblichen Eleganz.

Und auch das Angebot ist generell deutlich vielschichtiger geworden. Von kompakten Fahrzeugen wie dem Fiat Sedici bis hin zum ausgewachsenen Crossover-Van Seat Altea Freetrack reicht heute die Bandbreite. Dieses weitgefächerte Angebot erlaubt inzwischen einen intensiveren Blick auf die eigenen Bedürfnisse. Vor wenigen Jahren noch hatte man nur die Auswahl zwischen allradgetriebenem Pkw oder rustikalem Geländegänger.

Diese begrenzten Optionen wurden schon durch den Siegeszug der  SUV erheblich erweitert. Doch selbst diese Fahrzeuggattung ist manchem zu speziell: nicht jeder braucht einen Sitzplatz im Hochparterre oder möchte im überwiegend auf der Straße stattfindenden Alltag die Mehrkosten für ein SUV tragen. Denn bei Versicherungseinstufung und Verbrauch liegen diese meist über normalen Pkw, auch die Hersteller lassen sich die aktuelle SUV-Mode mit beträchtlichen Aufpreisen gegenüber den gängigen Pkw-Modellen vergolden.

Welcher Crossover reicht für den Alltag?

Wichtig für die Kaufentscheidung ist natürlich der Blick auf die eigenen Ansprüche. Denn wenn maximal landwirtschaftliche Pfade oder Forstwege befahren werden, benötigt man kaum einen Spezialisten mit Differentialsperren und Gelände-Untersetzungsgetriebe.

Dazu ist auch eine tiefergehende Berachtung hilfreich, was im Geländeeinsatz wirklich nötig und was entbehrlich ist. Denn oftmals wird ein möglichst starker Motor oder Achs-Differentialsperren für das Nonplusultra im Offroad-Einsatz gehalten. Das muss jedoch nicht automatisch auf alle Situationen im zutreffen. Im Gegenteil: solcherart hochspezialisierte Fahrzeuge wie ein Mercedes G kommen im schweren Gelände natürlich erheblich weiter, sind aber, nüchtern betrachtet, für viele Käufer „overdressed“ – schließlich fährt auch kaum jemand mit einem Sattelschlepper zum Wochenend-Einkauf.

Was macht eigentlich die Geländetauglichkeit aus?

Zu allererst ist für den Einsatz abseits befestigter Straßen natürlich der Allradantrieb der entscheidende Aspekt. Doch bereits an zweiter Stelle für den Unterschied zwischen Weiterfahrt oder stecken bleiben steht ein Kriterium, das oft außer Acht gelassen wird: das Fahrzeuggewicht. Je leichter ein Allradler ist, desto besser lässt er sich in Standard-Situationen im Gelände bewegen. Ein perfektes Beispiel hierfür ist eine nasse, abschüssige Wiese. Ein über zwei Tonenn schwerer Geländewagen wird sich hier leicht festfahren oder zumindest mit erheblichen Flurschäden seine Bahn „fräsen“. Ein leichter Allrad-Pkw hingegen bringt weniger Bodendruck auf die Reifen und „schwebt“ förmlich über den weichen Untergrund, vorausschauende Fahrweise natürlich vorausgesetzt.

Das dritte wesentliche Kriterium für die Geländetauglichkeit ist die verfügbare Bodenfreiheit. Die ist nicht zu verwechseln mit der Bauchfreiheit unter dem Wagen, wichtig für das überqueren steiler und spitzer Kuppen. Mit der Bodenfreiheit wird der tiefste Punkt am Wagen angegeben, relevant für das überqueren von größeren Steinen oder tief ausgefahrenen Waldwegen. Hier sind Geländewagen oftmals gar nicht so üppig ausgestattet, wie man das von außen annehmen möchte. So beträgt die Bodenfreiheit bei dem oft als Referenz benutzten Mercedes G lediglich 205 Millimeter (unter dem Achsdifferential), bei modernen SUV wie dem Kia Sorento liegt sie bei lediglich 180 Millimetern. Das verdeutlicht, dass die Grundvoraussetzungen für gutes Vorankommen bei Crossover-Modellen gar nicht einmal so schlecht sind. Mit etwas Fahrgeschick lassen sich sogar gröbere Hindernisse problemlos bewältigen – etwa indem man tiefere Furchen schräg statt auf direktem Weg durchfährt oder auf von Forstgeräten tief ausgefahrenen Waldwegen versucht, mit zwei Rädern auf dem Mittelstück zu fahren.

Bei Crossover-Allradlern hilft die moderne Elektronik

Zu Hilfe kommt einem dabei auch die moderne Elektronik. Denn das in heutigen Pkw integrierte Anti-Schleuder-System ESP bringt quasi als Abfallprodukt eine sehr praktische Geländehilfe mit sich: die Traktionskontrolle. Dabei wird die Eigenheit eines Getriebedifferentials genutzt, Vortriebskraft stets an die Seite zu liefern, die den geringsten Widerstand liefert. In der Praxis wird ein durchdrehendes Rad von der Fahrzeugelektronik abgebremst, wodurch die Antriebskraft auf das andere Rad übertragen wird, das gerade den besseren Bodenkontakt zu bieten hat. Auf diese Weise lassen sich echte Achsdifferentialsperren „simulieren“. Bei überlegter Fahrweise, das haben wir auch in entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen bei Tests bereits nachgewiesen, kommt man im Gelände mit der Traktionskontrolle sehr weit. Ein Nachteil dieser Technik ist im sporadischen Einsatz eher unerheblich: bei lang anhaltendem Einsatz über weitere Strecken kann die Traktionskontrolle dazu führen, dass die Bremsen überhitzen. 
 
In unserer Fotoshow haben wir die aktuellen Crossover-Modelle des deutschen Markts übersichtlich zusammengefasst. Dabei haben wir uns betont auf Crossover mit Allradantrieb beschränkt. Modelle wie der Volkswagen Cross-Polo, die zwar mit modischer SUV-Optik punkten, aber ansonsten auf die identische Technik des frontgetriebenen Basismodells setzen, bringen abseits der Straße keinen Gewinn.