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Bosch löst NOx-Problem
Stickoxid-Revolution für sauberen Diesel

Bosch verspricht mit einer neuen Systematik bei der Abgasbehandlung, die für 2020 angekündigten Stickoxid-Grenzwerte um den Faktor 10 zu unterbieten – ohne teure neue Technik, mit vorhandenen Komponenten, ab sofort verfügbar.

Bosch Dieseltechnik Stickoxid-Reduktion RDE-Test
Foto: Bosch

Auf dem 39. Wiener Motorensymposium hat Bosch einen neuen Ansatz präsentiert, um mit bereits heute verfügbarer Technik die künftigen Grenzwerte zu Stickoxid-Emissionen drastisch zu unterbieten. Für Bosch steht dabei viel auf dem Spiel, die Dieselmotorenentwicklung ist ein enorm wichtiger Bestandteil des Unternehmens.

Im Fokus des Entwicklungsteams stand aus nachvollziehbaren Gründen der Einsatz am Heimatstandort Stuttgart. Das Stuttgarter Neckartor ist inzwischen bundesweit zum Synonym für die Schadstoffbelastung in Innenstädten geworden. Entsprechend fanden auch hier die Mess- und Abstimmfahrten mit der neuen Technik statt.

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Bosch will Diesel-Debatte beenden

Hierzu machte Bosch-Chef Dr. Volkmar Denner am Vortag des Motorensymposiums anlässlich der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens eine kämpferische Ansage: „Heute wollen wir die Debatte um das Ende des Diesels endgültig ad acta legen.“ Tatsächlich verspricht Bosch eine Revolution bei den NOx-Werten: Bereits heute ließen sich die für 2020 gültigen Grenzwerte extrem unterbieten. Aktuell liegt der Grenzwert bei 168 mg NOx/km, ab 2020 bei 120 mg. Bosch will im genormten RDE-Testzyklus ein Ergebnis von 13 mg erreichen können.

Grundvoraussetzung für eine massive Reduzierung der Stickoxidwerte ist ein SCR-Kat – an dem geht für künftige Dieselmotoren in Europa kein Weg mehr vorbei. Speziell für die NOx-Emissionen in Innenstädten müssen neue Lösungen her. In Prüfstands- und Fahrtests hatten die Entwickler ermittelt, woran die derzeitigen Systeme „kranken“ – es ist in erster Linie die zu geringe Abgastemperatur im städtischen Fahrbetrieb.

Für eine optimale Stickoxid-Reduktion in der Abgasnachbehandlung sind Abgastemperaturen von wenigstens 200 Grad nötig. Gerade im Stadtverkehr bei Stau, Wartephasen an der Ampel oder langsamer Kolonnenfahrt werden diese Temperaturen oft nicht erreicht. Ziel der Entwicklung war es deshalb, die Abgastemperaturen vor allem im Teillastbereich zu erhöhen.

Mit Einzelmaßnahmen zur massiven Stickoxid-Reduktion

Eine der Maßnahmen ist ein zusätzliches Wastegate am Turbolader, mit dem Temperaturverluste des Abgases im Lader bei Teillast vermieden werden sollen. Ebenfalls unabdingbar ist eine variable Ventilsteuerung des Dieselmotors, um die Einspritzung und den Verbrennungsverlauf entsprechend zu beeinflussen. Einen weiteren Ansatzpunkt fanden die Entwickler in einer geänderten Zusammensetzung des SCR-Katalysators sowie in einer möglichen zweiten Einspritzung von Harnstoff in der Abgasanlage bei einem Unterboden-SCR-Kat.

In Summe erreichte Bosch bereits heute mit der modifizierten Technik selbst unter widrigsten Einsatzbedingungen, die deutlich außerhalb des RDE-Prüfzyklus lagen, eine NOx-Emission von unter 80mg/km im Versuchsträger, einem Golf mit den folgenden Eckdaten:

  • Hubraum ca. 1.7 l
  • Leistung / Drehmoment 110 kW / 340 Nm
  • Einspritzsystem mit Systemdruck 2200 bar (Magnetventile), Digital Rate Shaping
  • RDE-optimierter Abgasturbolader
  • Verminderung von NOx-Spitzen durch Eingriffe in Luft- und Kraftstoffpfad
  • Kennfeldoptimierung auf günstigen Kraftstoffverbrauch bei moderat niedrigen NOx-Rohemissionen ab Motor
  • Temperaturmanagement des Abgasnachbehandlungssystems
  • Verschiedene Layouts des Abgasnachbehandlungssystems, ein DOC-SCR-System (Diesel Oxidation Catalyst – Selective Catalytic Reduction) und ein kombiniertes NSC-SCR-System (NOx Storage Catalyst)

Neue Dieseltechnik ab sofort verfügbar

Durch diese Maßnahmen verspricht Bosch einen nahezu kostenneutralen Ansatz, Dieselmodelle sollen nicht teurer werden. Eine relativ klare Absage gab es auf dem Motorensymposium in Wien hingegen für die elektrische Zusatzbeheizung des SCR-Kats. Wie Dr.-Ing. Andreas Kufferath, Bereichsleiter der Antriebsstrang-Entwicklung bei Bosch, während seines Vortrags ausführte, stehen dieser Technik entsprechende Mehrverbräuche entgegen. Schließlich müsse der hohe Energiebedarf der elektrischen Heizung im Rahmen eines Hybridsystems von einer E-Maschine erzeugt werden, diese Energie stehe folgerichtig nicht für den elektrischen Antrieb des Fahrzeugs zur Verfügung. Zudem setze diese Technik nicht auf die sinnvollere Abgasverbesserung direkt ab Motor. Ein elektrischer 2kW-Zuheizer im SCR-Kat würde nach Berechnungen von Bosch zu einem rund 18 Prozent höheren Verbrauch führen.

Im Gegensatz dazu soll die neue Bosch-Entwicklung verbrauchsneutral funktionieren. Zwar stiegen im Niedriglastbereich die Verbrauchswerte um rund fünf Prozent, im Gesamtzyklus blieben die Verbrauchswerte jedoch auf nahezu unverändertem Niveau. Den AdBlue-Verbrauch bei Einsatz des neuen Bosch-Systems veranschlagen die Techniker mit 1 bis 1,5 Liter auf 1.000 km.

Auch Kufferath brach im Rahmen seiner Präsentation in Wien eine Lanze für den Diesel und kritisierte gleichzeitig die in seinen Augen oft faktenferne Debatte in der Öffentlichkeit: „Bei allen Diskussionen rund um das Thema Luftqualität und Schadstoffbelastung, die zuletzt auch in der Öffentlichkeit heftig und teilweise ohne ausreichende Kenntnis der Fakten geführt wurde, darf nicht vergessen werden, dass Deutschland seine Ziele beim Klimaschutz ohne den Dieselmotor in puncto CO2-Emissionen bzw. Ausstoß klimaschädlicher Gase nur schwer erreichen wird.“

Eine echte Ansage gab es zur Serienreife der neuen Technik: Diese stehe allen Kunden sofort zur Verfügung und könne unmittelbar in die Serienfertigung einfließen.

Kommentar:

Nach einer zunehmend schrillen, aber immer seltener faktenbasierten öffentlichen Debatte um den Diesel kommt Bosch mit der Ankündigung der neuen Technik gerade noch rechtzeitig. Um den auch in vielen Medien teilweise erschreckend sachkenntnisfrei geführten Diskurs in der breiten Öffentlichkeit wieder zu mehr Sachlichkeit und Besonnenheit zu bringen, sind spektakuläre Ankündigungen wie diese von herausragender Bedeutung: Künftige Grenzwerte um den Faktor zehn zu unterbieten ist ein Statement, mit dem man argumentieren kann und muss. Denn der Dieselmotor ist in vielen Anwendungen auch in Zukunft unverzichtbar. Weil er effizienter und nun wohl auch endlich richtig sauber arbeitet. In einem Szenario vieler verschiedener Antriebsarten muss und wird der Selbstzünder weiter eine Rolle spielen. Die von Bosch vorgestellten Entwicklungsergebnisse fließen bereits jetzt in die Entwicklung neuer Motoren ein. Nach dem weltweiten Skandal um illegale Abschalteinrichtungen in Diesel-Abgassystemen, an dem auch Bosch wohl nicht ganz unbeteiligt war, schließt sich hier ein Kreis.

Torsten Seibt

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