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BMW-Produktionschef Arndt im Interview
"Wir werden weiter wachsen“

BMW-Produktionsvorstand Frank-Peter Arndt verantwortet dieses Jahr den Anlauf von 14 neuen Modellen und Varianten. Daneben weitet der Konzern seine Fertigungskapazitäten in China und in den USA massiv aus. Und bereitet sich auf die Produktion des Megacity-Vehicles in Leipzig vor. Welche weiteren Herausforderungen mittelfristig anstehen, erklärt Arndt im Interview mit auto motor und sport-Redakteur Harald Hamprecht.

"Wir werden weiter wachsen“
Foto: BMW

Herr Arndt, was sehen Sie derzeit als große Herausforderung?
Arndt: Wir haben 2010 eine hohe Dichte an produktionstechnischen Anläufen vor uns: 14 Modelle beziehungsweise Karosserie- und Motorvarianten werden dieses Jahr von unseren Bändern laufen.

Welche?
Arndt: Zum Beispiel der neue BMW 5er als Limousine, Touring und in China als Langversion. Der überarbeitete BMW 3er als Cabrio und Coupé, der BMW 7er Active Hybrid, der X3-Nachfolger, der Mini Countryman und die Lebenszyklus-Impulse für die Mini-Modelle. Neben dieser Multi-Projektsituation werden wir die Produktion in China und USA ausweiten.

Steigt der Absatz?
Arndt: Unseren Absatz wollen wir dieses Jahr im hohen einstelligen Prozentbereich steigern. 2009 lagen wir bei 1,286 Millionen Einheiten. Und schon 2012 wollen wir 1,6 Millionen Fahrzeuge der Marken BMW, Mini und Rolls-Royce verkaufen. Deswegen weiten wir unsere Produktionskapazitäten aus.

Wo und wie?
Arndt: In unserem Werk in USA in Spartanburg, wo wir 1992 den Grundstein gelegt haben. Hier wird die Fertigungskapazität in den nächsten Jahren von rund 160.000 auf bis zu 240.000 Einheiten gesteigert. Zunächst werden wir im Zuge des Anlaufs des neuen BMW X3 aber erst mal 200.000 Einheiten installieren. Damit erhalten wir uns die notwendige Flexibilität, wenn es der Markt erfordert. Ähnlich aktiv sind wir in China.

Nennen Sie uns Details zu China?
Arndt: In unserem Joint Venture BMW Brilliance Automotive Werk in Shenyang wird die Kapazität ebenfalls zunächst von rund 41.000 auf über 75.000 Einheiten in 2010 gesteigert. Ab 2012 kommt ein zweites Werk in derselben Region dazu, das zuerst einmal mit bis zu 50.000 Einheiten startet. Wir haben aber dank ausreichender Fläche die Option, diese Kapazität nochmals massiv zu erhöhen. Damit kommen wir in China schnell auf eine Kapazität von deutlich über 100.000 Fahrzeugen, falls die Nachfrage es verlangt. Und langfristig ist auf der Fläche sogar eine Produktion bis zu 300.000 Fahrzeuge möglich. Wir planen sehr vorausschauend.

Wird es weitere Kapazitätsausbauten geben?
Arndt: Nein, allein dank der Erweiterungen in den USA und China steigern wir unsere Fertigungskapazität ausreichend für das angestrebte Wachstum in 2010. Wir sind damit gut aufgestellt.

Ist das Ende der weltweiten Absatzkrise denn schon erreicht?
Arndt: Seriös kann und sollte das heute noch keiner behaupten. Wir sind aber zuversichtlich für 2010 und freuen uns schon seit Februar der einzige Premiumhersteller zu sein, der keine Kurzarbeit mehr fährt. Unsere Mitarbeiter sind in Vollbeschäftigung. Und wir sehen heute keinen Grund, dass sich das ändern sollte.
 
Wie haben Sie es geschafft, der Krise so effizient zu begegnen?
Arndt: Wir haben als erster Hersteller schon 2008 massiv die Produktion auf die Marktnachfrage hin sofort reduziert. Das kann in der Branche keiner so effizient wie wir, denn unserer Strukturen sind auf Flexibilität und Wandlungsfähigkeit hin ausgelegt. 2009 drosselten wir unsere Fertigung im ersten Halbjahr um durchschnittlich 30 Prozent, im zweiten Halbjahr lagen wir dann fast wieder auf dem Niveau des Vorjahres. Im Schnitt lag unsere Produktion 2009 um 15 Prozent niedriger als im Jahr 2008, damit verringerten wir unser Working Capital signifikant. Ein Lageraufbau fand nicht statt. Unsere Produkte müssen hierdurch nicht mit Rabatten in den Markt gedrückt werden. Allerdings sind relative Prozentaussagen nicht ausreichend, um die Situation in einzelnen Werken in 2009 zu beschreiben: In unserem Werk Leipzig fuhren wir beispielsweise 2009 im Herbst Tagesproduktionen in Rekordhöhe. In Spartanburg benötigten wir sogar Sonderschichten für den X5 und X6, die sich nicht zuletzt in China einer außerordentlich guten Nachfrage erfreuen.

Wie entwickelt sich die Auslastung in ihrem Produktionsnetzwerk?
Arndt: Im sehr volumenstarken Jahr 2007 lagen wir bei 106 Prozent, 2008 bei 98 Prozent, vergangenes Jahr dann bei immer noch guten 86 Prozent im schwierigen Marktumfeld. Ich kenne keinen direkten Wettbewerber, der seine Produktion so gezielt steuert und nach dem Markt anpassen kann wie wir. Ich kann Ihnen aber sagen, 2009 war für mich bis dato das herausforderndste Jahr seit meiner Berufung zum Produktionsvorstand. Dieses Jahr wollen wir in der Auslastung des Produktionsnetzwerks auf jeden Fall wieder deutlich über 90 Prozent rangieren.

In der Vergangenheit beschäftigten Sie rund 75 Prozent Ihrer Belegschaft in Deutschland, wo Sie aber nur 25 bis 30 Prozent Ihres weltweiten Absatzes bestreiten. Wie hat sich diese Relation verändert?
Arndt: Auch heute arbeiten fast 75 Prozent der rund 96.000 BMW Group-Mitarbeiter im Inland. Das liegt unter anderem daran, weil wir hier in Deutschland unsere Zentralfunktionen, wie die Entwicklung, Verwaltung, wesentliche Einkaufsfunktionen gebündelt haben. Hinzu kommen zentrale Vertriebs- und  Marketingumfänge, inklusive der Handelsumfänge wie unsere Niederlassungen. Deutschland ist und bleibt also das Rückgrat von BMW. Parallel folgen wir aber im internationalen Geschäft unserer Philosophie, dass Produktion auch vor Ort in wichtigen Märkten stattfinden muss. Das ist schlichtweg für die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens im globalen Markt nötig. Deswegen hat sich die Relation "Produktion Inland zu Produktion Ausland" in den letzten Jahren tendenziell von 70:30 hin zu 60:40 entwickelt.

Wie wird sich Ihre Belegschaftsgröße 2010 entwickeln?
Arndt: Wir wollen in Absatz und damit auch in der Produktion dieses Jahr wachsen. Angestrebt ist ein hoher einstelliger Wert. Die Stammbelegschaft wird hierfür in Summe aber nicht wachsen. So prüfen wir zum Beispiel bei jedem altersbedingten Austritt individuell, ob eine Nachbesetzung tatsächlich erforderlich ist.
 
Wie entwickelt sich die Zahl Ihrer Zeitarbeitskräfte?
Arndt: Wir haben die Zeitarbeitskräfte in 2009 auf Grund der bekannten schwierigen Marktbedingungen stark zurückgeführt. Durch die erfreulichen Absatzzahlen der letzten Monate, gepaart mit unserer Modelloffensive, wie aktuell dem neuen BMW 5er, freuen wir uns wieder, Zeitarbeitskräften eine Beschäftigung anbieten zu können. Die Anzahl ist je nach Standort und Monatsplanung, bedingt durch die jeweiligen Marktnachfragen, höchst unterschiedlich. Eine Zahlenaussage zu machen ist deswegen nicht sinnvoll, aber ich möchte betonen, dass die Zeitarbeit ein wichtiger Baustein für die Flexibilität von Unternehmen war und ist. Das gilt gerade auch in einer Zeit mit großen Schwankungen am Markt.  

Ihr Megacity-Vehicle - kurz MCV - werden Sie ab Mitte 2013 in Leipzig produzieren. Warum?
Arndt: Unser Plan ist es ein Megacity-Vehicle vor 2015 anzubieten. Wir haben uns für das Werk in Leipzig entschieden. Es bietet hervorragende Voraussetzungen für den Bau des MCV: neben den flexiblen Fertigungsstrukturen, gut ausgebildeten Mitarbeitern, ausreichend Flächen, ist Leipzig außerdem schon heute unser Kompetenzzentrum für die so genannte "untere beziehungsweise kleine Fahrzeugklasse". Außerdem ist Leipzig unser jüngstes und modernstes Werk. Ein Werk in Deutschland bietet auch den Vorteil der Nähe zum Forschungs- und Innovationszentrum in München.

Wird das ein neues Werk neben dem bestehenden Werk - oder können Sie das MCV einfach in die bestehende Fertigung integrieren?
Arndt: Es wird ein "sowohl als auch" sein. Teile sind integrierbar, manches ist neu aufzubauen, denn für innovative Technologien werden zusätzliche Anlagen und Gebäude benötigt. CFK-Komponenten werden aus unserem Standort in Landshut zugeliefert. Die Fasergelege kommen aus Wackersdorf, dort hergestellt in einem Joint Venture mit unserem Partner SGL Carbon. Das MCV wird nicht 1:1 im konventionellen Fahrzeugbau gefertigt werden. Zum Beispiel werden für CFK-Komponenten andere Fügeverfahren verwendet als im klassischen Karosseriebau, wo Punktschweißen oder Lasertechnik eingesetzt werden.

Das wird ein sehr teures MCV, wenn es teure Innovationen wie einen Elektroantrieb und Carbon-Komponenten bekommt.
Arndt: Über den Antrieb werden Sie heute keine Einzelheiten von mir erfahren. Aber bei der Nutzung von CFK möchte ich betonen, dass wir in unserem Werk Landshut seit vielen Jahren einzigartiges Know-how aufgebaut haben, um mit hoher Automation diese Teile herstellen zu können. Darüber hinaus erfordert dieser innovative Werksstoff andere Konstruktionsprinzipien. Wenn man diese beiden Seiten so wie wir beherrscht, wird das Kostenthema kalkulierbar.

Wann kommunizieren Sie endlich den Namen für Ihr project i, das MCV?
Arndt: Dann, wenn eine Namensentscheidung getroffen wurde. Das ist aber noch nicht der Fall. Jedenfalls wollen wir das innovative Fahrzeug für die Metropolen der Zukunft unter einer BMW Subbrand firmieren, vergleichbar mit BMW M, die heute für besonders sportliche Fahrzeuge unseres Hauses steht.

Wie entwickelt sich die Marke Mini?
Arndt: Wir sind zufrieden. Die Kapazität im Werk Oxford erfreut sich hoher Auslastung. Der Standort kann durchaus bei entsprechender Nachfrage Größenordnungen von rund 220.000 bauen. Mit dem Mini Countryman werden wir weiter wachsen.

Wobei der Countryman ja komplett beim Auftragsfertiger Magna läuft. Brauchen Sie solche Partner überhaupt noch - angesichts der wachsenden Flexibilität in ihren eigenen Werken?
Arndt: Ja, ich bin sehr froh, dass es Auftragsfertiger wie Magna gibt. Denn für mich sind sie ein zusätzliches Flexibilitätsinstrument. Und: Magna hat solide und leistungsfähige Strukturen, die den Bau von Fahrzeugen nach unseren Standards ermöglichen. Außerdem können wir auf strukturelle Investitionen verzichten, die nötig wären, um den Mini Countryman im eigenen Netzwerk zu integrieren. Hinzu kommt, dass mit unserem Partner eine schnellere Time-To-Market möglich war.

Ihre Zusammenarbeit mit PSA wollen Sie vertiefen. Betrifft das auch die Fertigung?
Arndt: Wir arbeiten mit PSA im Motorenbereich gut zusammen. Ob es zukünftig weitere Felder einer Kooperation geben wird, kann ich Ihnen heute noch nicht beantworten.

Wie bewerten Sie die Qualitätsprobleme von Toyota und Lexus?
Arndt: So eine Bewertung steht uns nicht zu. Häme ist aber auf keinen Fall angebracht, denn Rückrufe können bei einem komplexen Gut, wie dem Automobil, jedem Hersteller passieren.

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