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Bilster Berg - Rennstrecke in Deutschland
Neues Drive Resort im Teutoburger Wald

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Der neue, 4,2 Kilometer lange Rundkurs Bilster Berg zeigt analog zum Eifelkurs den typischen Charakter einer anspruchsvollen Naturstrecke – und das mitten im Teutoburger Wald. Die Streckenstücke heißen nicht – wie auf der Nürburgring-Nordschleife – Hohe Acht, Brünnchen oder Wehrseifen, sondern Hermannsschneise, Telegrafenbogen und Driburger Lichtung.

Bilster Berg-Rennstrecken
Foto: Rennstrecke Bilster Berg

Das neue Goodwood in Deutschland

Angesichts der extremen Schwierigkeiten, einen bestehenden Bahnhof unter die Erde zu verlegen – siehe Stuttgart 21 – mutet das Projekt von Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff geradezu aberwitzig an: Ein neues Drive Resort à la Goodwood in England oder Ascari in Spanien aus dem Boden zu stampfen, und zwar mitten im Teutoburger Wald, dieses vermeintlich dunklen Tanns im Osten von Nordrhein-Westfalen, in dem schon der römische Feldherr Varus im Jahr neun nach Christus eine schmähliche Schlappe gegen die wilde Truppe des örtlichen Stammesfürsten Hermann des Cheruskers einstecken musste.

Unsere Highlights

„Aber“, so der 50-jährige Initiator und Familien-Unternehmer mit Stammsitz im beschaulichen Bad Driburg, „die Gegenwehr war überschaubar.“ So hat es seit den ersten Projektgesprächen keine sechs Jahre gedauert, bis der Weg durch die Instanzen von Gemeinde, Stadt, Land und Bund freigekämpft war und der erste Spatenstich erfolgen konnte. Der Stand heute: Die Planungen sind beendet, die Prüfverfahren abgeschlossen, die Genehmigung erteilt und die Erdarbeiten bereits in vollem Gange.

Die Fertigstellung des Bilster Berg Drive Resorts, dessen Herzstück ein 4,2 Kilometer langer, selektiver Natur-Rundkurs ist – übrigens der erste in den alten Bundesländern seit 1932 (Hockenheim) und der erste in Nordrhein-Westfalen überhaupt -, ist für Mitte 2012 terminiert. „Wir haben das einmalige Glück“, so der im historischen Motorsport engagierte Hotelbesitzer und Manager von vier Rehabilitationskliniken und zwei Mineralbrunnen, „den Zugriff auf ein abgeschieden gelegenes, 84 Hektar großes, ehemaliges NATO-Gelände unter Bedingungen bekommen zu haben, die man nicht ausschlagen konnte.“

Die Tatsache, dass die an das Resort angrenzenden ausgedehnten Waldgebiete gleichfalls der forstwirtschaftlichen Verwaltung des umtriebigen Grafen obliegen, ist dem honorigen Anliegen förderlich, das der Initiator so beschreibt: „Deutschland gilt nach wie vor als die führende Automobil-Nation, sowohl was Forschung und Entwicklung angeht als auch bezogen auf die Identifikation der Kunden mit ihrem Fahrzeug. Um diesen Status aufrecht zu erhalten oder – besser noch – ausbauen zu können, werden entsprechende Testgelände in möglichst zentraler Lage und passendem Umfeld benötigt.“

Hermann Tilke hat den Kurs entworfen

Das Layout des Kurses stammt aus der Hand des bekannten Streckenplaners Hermann Tilke aus Aachen. Der schmunzelt: „Trotz meiner Beteiligung an der Konzeption des Bilster Berg Drive Resorts geht der Streckenabschnitt “Hermannsschneise„ eindeutig auf Hermann den Cherusker und dessen nahe gelegenes Denkmal und nicht auf mich zurück“ – und fügt hinzu: „Die Strecke zeigt auf 4,2 Kilometer Länge und bei einem Höhenunterschied von 70 Metern pure Faszination mit bis zu 26 Prozent Gefälle und 20 Prozent Steigung – und fasst bis zu 45 Fahrzeuge gleichzeitig.“

Neben Rennstrecken-Architekt Tilke ist es kein Geringerer als Walter Röhrl, der dem automobilen Country Club im Teutoburger Wald seinen Stempel aufgedrückt hat. Wer ihn kennt, weiß, dass er kein Freund steriler Mickey-Mouse-Kurse ist. Der ohnehin ausgeprägte Berg-und-Tal-Charakter wurde auf sein Betreiben hin nachträglich noch etwas verschärft. Entsprechend anspruchsvoll wird es auf dem Naturkurs zur Sache gehen. Röhrl: „Das Streckenlayout mit seinen diversen möglichen Ideallinien und der extreme Höhenunterschied fordern den Fahrer richtig heraus – ähnlich wie auf der Nordschleife, nur unter sichereren Bedingungen.“ Der Ex- Weltmeister ist überzeugt: „Diese Strecke kann es mit den großen Naturkursen Nordschleife, Spa-Francorchamps, Elkart Lake und Bathurst aufnehmen.“

Ein öffentliches Aufbegehren wie nach dem Umbau des Nürburgrings steht beim Projekt Bilster Berg Drive Resort aus mehrerlei Gründen nicht zu befürchten: Bei der Finanzierung ist auf öffentliche Mittel verzichtet worden. Das Gesamtvolumen von 34 Millionen Euro rekrutiert sich in weiten Teilen aus dem Eigenkapital privater Investoren. Nur vier Millionen Euro sind Fremdkapital, das aber laut Geschäftsführer Hans-Jürgen von Glasenapp bis 2015 vollständig zurückgeführt wird. Die Zustimmung der Öffentlichkeit ist laut Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff das Ergebnis einer absolut transparent gemachten und auf die Umwelt in allen Belangen Rücksicht nehmenden Planungsarbeit: „Die Anzahl der Bäume, die für die Strecken und die zusätzlichen Bauten fallen mussten, ist durch Aufforstungen im direkten Umfeld kompensiert worden.“

Im Stil traditioneller englischer Clubsport-Anlagen

Die 30 massiven, je rund 600 m² großen, freitragenden Hallen – ehemalige Munitions- und Gerätelager der vor Jahren abgezogenen britischen Armee – bilden das solide bauliche Rückgrat der Anlage. Sie werden laut Hochbau-Architekt Andreas Middendorf, gleichfalls ausgewiesener Rennsport-Experte, optisch behutsam dem neuen Zweck und der bestehenden Umgebung angepasst. Und zwar „im Stil traditioneller englischer Clubsport-Anlagen.“

Bilster Berg mit Teststreckenzentrum und Boxengasse

Ein gestalterisches Glanzlicht soll indes das neue Teststreckenzentrum am Ende der oberen von insgesamt zwei Boxengassen werden. Hier entstehen – architektonisch konträr zum monolithischen Charakter der bestehenden Betonhallen – in nahezu frei schwebender Bauweise die Räume für Restauration, Lounges, Zeitnahme und Büros. Am höchsten Punkt des Resorts, auf 330 Meter ü. NN, entsteht ein Clubhaus mit 360-Grad-Rundumsicht auf die Anlage, das als Treffpunkt für die Besucher der Westschleife sowie für die danebenliegenden beiden Offroad-Strecken dient.

Neben einer eigenen Frisch- und Abwasseraufbereitung ist man auch in Sachen Stromversorgung autark. Die benachbarten Windkrafträder liefern ausreichend Strom, um den Energie-Ansprüchen ganzer Elektro-Fahrzeug-Flotten gerecht zu werden.

Drive Resort, Test- und Präsentationsstrecke, Trainingsparcours, Sicherheitszentrum, automobiler Country Club und Natur-Rundkurs – der Bilster Berg scheint alles zu sein, nur die griffige Terminologie „Rennstrecke“ taucht in der Charakterisierung der ersten, im einwohnerstärksten Bundesland gebauten Sportanlage für Autos und Motorräder, bislang nicht auf.
Das schelmische Blinzeln in den Augen von Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff verrät auch den Grund: „Wir haben mit Blick auf die Sensibilität des Vorhabens den Ball anfangs etwas flacher gehalten, um nicht alle Pferde scheu zu machen.“

Neue Rennstrecke ab 2012 mit FIA-Anerkennung

Nach der Anfang August eingegangenen, letzten offiziellen Genehmigung gehen die Behörden selbst ganz pragmatisch mit dem Thema um: So sieht die Abnahme ganz offen den Betrieb einer Rennstrecke ab 2012 vor, und zwar nicht, wie man angesichts der exponierten Lage in den dichten Wäldern des Teutoburger Waldes vermuten könnte, einer Feld-, Wald- und Wiesen-Rennbahn, sondern einer High-Tech-Anlage, auf der bis auf aktuelle Formel 1-Renner alle Rennfahrzeuge dieser Welt an den Start gehen können. Die Genehmigungen, „Grade 2“ für den Ostkurs und „Grade 3“ für den Westkurs sind seitens der obersten Motorsportbehörde FIA erteilt.

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Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten