Vorwort von Chefredakteur Jens Katemann:
Im vergangenen Jahr hatte ich die Chance, einige Stunden mit Porsche-Entwicklern im Auto zu verbringen. Im eiskalten Kanada fand die letzte Abnahmefahrt des Porsche 718 vor dem Produktionsstart statt. Akribisch wurde bei extremen Minusgraden alles noch mal gründlich überprüft. Das machen doch alle Autofirmen, werden Sie jetzt denken. Das stimmt. Aber dabei konnte ich erleben, mit welcher Einstellung bei Porsche Autos entwickelt werden – und die ist außergewöhnlich.
Bei Porsche ordnet sich alles der Performance unter. Ziel ist die beste Fahrdynamik und das untrügliche Gefühl, in einem Sportwagen zu sitzen, selbst wenn es wie Macan oder Cayenne SUV sind. Und dabei wird die eine oder andere Entscheidung getroffen, die bei Wettbewerbern so nicht getroffen worden wäre. Beispiel: Ackermann-Effekt. Beim Elfer kommt es bedingt durch den Spurdifferenzwinkel zu einem ausgeprägten Schieben über die Vorderräder bei maximalem Lenkeinschlag und niedriger Geschwindigkeit. Zu unkomfortabel beim Einparken, hätte es bei anderen Firmen wohl geheißen. Nicht so bei Porsche. Gut so! Es ist diese Konsequenz, die Porsche ausmacht.
In dieser Edition finden Sie alle Porsche-Meilensteine, die mit diesem Spirit entstanden sind und natürlich von auto motor und sport getestet wurden. Doch nicht nur das: Lesen Sie, was Ferdinand Piëch über den Porsche 909 Bergspyder zu sagen hat, oder erleben Sie die diesjährige Targa Florio. Mit zahlreichen Reportagen huldigen wir der Porsche-Tradition. Mein Highlight: die Ausfahrt von Porsche 911R und seinem Urahn – was für herrlich kompromisslose Autos!
Porsche 356B – der Ursprung eines Gefühls
Vor 911 kommt 356. Wir haben 1960 den neuen 356B in drei unterschiedlichen Leistungsstufen getestet: mit 60, 75 und 90 PS. Zweistellige PS-Zahlen! Bei einem Porsche! Heute unvorstellbar, damals genug.
„In dieser Welt kann man für Geld fast alles kaufen, was schön und gut und teuer ist. Nur eines nicht: die Perfektion. Sie entschwindet als Ziel in dem Maße, in dem man sich ihr zu nähern glaubt. Doch wenn man eine Zeitlang die neuen Porsche gefahren und dann wieder auf normale Gebrauchswagen umgestiegen ist, kann man den Eindruck nicht abschütteln, dass die Ingenieure diesem so hartnäckig verfolgten Ziel beim 356 B ein ganzes Stück näher gerückt sind.“

Porsche 959 – der Zeit meilenweit voraus
Porsche, das ist mehr als 911. In den späten 80er-Jahren brachte Porsche den 959 auf den Markt. Ein Auto, das auf den ersten Blick aussah wie ein aufgedunsener Elfer. Doch es war das fortschrittlichste Auto seiner Zeit, mit Biturbo-Sechszylinder, Allradantrieb, einem komplexen Traktionsmanagement-System und adaptivern Dämpfern. 0 auf 100 km/h: 3,7 Sekunden.
„So führt dieses Auto, das die Grenzen des technisch Machbaren wie kein anderes auslotet, auch seinen Benutzer sehr rasch an seine fahrerischen Grenzen. Sie nicht zu überschreiten, ist die Kunst des guten Fahrers. Es ist dem Porsche 959 zu wünschen, dass er möglichst viele adäquate Fahrer findet. Er hat es verdient.“

Porsche Carrera GT und die nächste Legende
Hin und wieder gibt's bei Porsche diese fantastischen Phasen, etwa alle zehn Jahre: Dann werden Legenden einfach so aus dem Boden gestampft. Beispiel: der Carrera GT. Längs eingebauter 5,7-Liter-V10-Saugmotor, 612 PS stark. Einbauort: Fahrzeugmitte, flankiert von liegenden Federbeinen. ESP? Für Anfänger, meinte Mitentwickler Walter Röhrl. Also musste es draußen bleiben. Giftig ist noch ein verharmlosendes Wort für das Fahrverhalten des Supersportlers am Limit.
Zehn Jahre nach der Premiere des Carrera GT stellte Porsche den 918 Spyder vor, ein 887 PS starkes Ungetüm mit drei Motoren: einem V8 mit 608 PS (4 PS weniger als der V10 des Carrera GT) plus zwei Elektromotoren mit 85 respektive 115 kW. Und die nächste Legende war geboren.
„In den Carrera GT sollte man bei jeder Lenkbewegung hineinhorchen, selbst kleinste Hinweise ernst nehmen und in jeder Kurve mit dem kapriziösen Heck rechnen. Dank traktionsförderndem Technik-Arsenal stellen sich Erfolgserlebnisse im 918 deutlich schneller ein, und anders als im Carrera GT kann sich sogar ein Amateur in Regionen eines Profis vorarbeiten – vor allem auch deshalb, weil er hierfür nicht auf die Exit-Strategie des ESP verzichten muss.“