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Ansichtssache Automatik
Aufpreis als einziges Gegenargument?

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Das Automatikgetriebe ist für Stefan Cerchez das wichtigste Komfortextra überhaupt. Kollege Peter Wolkenstein rührt lieber selbst im Getriebe.

Peter Wolkenstein, Stefan Cerchez, Sachalthebel
Foto: Beate Jeske

Stefan Cerchez pro Automatikgetriebe

Amerika, du hast es besser: Im ersten Quartal 2012 waren über 93 Prozent aller zugelassenen Neuwagen in den USA mit einem Automatikgetriebe ausgestattet. Kein Wunder, könnte man sagen: Der gemeine Amerikaner gilt ja als eher komfortorientiert (sprich: faul) und lässt sich lästige Handarbeit zu Hause wie im Auto gerne abnehmen.

Natürlich ist es leicht, zwischen diesem Vorurteil und der Ausstattungsrate bei Automatikgetrieben einen vermeintlichen Zusammenhang herzustellen. In Wirklichkeit haben unsere Freunde jenseits des Atlantiks einfach nur viel früher als wir Europäer begriffen, was sich ein Mensch hinterm Steuer zumuten sollte – und was besser nicht.

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Lenken, schalten, beschleunigen, bremsen, den Verkehr beobachten – liegt es nicht nahe, dem bei den heutigen Verkehrsverhältnissen ohnehin gut beschäftigten Fahrer zumindest eine dieser Aufgaben abzunehmen? Jene Aufgabe, die eine Maschine möglicherweise sogar besser erledigen kann als ein Mensch? Zugegeben, die frühen Wandlerautomaten, wie sie in den USA seit den 1940er Jahren eingebaut wurden, zeichneten sich weder durch Effizienz noch durch übertriebenen Fahrspaß aus. Aber sie machten ihren Job: den Fahrer entlasten. Und die hubraumstarken Motoren der Amis boten genügend Drehmoment, um die geringe Zahl der Fahrstufen - anfangs nur deren drei - zu kompensieren.

"Handgeschaltete Getriebe sind ein Anachronismus"

Heute ist die Technik weiter, und es gibt Alternativen: Günstige automatisierte Schaltgetriebe, effiziente und schnell schaltende Doppelkupplungsgetriebe oder die stufenlosen CVTs mit ihrer theoretisch unendlichen Gangzahl. Selbst die Wandlergetriebe sind in ihrer Effizienz mit heute bis zu acht, demnächst sogar neun Fahrstufen so weit verbessert, dass es außer dem Aufpreis kaum mehr ein rationales Argument gegen die Automaten gibt.
 
Um es deutlich zu sagen: Außer in speziellen Bereichen wie dem Motorsport haben handgeschaltete Getriebe heute ausgedient, sie sind schlicht ein Anachronismus. Wie sonst sollte man es nennen, wenn wir uns angesichts wesentlich zuverlässigerer und sogar effizienterer Alternativen im Jahr 2012 immer noch einbilden, den diffizilsten Bedienprozess an der rollenden Maschine Automobil selbst besser ausführen zu können?
 
Machen wir uns doch einmal bewusst, was beim Schaltvorgang geschieht: 1. Kupplung öffnen, Gas wegnehmen - möglichst ohne dass das Auto nickt oder der Motor aufheult. 2. Zur Geschwindigkeit oder zum Beschleunigungswunsch passende Übersetzung (Gang) wählen. 3. Kupplung schließen, Gas geben. Das Ganze auch noch schnellstmöglich, um die Zugkraftunterbrechung ja kurz zu halten. Natürlich gehen uns diese Vorgänge mit zunehmender Fahrpraxis in Fleisch und Blut über. Und natürlich hat ein routinierter Fahrer in bestimmten Situationen eine bessere Schaltstrategie parat als die Automatik. Aber wer von uns fährt zuverlässig und über längere Strecken so konzentriert, dass er oder sie die Schnelligkeit, Präzision und Effizienz eines modernen Automatikgetriebes dauerhaft reproduzieren könnte? Eben.

Peter Wolkenstein contra Automatikgetriebe

Wenn man sich ausführlich mit Autos beschäftigt, achtet man zwangsläufig darauf, was diese wann wie tun - und ob sie das, was sie tun, auch so machen, wie man das als Fahrer gerne hätte. Besitzt das Auto ein Automatikgetriebe, nimmt es mir das Kuppeln ab und entscheidet selbst, wann welcher Gang der richtige ist. Ich weiß diese Unterstützung durchaus zu schätzen, aber sie muss nahezu perfekt, also fast unmerklich vonstatten gehen. Es stört mich einfach, wenn die Getriebesteuerung die Gänge zu einem anderen Zeitpunkt wechselt, als ich es täte, oder die Schaltvorgänge nicht sauber verschliffen werden.

Doch selbst wenn es für mein Wunschauto eine gute Automatik gibt, würde ich sie - bis auf wenige Ausnahmen - nicht kaufen. Nicht weil ich der Meinung bin, solche technischen Wunderwerke wären je nach Modell Aufpreise von mehr als 2.000 Euro nicht wert. Vielmehr bin ich nicht bereit, für den Verzicht auf etwas, das mir Freude macht, auch noch Geld zu bezahlen. Auskuppeln, mit dem Schalthebel den nächsten Gang einlegen und dosiert wieder einkuppeln - diese Tätigkeiten sind mir keinesfalls lästig. Ganz im Gegenteil: Sie bereiten mir Freude - mal mehr, mal weniger -, schließlich ermöglicht nicht jede Handschaltung knackig-exakte Gangwechsel. Lange Wege und eine unpräzise Führung können die Freude am Schalten trüben, aber nicht völlig vermiesen. Zudem gelingt mir auch nicht jeder Schaltvorgang so, dass ich zufrieden bin.

In Sachen Kosten und Wirkungsgrad immer noch überlegen

Umso mehr freut es mich, wenn alles bis ins kleinste Detail sauber ineinander greift. Das mag für Sie eine Selbstverständlichkeit sein, die keine weitere Beachtung wert ist. Für mich zählt es zu dem, was den grundsätzlichen Spaß am Autofahren ausmacht - so wie der gefühlvolle Umgang mit den anderen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine: Gas, Bremse und Lenkung. Unter diesem Blickwinkel spielt es keinerlei Rolle, was es für ein Auto ist, wie viel Motorleistung unter der Haube steckt oder wie exakt die einzelnen Komponenten funktionieren. Natürlich kann man auch bei jedem Automatikgetriebe manuell eingreifen und die Gänge sequenziell durch Antippen des Wählhebels oder per Wippen am Lenkrad wechseln. Das ersetzt mir aber nicht die Möglichkeit, auf den Kraftfluss zwischen Motor und Antriebsrädern durch Treten des Kupplungspedals Einfluss zu nehmen.

Falls Sie nun glauben, mir wären Fahrhilfen generell suspekt, kann ich Sie beruhigen. Wenn diese wie beispielsweise ESP oder ABS den Umgang mit dem Auto sicherer machen, gibt es keinen Grund, darauf zu verzichten. Doch ein Automatikgetriebe erhöht aus meiner Sicht nur den Komfort - wer diesen haben möchte, soll ihn auch kaufen können, aber nicht müssen. Deshalb habe ich überhaupt nichts dagegen einzuwenden, dass Automatikgetriebe immer perfekter arbeiten und für immer mehr Modelle angeboten werden - solange sie das manuelle Schaltgetriebe nicht vom Markt verdrängen. Das ist zum Glück nicht zu befürchten, denn in Sachen Kosten und Wirkungsgrad ist es noch immer überlegen.

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Erscheinungsdatum 26.05.2021

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