AMG-Chef Tobias Moers im Interview: "Wir planen einen Riesenschritt"

AMG-Chef Tobias Moers im Interview
"Wir planen einen Riesenschritt"

Veröffentlicht am 16.10.2015
Die aktuelle Performance von Mercedes-AMG ist schlicht beeindruckend. Wie sehen Ihre Ziele für das aktuelle Jahr aus? Wie viele Autos können Sie überhaupt bauen?

Moers: Wir hatten ein paar gute Ideen, wie wir unsere Kapazitäten ausbauen können, und sind daher jetzt in der Lage, die Nachfrage zu bedienen. Einzige Ausnahme: der AMG GT. Die Auftragseingänge des GT übertreffen unsere eigenen Erwartungen. Wenn Sie heute einen bestellen, bekommen Sie das Auto voraussichtlich im Frühjahr. Was den Absatz betrifft: Für unser Jubiläumsjahr 2017 haben wir uns vorgenommen, doppelt so viele Autos wie 2013 abzusetzen, also rund 64.000 Exemplare. Wir befinden uns aktuell auf einem guten Weg dorthin.

Lässt sich denn die GT-Produktion nicht aufstocken? Im Werk Sindelfingen müsste doch genug Platz sein, oder?

Moers: Das ist nicht nur eine Frage unserer eigenen Kapazitäten. Auch alle unsere Lieferanten müssen in der Lage sein, ihre Produktion anzupassen, wie zum Beispiel im Rohbau bei Thyssen in Weinsberg. Und wir haben aufgrund des großen Erfolgs des GT bereits das Volumen nach oben korrigiert. Aus meiner Sicht ist eine gewisse Wartezeit, die sich natürlich im Rahmen halten muss, für ein solches Produkt auch akzeptabel.

Bedeutet diese Auslastung, dass weitere Varianten des GT erst später als geplant kommen?

Moers: Nein, wir haben einen Produkt-Fahrplan, dem zufolge werden wir voraussichtlich Mitte nächsten Jahres die nächste Leistungsstufe des GT vorstellen. Weitere Familienmitglieder folgen dann 2017.

Wie teilt sich das aktuelle Mercedes-AMG-Modellangebot auf das Gesamtvolumen auf?

Moers: Klarer Fall: Die Kompaktmodelle, also A-Klasse, CLA und CLA Shooting Brake sowie GLA, sind hier sehr stark. Zudem haben wir dieses Jahr das absatzstärkste C-63-Jahr überhaupt, das zeichnet sich bereits jetzt im September ab, und das Coupé steht ebenfalls noch aus. Natürlich zählt der GT ebenfalls zu unseren Bestsellern. Ja, und die S-Klasse sowie das G-Modell verkaufen sich weltweit ebenfalls sehr gut.

Und wie sieht es mit den Kunden selbst aus? Hat speziell der GT neue Käuferschichten erschlossen?

Moers: Die Mischung stimmt. Mit dem GT konnten wir die Eroberungsrate erzielen, die wir uns vorgenommen haben. Darunter sind allerdings auch Mercedes-Kunden, die bis dato auch einen Sportwagen anderer Marken in der Garage hatten. Und natürlich sind auch Porsche-911-Fahrer zu uns gewechselt. Der GT ist ein Auto, das sich einen viel größeren Kundenkreis erschließt als der SLS, einfach weil er deutlich alltagstauglicher ist.

Was fehlt Ihnen denn noch im Angebot? Ein echter Panamera-Gegner etwa?

Moers: Nun, ein Konkurrent zum Macan würde uns demnach ja auch noch fehlen. Doch auf Basis des GLC wird uns da sicher etwas einfallen, ein paar Ideen haben wir schon. Aber ein Panamera-Gegner? Mal schauen, was uns noch einfällt.

Aber wenn Sie die nächste AMG-Variante der E-Klasse einfach stärker differenzieren, könnte man diese doch gegen den Panamera positionieren, oder nicht?

Moers: Wir haben uns bei der E-Klasse extrem viel vorgenommen. Mit ihr werden wir den größten Schritt machen, den AMG jemals bei einem Modellwechsel in diesem Segment gemacht hat.

Was werden die wichtigsten Veränderungen sein?

Moers: Ich möchte keine einzelnen Punkte formulieren. Es geht um das Gesamtkonzept, von der Fahrdynamik bis hin zur Effizienz. Ein Beispiel kann ich vielleicht nennen: Für das C-Klasse Coupé haben wir eine neue Hinterachse entwickelt, mit der wir unter Performance-Aspekten den nächsten Schritt gehen. Dabei handelt es sich um eine Plattform-Achse, die wir leicht modifiziert auch für die E-Klasse nehmen werden.

Wie bewerten Sie den aktuellen Erfolg Ihrer Produkte? Planen Sie eine Aufstockung der Kapazitäten oder denken Sie, dass sich die Nachfrage wieder etwas beruhigen wird?

Moers: Bezüglich der Kapazitäten haben wir ja innerhalb der Daimler AG den Zugang zu einem der am höchsten entwickelten Produktionssysteme in der Welt. Dabei arbeiten wir hervorragend mit unserem Produktionsvorstand Markus Schäfer und seinem Team zusammen, wir bekommen seine volle Unterstützung. Im Motorenbau fahren wir beim V8 derzeit im Zweischichtbetrieb, also Vollauslastung. Möglicherweise müssen wir die V12-Fertigung zukünftig Daimler-intern verlagern, um weitere Kapazitäten zu schaffen. Auf jeden Fall stocken wir auf der Entwicklungsseite auf, dafür brauchen wir die richtigen Leute.

Audi belebt den R8 e-tron wieder, Porsche zeigt einen viertürigen Elektro-Sportwagen. Wie geht es denn eigentlich dem Mercedes SLS AMG Electric Drive?

Moers: Der SLS AMG Electric Drive stellt mit seiner Antriebslösung die Innovationskompetenz von AMG unter Beweis und ist das Maximum, was mit dieser Technologie möglich ist. Derzeit prüfen wir verschiedene neue Wege – die Elektrifizierung des Antriebsstrangs zum Beispiel. Die volle Elektrifizierung ist auch ein Thema, wenngleich wir unseren Fokus doch klar auf die Hybridisierung legen. Hier befinden wir uns bereits in der Vorentwicklungsphase. Uns ist es wichtig, die Performance der Zukunft zu definieren.

Bedeutet denn ein Plug-in-Hybrid von AMG in der C-Klasse beispielsweise, dass der V8-Motor rausfliegt und durch einen kleineren Verbrenner ersetzt wird, der Schub kommt dann vom E-Aggregat?

Moers: Das kann ich heute noch nicht sagen. Wir machen uns bei der nächsten Generation des Vierzylinders durchaus Gedanken um die Hybridisierung – und auch darüber, dass der Motor vielleicht nicht mehr nur quer, sondern auch längs eingebaut werden kann. Aber hier reden wir vom nächsten Jahrzehnt. Bei der C-Klasse sehe ich aktuell keinen Handlungsbedarf. Hinsichtlich der Effizienz ist unser V8-Triebwerk so gut wie manche Sechszylindermotoren.

Aktuell decken bereits der Zweiliter-Vierzylindermotor und das Vierliter-V8-Triebwerk ein sehr großes Leistungsspektrum ab. Braucht Mercedes-AMG künftig überhaupt noch andere Aggregate?

Moers: Nun, der V12 spielt durchaus noch eine wichtige Rolle. Natürlich ließe sich dessen Leistung auch mit einem Achtzylinder erreichen. Doch die Zwölfzylinder-Kunden sind sehr anspruchsvoll, sie lieben diesen Motor und für sie kommt eigentlich kein anderer infrage. Also bleiben wir dabei, müssen uns aber natürlich Gedanken machen, wie wir dieses Konzept zukunftsfähig machen.

Aber sonst? Bekommt beispielsweise die nächste E-Klasse einen größeren Motor als die C-Klasse?

Moers: Die E-Klasse bekommt unser Vierliter-V8-Triebwerk mit entsprechend mehr Leistung. Das S-Klasse Cabrio hat als letztes neues Auto den 5,5-Liter-Motor erhalten.

Wird es die E-Klasse wieder mit und ohne Allradantrieb geben?

Moers: Gut möglich, dass es sie ausschließlich mit Allradantrieb geben wird. Wie gesagt, wir planen einen Riesenschritt. Und der könnte auch einen neuen, stark fahrdynamisch orientierten Allradantrieb beinhalten. Hier gehen wir eigene Wege. Dazu kommt die nächste Generation des MCT-Getriebes mit neun Gängen.

Ihre Wettbewerber bemühen Dieseltriebwerke, Sie hingegen seit über zehn Jahren nicht mehr. Müssen Sie diese Haltung überdenken?

Moers: Wir beobachten dieses Segment natürlich auch. Für uns liegt die Herausforderung darin, unseren Performance-Ansprüchen mit einem Dieselmotor gerecht zu werden. Unsere neuen Benzinmotoren sind noch lange nicht an ihrer Leistungsgrenze. Deshalb sehen wir mehr Chancen in der Elektrifizierung eines Benziners. Zumal das mögliche Volumen im Dieselsegment doch arg überschaubar ist.

Auf der Rennstrecke steht derzeit das neue GT3-Fahrzeug in den Startlöchern. Wie zufrieden sind Sie mit den Tests?

Moers: Mit den ersten Testläufen sind wir sehr zufrieden, erst kürzlich haben wir einen 30-Stunden-Langzeittest mit einem sensationellen Ergebnis abgeschlossen. Auch bei der VLN wollen wir dieses Jahr nochmals testen. Zudem liegen uns jede Menge Kundenanfragen vor.