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Alternative Kraftstoffe
Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

Auch wenn die Elektromobilität zurzeit größere Schatten wirft: Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen treiben neue und vielversprechende Blüten. Die aktuellen Trends und Entwicklungen beim Biosprit.

Alternative Kraftstoffe, Zuckerrübe
Foto: dpa

Anfang August hat die schwarz-gelbe Bundesregierung einen „nationalen Aktionsplan erneuerbare Energie“ auf den Weg gebracht. Und es soll ein ganz großer Wurf werden: In zehn Jahren, so das verbindliche Ziel, müssen 18 Prozent des Energieverbrauchs aus regenerativen Quellen stammen. Zugleich ist die Erwartung formuliert, dass der Anteil mit 19,6 Prozent sogar höher liegen könnte. Das entspräche knapp einer Verdoppelung des Ökoenergie-Beitrags des Jahres 2009 von 10,1 Prozent. Überproportionale Anstrengungen sind indes im Verkehrsbereich notwendig, in dem sich der regenerative Anteil verdreieinhalbfachen muss, um die nationale Zielvorgabe von 13,2 Prozent zu erreichen.

Nachfrage für reinen Biodiesel ist eingebrochen

Deutschland konsumierte im vergangenen Jahr 3,5 Millionen Tonnen Kraftstoff vom Acker – dadurch wurden 7,6 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Biokraftstoff-Anteil am Gesamtverbrauch seit 2007 im Sinkflug ist. Die Gründe: Die Nachfrage für reinen Biodiesel ist eingebrochen, was die Beimischungsquote und auch der daraus resultierende höhere Ethanol-Absatz noch nicht ausgleichen können. Doch die Marschrichtung bis 2020 ist vom Biokraftstoffquoten-Gesetz festgelegt: Es verpflichtet die Mineralölbranche seit Anfang des Jahres dazu, dass beim gesamten Kraftstoffabsatz 6,25 Prozent Bioenergie drin sein müssen. Das Jahr 2015 markiert dann den radikalen Systemwechsel: Statt fester Beimischungsquoten werden von diesem Zeitpunkt an konkrete Treibhausgas-Einsparungen verlangt – drei Prozent ab 2015, 4,5 Prozent ab 2017 und sieben Prozent ab 2020. „Eine siebenprozentige Treibhausgas-Reduktion entspricht einem Biokraftstoffanteil von zehn bis zwölf Prozent“, sagt Dietmar Kemnitz von der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR).

Biokraftstoffe müssen nachweislich ohne Raubbau an der Natur erzeugt werden

Die deutsche Nachhaltigkeitsverordnung hat weitere Rahmenbedingungen abgesteckt: Biokraftstoffe werden nur dann der Beimischungsquote angerechnet und steuerlich begünstigt, wenn sie eine Treibhausgas-Einsparung von zunächst mindestens 35 Prozent gegenüber den fossilen Gegenstücken haben. Und sie müssen nachweislich ohne Raubbau an der Natur erzeugt werden. Die Initialzündung kam indes wie so oft aus Brüssel: Mit Inkrafttreten der europäischen Erneuerbare-Energien- Richtlinie (EER) Mitte vorigen Jahres waren die Meilensteine gesetzt. Die Mitgliedsländer sind verpflichtet, im Transportsektor zehn Prozent des Gesamtbedarfs mit erneuerbaren Energien zu bestreiten. Laut Richtlinie können auch Biogas und Strom aus Windkraft für Elektroautos auf die Zielverpflichtung angerechnet werden. „Das CO2- Reduktionspotenzial von Biokraftstoffen dürfte in zehn Jahren erheblich höher sein als das von Elektroautos“, schätzt Frank Seyfried, Leiter der VW-Forschung Antriebsenergie.

Biokraftstoffe zur Senkung der CO2-Emissionen

Im ganzen Rummel um die Elektromobilität ist es still um alternative Kraftstoffe geworden. Doch dieser Eindruck täuscht. „Biokraftstoffe bilden für die deutsche Autoindustrie eine feste Säule zur fortgesetzten Senkung der CO2-Emissionen im Straßenverkehr“, sagt Jakob Seiler vom VDA. Zudem stellten sie die einzige Möglichkeit dar, um den CO2-Ausstoß auch von Bestandsfahrzeugen unmittelbar und nachhaltig zu reduzieren. Bislang erlauben die deutschen Kraftstoffnormen eine Biodiesel-Beimischung von sieben Prozent und einen fünfprozentigen Schuss Ethanol zum fossilen Otto-Pendant. Die Einführung von Benzin mit zehnprozentiger Ethanol-Beimischung (E 10) erfolgt wohl mit Beginn des kommenden Jahres – in Frankreich wird diese Sorte schon seit über einem Jahr angeboten. Die neue Kraftstoffnorm DIN E 51626/1 und eine entsprechende Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes machen dies auch in Deutschland möglich.

Bioethanol aus Getreide wie Mais und Weizen, Zuckerrüben oder Zuckerrohr

Bislang wird Bioethanol überwiegend aus Getreide wie Mais und Weizen, Zuckerrüben oder Zuckerrohr gewonnen. Doch nicht erst seit der vor drei Jahren von weltweiten Enteausfällen angefeuerten Diskussion, ob volle Tanks leere Teller bedeuten, arbeitet man weltweit an Alternativen. In der kanadischen Provinz Saskatchewan beispielsweise betreibt die Firma Iogen, an der auch VW und Shell beteiligt sind, seit vier Jahren eine Demonstrationsanlage, in der Ethanol aus Stroh hergestellt wird. Das kanadische Unternehmen hatte das entsprechende Verfahren zügig vorangetrieben.

„Die Technologie ist jetzt marktfähig“, sagt VW-Experte Frank Seyfried. Er rechnet damit, dass in Zukunft Ethanol mehr und mehr aus Stroh hergestellt wird. Dennoch ist bei Iogen noch keine Investitionsentscheidung für die seit zwei Jahren geplante Großproduktionsanlage gefallen. Das liegt an der Finanzkrise und – so zynisch es klingt – am moderaten Rohölpreis. Doch wenn Naturkatastrophen rund um den Globus wüten und Ernten vernichten, kann sich das Blatt schnell wieder wenden. Auch die dänische Firma Inbicon hat eine Technologie für die Verarbeitung von Stroh zu Bioethanol entwickelt. Vor neun Monaten nahm das Unternehmen im dänischen Kalundborg eine Biomasse-Raffinerie in Betrieb. Und in unmittelbarer Nähe des neuen bayerischen BioCampus in Straubing baut Süd-Chemie derzeit eine Demonstrationsanlage, die ab Ende 2011 jährlich 2.000 Tonnen Bioethanol aus Stroh produzieren wird.

Bioethanol im großen Stil

„Weltweit sind milliardenschwere Entwicklungsprogramme zu Biokraftstoffen angeschoben“, sagt Dietmar Kemnitz von der FNR. Rund 100 Forschungs-, Demonstrations- und Produktions-Anlagen arbeiten mittlerweile rund um den Globus. Im englischen Hull etwa stellt BP gemeinsam mit DuPont und ABF (Associated British Food) Bioethanol im großen Stil her. Im Herbst nimmt am selben Standort eine Demonstrationsanlage die Produktion auf, die pro Jahr 20.000 Liter Butanol liefern soll. Dieser Kraftstoff basiert auf gleichen Rohstoffen wie Bioethanol, hat aber ein Viertel mehr Energiegehalt und kann Benzin in höheren Anteilen – bis zu 60 Prozent – beigemischt werden.

Sun Diesel aus Holzschnitzeln ist beinahe CO2-neutral

Ernüchterung macht sich mittlerweile um den ehemaligen Favoriten bei den alternativen Kraftstoffen der zweiten Generation breit: dem als BTL (Biomass to Liquids) bekannten, synthetisch aus Holzschnitzeln hergestellten Pendant zum fossilen Diesel, der unter dem Markennamen Sun Diesel geführt wird. Die Produkteigenschaften dieses Designer-Kraftstoffs sind hervorragend: BTL senkt die Schadstoffemissionen deutlich, trägt langfristig zur Luftreinhaltung bei und ist beinahe CO2-neutral. Bei der sächsischen Firma Choren, die ins kommerzielle Geschäft mit Sun Diesel einsteigen will und an der auch Daimler und VW beteiligt sind, fließt aber allen Ankündigungen zum Trotz immer noch kein BTL. Fachleute haben inzwischen Zweifel an der Marktfähigkeit dieses Biomasse-Sprits.

Pflanzenöle können den Bioanteil im konventionellen Diesel erhöhen

Eine große Zukunft sagen sie dagegen hydrierten Pflanzenölen (HVO) voraus, die in ihren Kraftstoffeigenschaften BTL sehr ähnlich und als Beimischung von 20 Prozent zum fossilen Diesel problemlos möglich sind. Das finnische Unternehmen Neste Oil baut derzeit in Rotterdam für 670 Millionen Euro eine Produktionsanlage, die pro Jahr 800.000 Tonnen hydriertes Pflanzenöl liefert, das unter dem Namen NExBTL vermarktet wird. HVO können nach der B7+3-Norm den Bioanteil im konventionellen Diesel von sieben auf zehn Prozent erhöhen.

Biomethan als neuer Hoffnungsträger

Der neue Hoffnungsträger sowohl der Automobil- als auch der Biokraftstoffbranche heißt Biomethan. „Hohe CO2-Einsparungspotenziale und eine hohe Flächeneffizienz machen Biomethan zu einem der besten heute verfügbaren Biokraftstoffe“, sagt VDA-Experte Jakob Seiler. Alle 800 deutschen Erdgastankstellen könnten ohne zusätzliche Infrastrukturkosten komplett auf Biomethan-Stationen umgestellt wer den. Auch VW-Mann Seyfried sieht in Bioerdgas einen „idealen Kraftstoff, der hierzulande produziert wird“. Jetzt ist die Regierung in Zugzwang: Einerseits laufen die Steuerbegünstigungen für Erd- und Biogas bald aus. Andererseits hat sie ihre eigene Klimaschutzziel-Rechnung für 2020 mit über einer Million Erdgasfahrzeugen gemacht.    

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