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Mercedes-Einfahrbahn wird 50 Jahre alt
Alles zur geheimen Teststrecke von Daimler

Am 9.5.2017 feiert die „Einfahrbahn“ von Mercedes in Stuttgart ihren 50. Geburtstag. Gleich neben dem Mercedes-Museum können die Besucher der oberen Stockwerke eine Blick auf die prägnante Kreisbahn mit ihren unterschiedlichen Untergründen erhaschen. Wir stellen die geheime Teststrecke genauer vor.

Mercedes Einfahrbahn

Daimler war 1967 sehr stolz auf seine Einfahrbahn und ließ zur Fertigstellung der an sich geheimen Anlage erstmals auch Journalisten einen Blick hinter die Kulissen werfen. Noch bis heute soll die die Strecke wichtige Impulse für die Fahrzeugentwicklung geben. Egal, ob Pkw, Lkw, Unimog, Omnibus oder Rennwagen, hier wurden und werden alle Fahrzeuge auf Herz und Nieren getestet.

Mercedes Einfahrbahn
Seitenwindstrecke mit 16 Turbinen.
Unsere Highlights

Der Vorschlag zur Teststrecke direkt am Werk Untertürkheim kam vom Entwicklungschef Dr. Fritz Nallinger schon im Jahr 1953, denn die Auto-Nachfrage in der Wirtschaftswunderzeit wuchs beträchtlich, die Modellpalette musste wachsen und die Entwicklung effizienter gestaltet werden. Im Januar 1955 reichte Mercedes das Baugesuch für den „Flaschenhals“ bei der Stadt Stuttgart ein, der Vorstand der Daimler-Benz AG gab ein Jahr später sein Okay für die Investitionen und schon 1957 ging eine erste Ausbaustufe in Betrieb. Schon damals gehörte dazu die bekannte Rutschplatte mit den konzentrischen Fahrbahnringen aus verschiedenen Belägen: Blaubasalt, Beton, Rutschasphalt und Großpflaster. Die integrierte Bewässungsanlage erlaubt Nasserprobungen.

Zehn Jahre später war die Einfahrbahn komplett fertiggestellt und statt geheimen Prototypen erhielten Journalisten erstmals einen Einblick in die Einfahrbahn mit allen Details - und bis heute hat sich das Layout der Anlage nur wenig geändert. Die Geamtlänge der Versuchs- und Prüfstrecken beträgt 15.460 Meter, wovon 3.018 Meter als Schnellfahrstrecke ausgelegt sind. Eine 100 Meter lange Steilkurve mit 90 Prozent Neigungswinkel verbindet die beiden Fahrbahnen. Insgesamt gibt es noch sieben weitere verschiedene Steilstrecken mit Neigungen zwischen 5 und 70 Prozent. Die Steilwand kann theoretisch mit 200 km/h befahren werden, wobei Mercedes anmerkt, dass hier die physische Belastung für den Fahrer überschritten werde.

Langzeitversuche absolviert Mercedes mit 150 km/h am oberen Rad der Steilkurve. Bei diesem Tempo ist für die Steilkurve kein Lenkimpuls nötig, da keine Seitenkräfte auf die Reifen ausgeübt werden. Der Fahrer wird bei diesem Tempo jedoch mit 3,1 g in den Sitz gepresst.

Aber nicht nur in der Steilkurve kommen die Testfahrer und Ingenieure an ihre Beklastungsgrenzen. Auch die berühmt berüchtigte „Heidestrecke“ setzt ihnen und den Fahrzeugen zu. Der Schlechtwegeparcours hat seinen nicht typisch schwäbischen Namen einer maßstabsgetreuen besonders schlechten Straße in der Lüneburger Heide aus den frühen 50ern zu verdanken. Sie und auch andere Waschbrett-, Rüttel und Schlaglochpisten sind für die Dauererprobung von Fahrzeugen gedacht, die Fahrer müssen sich hingegen alle zwei Stunden abwechseln. Neben diesen Marterstrecken gibt es auf der Einfahrbahn noch extreme Verwindungstrecken für Nutz- und Geländefahrzeuge sowie einen Sprunghügel um extreme Federstellungen zu erproben. Auch der Einfluss von Seitenwind auf die Karosserie kann auf einer 34 Meter lange Seitenwindstrecke mit 16 Turbinen simuliert werden. Diese Gebläse sind für Böen von bis zu 100 km/h gut.

Der damalige Versuchschef und spätere Daimler-Benz-Vorstand Rudolf Uhlenhaut, unter anderem verantwortlich für den legendären 300 SL, führte eine weitere Teststrecke auf der Einfahbahn ein: Die Wedelstrecke. Hier wurden zunächst Fahrwerke bei hohen Geschwindigkeiten und schnelle Fahrbahnwechslen erprobt, später erfassten Messschleifen im Boden die Daten elektronisch. Auf dem 8,4 Hektar großen Areal werden zudem die Versuchs- und Prüfstrecken den modernen Gegebenheiten angepasst. So zum Beispiel ist Flüsterasphalt verlegt, um Geräuschmessungen durchzuführen, und wer weiß, vielleicht dürfen wir Journalisten auch nach 50 Jahren mal wieder auf die Strecke.

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