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25 Jahre Mazda MX-5
Mit dem Roadster durch Japan

Vor 25 Jahren überraschte Mazda die Welt mit dem MX-5 und rettete damit die Spezies der handlichen, einfachen Roadster – ganz in der Tradition der Ideale des Zen-Buddhismus.

Mazda MX-5, Japan, Reise, Imamiya-Schrein
Foto: Dino Eisele

Die teeblattgrüne Schirmmütze leuchtet selbst auf der fußgängerreichsten Kreuzung der modernen Welt aus der wabernden Ebene japanischer Kopfbedeckungen heraus. "Wir müssen etwas tun, um glücklich zu sein", verkündet von ihr herab ein Spruch, auf Deutsch, mitten im Gewimmel des Tokioter Shibuya-Platzes. Die Farben der Verkehrsampeln wechseln, und wo eben noch eine gefühlte Million Japaner die kreuz und quer und diagonal verlaufenden Zebrastreifen bevölkerte, übernehmen wieder die Autos das Kommando. Das Motto der Mütze aus der in Tokio derzeit angesagtesten Künstlerkollektion, wiewohl in fremder Sprache, steht bei den jungen Japanern hoch im Kurs und leuchtet selbst im Bewusstsein der Touristen nach. Glück ist weder Zufall noch Geschenk, sondern Resultat individueller Anstrengung.

Mazda MX-5 mit 1,6-Liter-Vierzylinder

1984 dachten die Produktplaner bei Mazda ebenfalls bereits heftig über Glück nach, die Automobile des Hauses betreffend und das Wohlergehen ihrer Eigner. Es war die Zeit der Klagerufe: Die zum Spaß am Fahren geschaffene Autofamilie der kleinen, handlichen Roadster schien international vom Aussterben bedroht − neue Sicherheitsbestimmungen machten sich daran, den offenen Sportwagen vom Schlage eines MGB, eines TR6 oder eines Lotus Super Seven endgültig die Zündung abzudrehen. Die Idee zu einem neuen Kultauto ging bei Mazda damit seit 1984 um, doch wollte erst ein neuer Kleinwagen der K-Car-Klasse für den japanischen Markt entwickelt sein. Der Mazda MX-5 ließ daher noch fünf Jahre auf sich warten; was aber dann passierte, überraschte selbst den japanischen Hersteller.

Der pfiffige Zweisitzer mit dem höchst sportlichen 1,6-Liter-Vierzylinder samt seiner beiden obenliegenden Nockenwellen und der vier Ventile pro Brennraum traf die Gemeinde der Sportwagenliebhaber so nachhaltig mitten ins Herz, dass der nun seit 25 Jahren bereits in drei Generationen gebaute Mazda MX-5 bis heute fast eine Million Mal verkauft werden konnte. Und Verschleißerscheinungen sind im Begehren der Roadster-Enthusiasten kaum festzustellen: Die vierte MX-5-Generation wird noch in diesem Herbst enthüllt, und die Fans warten bereits mit gezücktem Scheckbuch auf die ersten Verträge.

Der tiefe Reiz des kleinen Mazda MX-5 liegt in seiner Einfachheit. Damit nähert er sich zum Beispiel dem Ideal überzeugter Zen-Buddhisten, die ja auch simple Gewänder bevorzugen und karge Hotels im Stil der Ryokan-Herbergen. Das MX-5-Rezept bestand seinerzeit aus dem sportlichsten Motor der Mazda-323-Baureihe, der ohne Turbolader im Roadster nicht mehr 140, sondern nurmehr 115 PS leistete: genug. Der Antriebsstrang wurde der Baureihe 929 entlehnt, und die stabile, knapp geformte Karosserie verzichtete auf jede Art von formverhunzender Affektiertheit.

Mit dem Roadster durch Japan

Die Reise durch die Heimat der Autolegende Mazda MX-5 beginnt in Hiroshima, dort, wo Mazda seit fast 100 Jahren zu Hause ist, zunächst unter dem Namen Toyo Kogyo. Der Name der Stadt ist bis heute Synonym für den ersten Atomschlag der Militärgeschichte. Durch den Bombenabwurf am 6. August 1945 verloren 140.000 Japanerinnen und Japaner ihr Leben, und wer heute das Atombombenmuseum am Friedenspark von Hiroshima besucht, kommt als Kriegsgegner wieder heraus, es sei denn, in seiner Brust schlägt kein menschliches Herz.

Hiroshima hat sich heute wieder zu der blühenden Industriestadt entwickelt, die es vor dem Krieg war. Auch die Gammastrahlung hat sich längst wieder normalisiert und liegt auf dem Niveau anderer japanischer Großstädte wie Tokio oder Osaka. Dieser Mythos der Lebenskraft spielt eine wichtige Rolle im Selbstverständnis der Einwohner und im Image der Produkte, die aus der Hafenstadt kommen.

Mazda MX-5 wiegt nur 955 Kilogramm

Der racinggrüne Mazda MX-5, mit dem wir von Hiroshima aus nach Kyoto fahren werden, von dort aus zum Fuße des heiligen Berges Fuji, nach Tokio und weiter dann nach Yokohama, stammt aus dem Jahr 1990 und hat bereits 360.000 Kilometer auf dem Zähler. Mechanische Müdigkeit lässt er jedoch keinesfalls verspüren. Der Motor springt unter allen Bedingungen stets zuverlässig und spontan an, dreht beschwingt bis zur Obergrenze von 7.000/min hoch, setzt den nur 955 Kilogramm wiegenden Zweisitzer zügig in Bewegung und gibt sich so, als sei er gerade erst richtig eingefahren.

Dass Glück im offenen Mazda MX-5 nicht allein durch das Singen des Motors entsteht, durch das Wirbeln der Haare hinter der Frontscheibe oder das freudevolle Bewusstsein, kaum Elektronik und erst recht kein Infotainment in diesem Auto herumzufahren, wird an der Mautstation klar.

Die 360 Kilometer glücklicher Fahrt im Mazda MX-5 bis nach Kyoto kosten auf dem Expressway umgerechnet 60 Euro, eine Tour. Die teure Autobahn wird trotzdem viel benutzt: Das schroffe, bergige Gelände und die kleinen, kaum zweispurigen Sträßchen im Hinterland kosten unendlich viel Zeit, und auf unserem "way to bodhi", Vollgas auf dem Pfad der Erleuchtung, scheint uns der fünfte Gang gerade angemessen.

Ein Jahrtausend lang zweite Hauptstadt Japans, verkörpert der alte Kaiserpalast von Kyoto das steife Hofprotokoll der Macht. Besinnung und innere Einkehr vermittelt dagegen der Zen-Garten um den Goldenen Kinkaku-Pavillon mit seinen Buddha-Relikten. Schwärme japanischer Teenager jagen dort zwischen den Bonsai-Gebüschen die Autogramme offensichtlich europäischer Touristen, und Glück bedeutet hier, ungeschoren wieder aus dem Garten herauszukommen. Dann aber: mit dem Mazda MX-5 untertauchen im abendlichen Bezirk Gion, wo ein kleines Holzhausrestaurant neben dem anderen die Glücksfälle der japanischen Küche von Sushi bis Shabu shabu feilbietet.

Ein Sportwagen, den man sich leisten kann

Der Weg im Mazda MX-5 von Kyoto aus an den Yanamakako-See wird zu einer Art automobiler Teezeremonie, denn er führt durch die Provinz, aus der rund 70 Prozent der gesamten grünen Blätter stammen, die in Japan aufgebrüht werden. Adrett geschnittene, hüfthohe Teestrauchhecken führen in langen Linien bis zum Horizont, und fast sieht die Landschaft aus wie ein geharktes Muster im Kiesgarten, den uralte Mönche nach ebenso alten Regeln Buddhas angelegt haben.

Glück am Fuße des heiligen Vulkans Fuji bedeutet, zufällig so früh am Morgen zu erwachen, dass sein beschneites, fast 3.800 Meter hohes Haupt über den Yanamakako-See hinweg leuchtet und sich noch nicht in den morgendlichen Nebel gehüllt hat, aus dem es dann stundenlang nicht wieder hervorlugen mag. In Tokio haben es kühne Architekten jetzt immerhin bis zu einem 634 Meter hohen Sendeturm gebracht, dem Skytree. Besonderer Gag: Wer auf dem 450 Meter hohen Rundgang aus dem 35-km/h-Fahrstuhl tritt, steht unversehens auf einem Glasboden und kann Tokio zu seinen Füßen betrachten. Glück gehabt, wem sich hier nicht sofort der Magen umdreht.

Über das wahre Glück aber, einen Mazda MX-5 in Japan zu fahren, erfährt der Besucher am meisten auf dem legendären Daikoku-Rastplatz in Yokohama. Hier treffen sich viele der rund 1.000 Mitglieder des japanischen MX-5-Clubs, darunter etwa Yasunari Kataigi, Ausbilder der Tokioter Motorradpolizisten: "Im MX-5 kommt das Fahrgefühl dem Motorrad am nächsten." Clubfreund Yasuyuki Goto liebt seinen Mazda, weil es "der Sportwagen ist, den ich mir leisten kann, und weil ich schon mehrere Clubrennen damit gewonnen habe".

Clubgründer Masanori Mizuochi ist Wankelfan und lobt deshalb besonders die handgefertigten drei Kreiskolbenexemplare des Mazda MX-5, die es in Japan gibt. "Ihre Besitzer", bekundet er, "haben schließlich etwas getan, um noch glücklicher zu sein."

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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