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Pick-up mit Brennstoffzelle statt Dieselmotor
Toyota Hilux fährt mit Wasserstoff besser als mit Diesel

Toyota hat eine Brennstoffzellen-Variante des Pick-up Hilux entwickelt. Sie verwendet die Technik aus dem Mirai und bietet bis zu 600 km Reichweite. Wir sind den Prototypen gefahren.

Während vor allem in den USA die neuen batterieelektrischen Pick-ups wie die Pilze aus dem Boden poppen, setzt der größte Autohersteller der Welt auch bei den Pritschenwagen auf das Thema Brennstoffzelle. Zumindest in Kleinserie. Angekündigt wurde das Projekt Ende 2022, im September 2023 stellten die Japaner einen ersten Prototyp eines wasserstoffbetriebenen Toyota Hilux für Europa vor. Im Frühjahr 2024 sind umfangreiche Testfahrten angelaufen.

Unsere Highlights

Technik aus dem Mirai

Entwickelt wurde der Pritschenwagen mit Brennstoffzelle in England – auf der Insel winkten reichlich staatliche Fördermittel – von einem Konsortium unter der Leitung der dortigen Toyota Manufacturing UK Limited (TMUK). Mit an Bord war das Ingenieursunternehmen Ricardo, die Forma European Thermodynamic, die Unternehmensgruppe D2H sowie Thatcham Research. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Toyota Motors Europe steuerte ebenfalls ihr Fachwissen bei.

Der Hilux mit Brennstoffzellenantrieb setzt auf die Antriebstechnik aus dem Toyota Mirai. Während die Brennstoffzelle (330 Zellen Polymer-Elektrolyt) anstelle des Verbrennermotors im Vorderwagen untergebracht wird, sind drei Hochdruck-Tanks längs zwischen den Chassis-Trägern unter dem Wagen montiert. Die Batterie, die den von der Brennstoffzelle erzeugten Strom speichert, ist unter der Ladefläche im Heck untergebracht, sodass kein Platz in der Fahrerkabine eingebüßt wird. Den Antrieb übernimmt eine Elektromaschine an der Hinterachse, vom Allradantrieb wie beim Standard-Hilux haben sich die Japaner vorerst verabschiedet.

Toyota Hilux FCEV – Brennstoffzelle
Toyota
Kein Allradantrieb: Die Technik stammt aus dem Mirai.

Die technischen Daten des Wasserstoff-Pick-ups konnten wir bereits vom Toyota Mirai ableiten. Der Hilux bekommt die Technik aus der zweiten Mirai-Generation, die 2021 bei uns debütierte. Bedeutet: Ein Lithium-Ionen-Akku als Pufferspeicher und ein permanenterregter Synchronmotor für den Hinterradantrieb, der es auf 134 kW und 300 Newtonmeter bringt. Der Wasserstoff wird in drei Hochdrucktanks mit jeweils 2,6 Kilogramm Fassungsvermögen gespeichert. Diese sind im Leiterrahmen-Fahrgestell des Pick-ups verbaut. Toyota verspricht Reichweiten von bis zu 600 Kilometer.

Neue Hinterachse viel komfortabler

Ganz so weit können wir bei unserer ersten Testfahrt in einem englischen Steinbruch nicht ausreiten. Doch schon auf den ersten Metern werden die Vorteile des Prototypen deutlich. Zum einen lässt sich der Toyo wie jeder konventionelle Automatik-Diesel bedienen. Startknopf drücken, Gangwähler auf D und los gehts. Zum anderen verbauten die Ingenieure beim H2-Hilux eine komplett andere Hinterachse. Statt der massiven starren Variante samt Differenzial hängen die hinteren Räder jetzt an einer sogenannten De-Dion-Achse. Dabei gibt es zwar auch eine starre Verbindung zwischen beiden Rädern, der E-Motor ist statt des Differentials allerdings mittig am Rahmen montiert, was die ungefederten Massen erheblich verringert.

Gerade auf dem von Kettenfahrzeugen gestanzten Waschbrett-Schotter lässt sich der Prototyp viel weniger aus der Ruhe bringen als sein Diesel-Pendant mit seinem zittrig auf und abspringenden Heck. Ruhe ist überhaupt das Thema. Weil es sich beim H2-Hilux faktisch um ein Elektroauto handelt, merkt man im Innenraum weder Dieselvibrationen noch jedweden Auspuffsound. Lediglich bei Volllast muss der große Luftkompressor ordentlich rotieren, was sich im Auto durch ein leises Pfeifen deutlich macht. Auf plötzliche Gasbefehle oder Wegnahme reagiert der E-Turbo prompt, sodass er nebenbei als hörbares Gaspedal-Feedback dient.

Trotz Effizienz: Kühlung ist das große Thema

Würde die Brennstoffzelle durchweg unter Höchstleistung laufen – also mit 128 kW (umgerechnet: 175 PS) – müsste ihr der Kompressor gut 5.000 Liter Luft in der Minute zuschaufeln. Dafür entsteht bei der internen Reaktion von Sauerstoff und Wasserstoff lediglich Wasser, das durch ein kleines Rohr zum Unterboden geführt und auf den Untergrund entlassen wird. Einziges zusätzliches Nebenprodukt: Wärme. Durch die chemische Reaktion in den 330 zusammengepressten Sandwichplatten entsteht nämlich reichlich davon. Kleine Wasserkanäle in jeder einzelnen Zelle übernehmen die Kühlwasserführung.

"Hätten wir keine Kühlung, würde die Brennstoffzelle innerhalb kurzer Zeit anfangen zu brennen," erklärt uns Joachim De Boever, einer der verantwortlichen Ingenieure des Projekts. Drei hintereinander gelagerte Flachkühler an der Front übernehmen wie beim Mirai den Wärmeaustausch mit der Umgebung. Allerdings sitzen sie wegen des kurzen Überhangs des Hilux im Prototypen dichter an der Brennstoffzelle. Auch im Rahmenheck verstecken sich zwei zusätzliche Kühler, die allerdings für die Abführung der E-Motor-Wärme zuständig sind. Anders als batterieelektrische Autos sind Wasserstoffautos wie der Hilux im Winter also effizienter. Schließlich müssen sie weniger kühlen, können auf höheren Sauerstoffgehalt der Luft bauen und heizen den Innenraum quasi nebenbei ohne extra Energieaufwand.

Heckantrieb ist ein Nachteil beim Hilux

Auch wir haben es bei der Testfahrt durch das zehn Grad kalte englische Wetter angenehm warm im Auto. Dabei unterscheiden sich weder die Klimabedienung noch die Reichweiten-Angaben vom kurz vorher gefahrenen Diesel-Modell. Der Dreh-Schalter für den zuschaltbaren Allradantrieb fehlt allerdings. Auf den Schottersteigungen keilt der 5,33 Meter lange Pick-up daher trotz Stollen-Bereifung schnell mit dem Hinterteil aus. Fairerweise sei erwähnt, dass der Prototyp weder über eine Traktionskontrolle noch über ESP verfügt. Lange Schotterdrifts gelingen mit dem Wasserstoff-Hilux auf Anhieb, auch weil die E-Maschine auf Wunsch jederzeit und spontan ihr volles Drehmoment an die Hinterräder schicken kann. Gerade deswegen dürften potenzielle Kunden den Allradantrieb nicht nur im Gelände vermissen.

Auf der Habenseite verbucht die Wasserstoff-Technik eine deutlich bessere Gewichtsverteilung beim langen Pick-up. Denn neben der Antriebsmaschine – dem schweren E-Motor – lasten auch die drei stattlichen Wasserstofftanks hauptsächlich auf der Hinterachse. Dazu wiegt die Brennstoffzelle vorn deutlich weniger als ein Dieselmotor. Getriebe, Verteilergetriebe, Kardantrieb und vorderes Differential samt Antriebswellen fallen beim H2-Hilux weg. Die Ingenieure sprechen am Ende von einer nahezu ausgeglichenen Gewichts-Balance zwischen Vorder- und Hinterachse. Zur Zuladung und Anhängelast gibt es im jetzigen Entwicklungsstadium allerdings noch keine Angaben.

Kleinserienfertigung möglich

Dass Toyota den Hilux zum Wasserstoff-Pick-up umrüstet, hat zweierlei Gründe. Einerseits gibt es eine großzügige finanzielle Förderung für das Projekt seitens der britischen Regierung, andererseits ist der Umbau vergleichsweise einfach. Denn bei einem Pick-up mit Leiterrahmen lassen sich die einzelnen Komponenten des FCEV-Antriebs einfacher nachträglich integrieren als in das komplexe selbsttragende Chassis eines Pkw.

Zudem gibt es in Asien parallel ein Prototypen-Projekt, dass sich mit einem batterieelektrischen Hilux befasst. Die Hinterachse stammt beispielsweise von dort. Der eigentliche Prototypenbau begann im Juni 2023. Das erste Fahrzeug wurde in gerade einmal drei Wochen fertiggestellt. Weitere neun Prototypen wurden bis Jahresende 2023 gefertigt und durchliefen Prüfstands-Tests und Überprüfungen auf speziellen Strecken.

Die insgesamt zehn Prototypen werden nun im Rahmen von Feld- und Kundentests erprobt, was die letzte Phase dieses Forschungs- und Demonstrationsprojekts für den Hilux mit Brennstoffzelle darstellt. Ob und wie es weitergeht, dürfte vor allem vom Interesse der Kunden abhängen. Für 2026 hat Toyota die dritte Generation der Brennstoffzelle angekündigt. Die soll bei gleicher Leistung viel kleiner sein als die bisherige. Damit würde dann auch ein zweiter E-Motor an der Vorderachse des Hilux Platz finden.

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ElektroantriebWasserstoff-Brennstoffzelle

Fazit

Nicht zuletzt dank britischer Fördergelder baut Toyota den Pick-up Hilux auf Brennstoffzellenantrieb um. Die Technik dazu stammt aus dem Mirai. Zunächst entstehen einige Prototypen für ausgiebige Erprobungsfahrten. Bei erfolgreichem Abschluss denkt Toyota über eine Kleinserie des Wasserstoff-Pick-up nach. Wir sind das Modell gefahren und erklären Vor- und Nachteile der Technik.

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Erscheinungsdatum 12.09.2024

148 Seiten