Nissan Micra (2025): Der R5-Klon ist eigenständiger als gedacht

Nissan Micra 2025
Der R5-Klon ist eigenständiger als gedacht

Veröffentlicht am 21.05.2025

Der japanische Autoherstelle Nissan startet eine Neuheiten-Offensive für den europäischen Markt mit vier Elektroautos, die zusätzlich zum bereits erhältlichen Ariya das Modellprogramm erweitern. Den Anfang macht die sechste Generation des Kleinwagens Micra, gefolgt vom neuen Leaf, dem Juke-Nachfolger und einem Kleinstwagen im A-Segment. Schützenhilfe bei der Entwicklung kommt von Allianzpartner Renault.

Seit Ende 1982 ist Nissan mit dem Micra im Kleinwagen-Segment vertreten; die ersten Exemplare rollten damals noch unter dem einst verwendeten Datsun-Label auf die Straße. Schon der letzte Micra wurde in Europa gebaut, er basierte auf dem Renault Clio. Noch in diesem Jahr startet der Nachfolger als Elektroauto. Er nutzt die AmpR-Small-Plattform und ist ein enger Verwandter des Renault 5. Auf den ersten flüchtigen Blick mag man ein simples "Badge Engineering" vermuten, also den reinen Austausch von Logos. Damit wird man dem Nissan Micra aber nicht gerecht, wie wir bei unserem ersten Kennenlernen des Autos mit Sitzprobe feststellen können.

Eigener Micra-Charakter

Die Rohkarosserie und somit die Proportionen sind bei R5 und Micra identisch. Der Fünftürer ist 3,97 Meter lang, 1,77 Meter breit und 1,49 Meter hoch. Die meisten Blechteile sind beim Nissan, der im markeneigenen Europa-Designstudio in London gezeichnet wurde, individuell gestaltet.

Runde Tagfahrlicht-Bögen bestimmen das Gesicht des Micra. Sie sorgen für einen charmanten Augenaufschlag und umschließen die LED-Hauptscheinwerfer. Die Fronthaube trägt das Nissan-Logo und trifft auf Höhe der Scheinwerfer auf den Stoßfänger. Am Profil fallen die Rundungen im Blech über den Radläufen auf. Der Renault 5 zeigt kantigere Backen. Vom Gehäuse der vorderen Scheinwerfer zieht sich eine Einkerbung bis in die hinteren Türen des Nissan Micra. Die Designer ließen sich hier von der Spur eines Löffels in Eiscreme inspirieren, wie uns im Gespräch verraten wird. Es bleibt bei den soliden Bügelgriffen in den vorderen Türen; die Klappgriffe für den Zustieg in den Fond stecken in den C-Säulen. Auch das hintere Seitenteil wurde umgestaltet. Am Heck zitieren runde Leuchten mit lackierter Fläche innerhalb des LED-Kreises das Lichtdesign der Front.

18-Zoll-Felgen sind stets serienmäßig. Beim Basismodell decken Kunststoffblenden die Stahlräder ab, in den höheren Ausstattungslinien zählen Leichtmetallfelgen zur Ausstattung. Schwarze Dekore an den Seitenschwellern betonen optisch die Einbaulage des Akkus im Fahrzeugboden und sollen gleichzeitig die deswegen nötige Höhe kaschieren. Sie sind, wie die Leisten an den Radhäusern und Teile der Stoßfänger, in hochglänzendem Schwarz ausgeführt. Das sieht im Fotostudio und im Schauraum des Händlers gut aus, dürfte im Auto-Alltag aber schnell verkratzen.

Enger Fond, Google im Cockpit

Keine Unterschiede zum französischen Verwandten gibt es beim Platzangebot. Der Kofferraum ist mit 326 Litern (bzw. 276 Litern nach der VDA-Messmethode mit Würfeln) durchschnittlich groß. Das Gepäck muss über eine hohe Ladekante gewuchtet werden. Im Fond knausert auch der Micra mit dem Knieraum. Große Menschen beklagen zudem eine nicht ausreichende Kopffreiheit. Bequemer hat man es auf den üppig dimensionierten Vordersitzen.

Die Materialauswahl konnten wir im Basis-Micra mit grauen Stoffbezügen und dem künftigen Topmodell mit einer Kunstleder-Textil-Mischung prüfen. Die Bezeichnungen der Ausstattungslinien sind noch nicht bekannt. Alle Oberflächen im Elektro-Kleinwagen sehen gut aus und fühlen sich auch so an. Die Farbwahl wirkt modern, unterscheidet sich damit vom bewussten Retro-Muster im R5. Das Ambientelicht wird, ausstattungsabhängig, in 48 verschiedenen Farben wählbar sein; im Topmodell ist ein Harman/Kardon-Soundsystem an Bord.

Vom R5 ist auch die Architektur des Cockpits bekannt. Neben dem Display für die Instrumente (sieben Zoll Bildschirmdiagonale in der Basis, zehn Zoll in den höheren Linien) neigt sich der Infotainment-Touchscreen leicht in Richtung Fahrer. Das erleichtert die Bedienung. Nach dem Qashqai-Facelift ist der Micra der zweite Nissan, der – wie die Freunde aus Frankreich – auf Google-Software im Auto setzt. Android Automotive ist das Betriebssystem, dazu kommen Programme wie Google Maps für die Routenführung, die Sprachsteuerung mit Google Assistant und der Play Store. Über ihn lassen sich weitere Apps, beispielsweise für Musik-Streaming, ins Auto laden. Wer mag, kann aber auch weiterhin die Inhalte des eigenen Smartphones über Android Auto oder Apple Carplay nutzen. Die Klimafunktionen werden über gut platzierte, logisch gruppierte und haptisch ansprechende Kippschalter unter dem Monitor gesteuert.

Das Lenkrad entspricht, bis auf den Pralltopf mit Nissan-Logo, dem Volant im R5. Auch hier drückt man zur Steuerung der Fahrassistenz oder zur Änderung des Instrumenten-Layouts also auf hochglänzend-schwarzen Feldern herum. Ein separater Knopf erlaubt die Änderung des Fahrmodus, eine Konfiguration des Individual-Programms kann man dann über den Touchscreen vornehmen. Rechts von der Lenksäule wird es recht unübersichtlich. Zum Bedien-Element für die Änderung von Audio-Lautstärke, Radiosender oder Musik-Titel und dem Scheibenwischerhebel kommt der Stab zum Einlegen der Fahrstufe.

Akku mit 40 oder 52 kWh

Zwei Motorvarianten sind geplant, die fremderregte Synchronmaschine sitzt jeweils unter der vorderen Haube. 90 kW (122 PS) leistet das Grundmodell. Der Strom kommt aus einem 40 kWh großen Akku, die Reichweite nach WLTP-Norm wird mit 310 Kilometern geplant. An einer Wallbox oder öffentlichen Ladesäule zieht die Batterie Wechselstrom über drei Phasen mit elf kW. Die maximale Leistung am Schnelllader wird mit 80 kW angegeben. In rund 30 Minuten ist der Füllstand des Akkus von 15 auf 80 Prozent gewachsen.

52 Kilowattstunden passen in das Batteriemodul des Micra mit 110 kW (150 PS) starkem Motor, der in den Fahrmodi Comfort und Sport (Eco: reduzierte Leistung von 50 kW und eine Kraft von 215 Nm) ein Drehmoment von 245 Newtonmetern entwickelt. Beide Varianten erreichen eine elektronisch begrenzte Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h. Die Ladeleistung des größeren Akkus über CCS liegt mit 100 kW etwas höher. Aufgrund der größeren Zahl von Elektronen bleibt es aber bei 30 Minuten für den Hub von 15 auf 80 Prozent.

Ein-Pedal-Fahren ist möglich

Über Schaltwippen am Lenkrad lässt sich die Energie-Rekuperation in drei Stufen einstellen. Außerdem gibt es eine E-Pedal-Funktion mit maximaler Verzögerung durch Rückgewinnung von Strom bis zum Stillstand. Wer diesen Modus, beispielsweise bei vorausschauender Fahrweise im Stadtverkehr, konsequent nutzt, muss das Bremspedal kaum noch betätigen.

Im Winter hilft die serienmäßige Wärmepumpe, auch bei kalten Temperaturen die Reichweite stabil zu halten. Eine V2L-Funktion ("Vehicle to Load" für das Laden externer Verbraucher mit Strom aus der Traktionsbatterie) ist ebenfalls ab Werk an Bord. Der entsprechende Adapter wird im Zubehör-Programm zu finden sein.

Marktstart und Preise

Ende 2025 kommt der Nissan Micra aus französischer Produktion zu den Händlern und Frühbestellern. Preise sind noch nicht bekannt. Also schielen wir mal in den Konfigurator des Renault 5. Der startet mit 40 kWh im Akku aktuell bei 27.900 Euro, später startet eine in der Ausstattung reduzierte Basisversion für 24.900 Euro. Der R5 mit 110 kW und größerem Akku ist in der Ausstattungslinie Techno ab 32.900 Euro zu haben (Preise Stand Mai 2025). Auf ähnlichem Niveau dürften sich die Tarife für den Nissan Micra bewegen.