Nilu27 Hypercar: 1.000-PS-V12-Extremsportler für Puristen

Nilu27 Hypercar im Koenigsegg-Stil
1.000-PS-V12-Sportler für reiche Puristen

Zuletzt aktualisiert am 08.08.2024

Hyundai Genesis, Lamborghini, Bugatti, Koenigsegg, viele Autodesigner und -designerinnen dürften davon träumen, nur einen dieser Arbeitgeber in ihrem Lebenslauf nennen zu können. Sasha Selipanov war gleich bei allen genannten Marken beschäftigt. Zum Start seiner Karriere im VW-Konzern arbeitete er am Lamborghini Huracán und Bugatti Chiron mit, bevor er nach Korea wechselte und dort im Hyundai-Konzern für das Design der Edelmarke Genesis verantwortlich war. Nach seiner Europa-Rückkehr landete Selipanov in Schweden und entwarf Hypercars für Koenigsegg, darunter den Hybrid-Sportler Gemera und den CC850.

Doch dort blieb er nicht lange. 2022 verließ er den Kleinserienhersteller nach etwa drei Jahren und machte sich mit seinem eigenen Design-Büro Hardline27 selbstständig. Nun stellt der in der ehemaligen Sowjetunion geborene Autogestalter sein erstes eigenes Autoprojekt vor. Mit dem Nilu27 plant er, in Eigenregie ein vorerst nicht straßenzugelassenes Hypercar auf den Markt zu bringen. Am 8. August debütiert es im kleinen Rahmen bei einer privaten Veranstaltung in Los Angeles mit geladenen Gästen, bevor sich der Nilu am 15. August im kalifornischen Pebble Beach im Rahmen der Monterey Car Week erstmals offiziell vor Publikum zeigt.

Design

Dass im Nilu-Design offensichtlich ein gerütteltes Maß Koenigsegg-DNA steckt, ist also kein Zufall. Das Hinterteil präsentiert sich extrem offenherzig und gibt den Blick auf die hinteren Räder, die Fahrwerkstechnik und einen Großteil des Motorraums frei. Im Souterrain sitzt ein mächtiger Diffusor, während das Flügelkonzept im Obergeschoss an jenes eines Formel-1-Autos erinnert. Unten gibt es ein einzelnes Spoilerelement (wie der Beam-Wing eines F1-Boliden), während darüber zwei Flaps die umströmende Luft in die gewünschten Bahnen lenken.

Dazwischen sitzt der aus dem Hightech-Werkstoff Inconel gefertigte Auspuff, den die Luftleitelemente mit ihren zentralen Biegungen als Herzstück des Nilu27-Hecks inszenieren. Die Rückleuchten bestehen aus zwei Feldern pro Seite, in denen jeweils zehn LED-Spots sitzen. Ein ähnliches Detail findet sich zentral im Diffusor – auch das eine optische Analogie zu einem Formel-1-Rennwagen. Die im Bereich der Fahrgastzelle kuppelartige Karosserie sucht dagegen eher die optische Nähe zu einem Le-Mans-Hypercar. Detailansichten des Bereiches rund um den Tankdeckel und des Schwellers dokumentieren den großflächigen Einsatz von geschmiedetem Carbon. Riesige Luftein- und -auslässe stellen einen gesunden Temperaturhaushalt im Motorabteil sicher. Die klassischen Außenspiegel befinden sich auf den ausladenden Türbrüstungen und streben optisch nach vorn.

Riesige Lufteinlässe gibt es vorn ebenfalls: Wie die geblähten Nüstern eines Pferdes sitzen die Öffnungen in der geschwungen gestalteten Frontschürze, während im oberen Bereich des Vorderwagens warme Luft entweicht. Um die äußeren Enden der Frontschürze ziehen sich schmale LED-Leuchtbänder herum, die als Tagfahrlichter dienen. Die eigentlichen Scheinwerfer (falls der Nilu als nicht straßenzugelassenes Track Tool überhaupt welche beseitzt) scheinen in den vorderen Bereichen der Kotflügel versenkt zu sein, wenn sie nicht gebraucht werden. Außen an der Frontschürze sitzen jeweils zwei Flügelchen.

Motor

Das Nilu-Hypercar soll ein "ungefiltertes, unzensiertes Fahrerlebnis" bieten. Deshalb verzichten Selipanov und seine Mitstreiter komplett auf Elektrifizierung. Hinter der Fahrgastzelle sitzt als Mittelmotor ein V12-Sauger-Triebwerk, das vom neuseeländischen Rennmotorenbauer Hartley Engines stammt. Der 6,5-Liter-V12 mit zwölf Einzeldrosselklappen, 80-Grad-Bankwinkel, großer Bohrung und kurzem Hub stellt seine Technik offen zur Schau und soll den Nilu Firmenangaben zufolge mit mehr als 1.000 PS zum weltweit stärksten Saugmotor-Hypercar machen. Ein Alleinstellungsmerkmal ist das "heiße V", bei dem die konventionellen Auslass- und Einlasspositionen vertauscht sind. Das soll Vorteile beim Platzbedarf und in puncto Wärmeableitung bringen. Der verschlungene 12-in-1-Auspuffkrümmer in Schlangengrubenoptik macht das Technik- obendrein zum Ästhetik-Kunstwerk.

Chassis und Fahrwerk

Der Nilu baut auf einem Kohlefaser-Monocoque auf. Rohre aus einer Aluminiumlegierung dienen als Hilfsrahmen; rund um das Getriebe tragen sie eine Keramik-Beschichtung. Dadurch sollen die Komponenten des Antriebsstrangs besser zu erreichen sein und Vorteile bei der Wärmeableitung erzielt werden.

Das Nilu-Fahrwerk arbeitet mit Pushrod-Doppelquerlenker-Aufhängungen, verzichtet jedoch auf Fahrmodi und andere individuelle Abstimmungs-Möglichkeiten. Die passenden Reifen liefert Technologiepartner Michelin in Form seiner haftstarken Pilot-Sport-Cup-2-R-Semislicks. Sie schmiegen sich an klassisch gestaltete Fünfspeichenfelgen mit Zentralverschluss, die vom italienischen Spezialisten AppTech stammen, und kommen in den Formaten 265/35 ZR20 (vorne) und 325/30 ZR21 (hinten) zum Einsatz. Die Carbon-Keramik-Bremsanlage stammt ebenfalls aus Italien: Brembo liefert sowohl die Sättel als auch die Scheiben.

Innenraum

Die Türen öffnen im Stile des Mercedes 300 SL nach oben. Hier zeigt sich ebenfalls der Oldschool-Ansatz des Nilu, der fast vollständig auf Digitalisierung verzichtet. Der einzige Monitor zeigt das Bild der Rückfahrkamera an; ein klassischer Innenspiegel würde angesichts eines fehlenden Heckfensters nichts bringen. Zusätzlich gibt es vier analoge Rundinstrumente: Der 400-km/h-Tacho und der Drehzahlmesser sitzen links und rechts vom Volant, während sich dahinter zwei Zusatzinstrumente befinden.

Hinter extrem breiten Schwellern warten zwei tief ins Chassis eingebettete Schalensitze auf die beiden Insassen, die sich mit Schroth-Renngurten festschnallen. Das Lenkrad mit Zwölf-Uhr-Markierung ist rund und bietet keinerlei Multifunktionstasten, der lange Schalthebel des manuellen Siebengang-Getriebes flitzt durch eine offene Kulisse. Im Interieur zeigt sich ebenfalls viel naturbelassenes, geschmiedetes Carbon. Die als Schlaufen ausgeführten Türöffner leisten ihren Beitrag beim Thema Leichtbau. Alle verstellbaren Elemente wie das Lenkrad, die Metall-Pedalerie, die Kopfstützen oder die Außenspiegel lassen sich nur manuell über aus Billet-Aluminium gefertigte Elemente justieren.

Preis, Markteinführung, Limitierung

Einen Preis nennt Sasha Selipanov für sein erstes eigenes Automodell noch nicht. Angesichts der großen Detailliebe und der Limitierung auf ("zunächst") nur 15 Exemplare dürfte sich dieser locker im siebenstelligen Bereich ansiedeln. Bevor Nilu27 eigene Produktionsanlagen aufgebaut hat, übernimmt die kalifornische Aria Group die Fertigung der Prototypen und der ersten Kundenfahrzeuge. Später soll eine straßenzugelassene Modellvariante folgen, die auf 54 Exemplare limitiert wird. Vier von ihnen sollen als Einzelstücke gefertigt werden.

Namensgebung

Bleibt noch zu klären, was der Name des Nilu-Hypercars bedeutet: Er formt sich aus den ersten beiden Silben der Vornamen seiner Töchter (Nica und Lucia) sowie der Startnummer 27, mit der einst der von Selipanov verehrte Gilles Villeneuve im V12-Ferrari spektakulär über die Formel-1-Pisten jagte.