Hybridantriebe sind für Ferrari heute Sportwagen-Normalität. 2012 sah das noch anders aus. Die Scuderia hatte in der Formel 1 zwar schon seit einigen Jahren Erfahrungen mit dem KERS-Hybrid gesammelt, aber bei ihren Straßenautos betraten die Italiener damals elektrifiziertes Neuland. Umso intensiver dürften damals die Testreihen mit ihren Hybrid-Prototypen abgelaufen sein. Immerhin sollte schon ein Jahr später mit dem LaFerrari der erste Hybridsportler der Nobelmarke auf den Markt kommen. Und mit Boliden wie dem McLaren P1 und Porsche 918 Spyder nicht nur mithalten können, sondern die namhafte Konkurrenz in ihre Schranken weisen.
Solche Prototypen landen nach getaner Arbeit meist in der Schrottpresse, werden für Crashtests verwendet oder rollen in seltenen Fällen auch mal ins Werksmuseum. Bei Ferrari ticken die Uhren – wie so oft – jedoch ein bisschen anders. Immer wieder bieten die Italiener ihren besonders treuen Stammkunden Prototypen zum Verkauf an, sobald feststeht, dass sie nicht mehr für Entwicklungszwecke benötigt werden. Und so kommt es, dass sich dieser LaFerrari-Erlkönig seit 2016 in privater Hand befindet. Nun sucht er eine neue Besitzerin oder einen neuen Besitzer. Oder besser: Das Auktionshaus RM Sotheby's tut dies. Und zwar bei einer Versteigerung, die am 14. Mai 2022 im schillernden Monte Carlo stattfindet – im natürlichen Habitat eines Serien-LaFerraris also, den die Italiener auf dem Genfer Autosalon 2013 offiziell vorgestellt haben.
Prototyp auf 458-Italia-Basis
Ferrari-Kennern ist natürlich längst aufgefallen, dass dieser Erlkönig optisch wenig mit dem endgültigen LaFerrari, der während seiner Entwicklungsphase den Werks-Code "F150" trug, zu tun hat. Das hat einen einfachen Grund: Als früher Prototyp – er trägt die interne Kennung "M6", was auch immer das bedeuten mag – kommt er in Form eines Mulettos daher. In einem solchen Erlkönig wird die Technik eines neuen Autos in der Gestalt eines bereits existierenden Modells getestet. Hier gab sich ein Ferrari 458 Italia für den guten Zweck her. Und statt dem V8-Sportler die tiefen Be- und Entlüftungsfurchen des späteren Serienmodells in die Karosserie zu modellieren, stanzten die Techniker ihm unter anderem Klappen aus, um sich einen besseren Zugang zur dort untergebrachten Technik zu sichern.
![LaFerrari Prototyp Erlkönig Auktion Versteigerung](https://imgr1.auto-motor-und-sport.de/LaFerrari-Prototyp-Erlkoenig-Auktion-Versteigerung-169Inline-c730a91d-1886697.jpg)
Das war aber längst nicht der größte Aufwand, der bei diesem LaFerrari-Erlkönig betrieben wurde. Im Serienauto hängt der Verbrenner-Part des Hybridantriebs, ein 6,3-Liter-V12, im Zentrum eines Carbon-Monocoques. Der Ferrari 458 Italia ist dagegen mit einem Aluminium-Chassis unterwegs. Also mussten sowohl der Unterbau als auch die Karosserie des edlen Spenders weitreichend angepasst werden, damit der Zwölfzylinder auch wirklich Platz in dessen Innern findet. Ähnliches gilt für die Komponenten der Lenkung, Bremsen, Radaufhängungen und Reifen sowie des Fahrwerks und ESP-Systems. Auf deren Entwicklung lag bei diesem Erlkönig nämlich das Hauptaugenmerk. Aber natürlich musste auch die Hybrid-Technik zeigen, wozu sie imstande ist – auch wenn die Systemleistung sicher noch einige Pferdchen entfernt war von den 963 PS des finalen Produkts.
Vom Serienzustand noch weit entfernt
Von den 499 gebauten LaFerrari-Coupés – später kamen noch 210 offene Aperta-Exemplare hinzu – unterscheidet sich der Prototyp aber nicht nur durch die optische Nähe zum 458 Italia. Er verfügt weiterhin über die abnehmbaren Beplankungen, mit denen Ferrari seinerzeit die Formgebung zu kaschieren versuchte. Darunter verbirgt sich eine schwarze Karosserie, die an manchen Stellen ziemlich zerkratzt ist. Das Interieur präsentiert eine Auswahl an Farben und Stilen und zudem die Lederfarbe Beige, während der Motorraum deutlich unaufgeräumter daherkommt, als es bei einem Serien-Ferrari üblich ist. Auch alle Warnhinweise, sonstige Aufkleber und Schalter sind weiterhin an Bord. Manches davon spricht sogar deutsch: "Sitz nicht verstellen – Feuerloescher hinter Sitz" steht da beifahrerseitig auf dem Armaturenbrett geschrieben. Teilweise finden sich handschriftliche Notizen der Testfahrer und -ingenieure auf Karosserie und Einzelteilen.
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Der Erlkönig, der am 14. Mai in Monte Carlo versteigert wird, wurde sicher nicht geschont während seiner aktiven Karriere. Er wurde seinerzeit mehrfach in der Nähe des Firmensitzes in Maranello gesichtet, aber auch auf der Nürburgring-Nordschleife war er zu Testfahrten unterwegs. Letztlich kamen insgesamt 3.322 Kilometer zusammen. Viel mehr kommen wohl nicht mehr dazu: Für den Straßenverkehr ist dieser von Ferrari Classiche offiziell zertifizierte Muletto nicht zugelassen, Vorführungen bei Rennstrecken-Events mit Publikumsverkehr verbietet der Hersteller. Wer auch immer sich das Auto sichert (der Schätzpreis liegt bei 1,4 bis 1,8 Millionen Euro), wird es wohl endgültig vom Fahr- zum Stehzeug umfunktionieren und zum Teil einer Sammlung machen.
Fazit
Es soll ja Menschen geben, in deren Ferrari-Sammlung sich bereits jedes relevante Serienmodell befindet. Falls sich solche Zeitgenossen die Frage stellen, wie sich das Vorhandene noch toppen lässt, sollten sie sich Mitte Mai in Monte Carlo einfinden und bei diesem LaFerrari-Prototypen mitbieten. Viel kann man damit zwar nicht anstellen. Aber wer sonst schon alles hat, erhält auf diesem Weg die Möglichkeit, sich etwas Besonderes zu sichern.