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Porsche-Chef Oliver Blume im Exklusiv-Interview
„Verbrenner, Hybrid und E-Antrieb in jedem Segment“

Wie Porsche-Chef Oliver Blume die Marke weiterentwickeln will und wie das mit seiner Rolle als Konzernlenker zusammenspielt und welche Porsche kommen werden, erklärt er im Exklusiv-Interview mit auto motor und sport.

Oliver Blume, Porsche-Chef, VW-Vorstand
Foto: Porsche
Wie lebt es sich in der Doppelfunktion des VW-Konzernchefs und des Porsche-Vorstandsvorsitzenden?

Beide Aufgaben machen mir große Freude. Ich bin seit 30 Jahren im Volkswagen-Konzern in verschiedenen Marken und weiß, wie der Konzern tickt. Doppelrollen waren schon in der Historie erfolgreich. Auch Ferdinand Piëch oder Martin Winterkorn haben neben dem Konzern auch eine Marke geführt, um eng an den Technologien und Prozessen zu arbeiten. Genau das ist maßgebend, um übergeordnet die richtigen strategischen Entscheidungen zu treffen. Beide Aufgaben sind sehr unterschiedlich. Bei Porsche den Erfolgskurs weiter ausbauen, den Konzern grundlegend sanieren und robust aufstellen. Hier haben wir in den letzten zwei Jahren die wesentlichen strategischen, technischen und organisatorischen Felder ausgerichtet, Entscheidungen getroffen und Baustellen behoben. Jetzt geht es auf dieser Basis vor allem um die vielen neuen Produkte und bessere Kostenpositionen in allen Bereichen des Konzerns.

Unsere Highlights
Hat das Ihren Blickwinkel auf Porsche noch mal verändert?

Es hat in jedem Fall meinen Blick erweitert. Auf Märkte, Technologien, Methoden und übergeordnete Entwicklungen. Es hilft mir, Aufgaben aus unterschiedlichen Perspektiven zu beurteilen. Doppelrollen sind effektiver und schlagkräftiger. Konzern und Marken profitieren gleichermaßen davon. Deshalb haben wir wesentliche Konzernfunktionen wie Design, Entwicklung, Produktion, Beschaffung, Vertrieb oder Qualität in der gleichen Form organisiert. Darüber verzahnen wir das operative Geschäft eng mit der strategischen Führung im Konzern. Grundlegende Erfolgsfaktoren sind für mich: gut organisieren, priorisieren und delegieren. Starkes Teamwork und das richtige Mindset sind entscheidend.

Sie haben unlängst Ihre Halbjahreszahlen veröffentlicht. Wie bewerten Sie die Performance von Porsche im Vergleich zum Vorjahr?

In den letzten vier Jahren sind wir bei Porsche stark gewachsen und haben unser Ergebnis um 75 Prozent auf 7,3 Milliarden Euro und 18 Prozent Rendite gesteigert. 2024 liegen wir finanziell erwartungsgemäß schwächer, da wir vier von sechs Modellreihen in nur einem Jahr komplett erneuern. Dazu kommt eine massive Marktschwäche im China-Luxussegment. Nach einem verhaltenen Start ins Jahr haben wir wieder Porsche-Tempo erreicht und ein robustes erstes Halbjahr abgeliefert. Die Rendite lag trotz aller Rahmenbedingungen oberhalb der 15-Prozent-Marke, unserer langjährigen Zielrendite. Obwohl der chinesische Markt eingebrochen ist, hat Porsche im zweiten Quartal im Bereich Automobil knapp 18 Prozent Rendite geschafft. Damit liegen wir am oberen Ende der Erwartungen. Unsere Modelloffensive ist anspruchsvoll und läuft planmäßig. Von JD Power wurden wir gerade für die beste Qualität im Premium-/Luxussegment ausgezeichnet. Die Ergebnisse und die Teamleistung in diesem Jahr ordne ich noch höher ein als in den vergangenen Jahren.

Mit der "Road to 20"-Strategie setzen Sie sich hohe Ziele. Haben Sie nicht Sorge, dass das überheblich wirken könnte? Vor allem mit Blick auf die Preisgestaltung für die Kunden?

Wir setzen uns bewusst ehrgeizige Ziele. Eine hohe Rendite ist die Grundlage, um in der Transformation der Automobilindustrie und unter volatilen Marktbedingungen die Kraft für zukunftsgerichtete Investitionen zu haben. Gerade mit innovativen Produkten können wir unsere Kundinnen und Kunden begeistern. Strategisch, langfristig eine Rendite von 20 Prozent zu erreichen, ist ein großartiger Ansporn für unser Team, noch effizienter zu werden. Stärkere Renditen machen uns noch unabhängiger und sichern unsere Arbeitsplätze.

Porsche sprach zur Halbjahresbilanz eine Gewinnwarnung aus. Warum?

Das Werk eines Unterlieferanten unserer Tier-1-Supplier ist von Überflutungen betroffen. Der Lieferant versorgt unsere Tier-1-Supplier mit speziell legiertem Aluminium, das wir für unsere hohen Ziehtiefen und Oberflächenqualitäten benötigen. Das betrifft alle Baureihen. Mit unseren Partnern arbeiten wir daran, weltweit Alternativen zu finden. Da die europäischen Kapazitäten für Aluminium ausgeschöpft sind und Alternativlieferanten nur sehr begrenzt Material anbieten können, ist dies eine große Herausforderung.

Wie belastet ist Porsche als Marke durch die Software-Probleme um CARIAD – und wie schnell erhoffen Sie sich hier Hilfe von Rivian?

Auch hier gibt es einen positiven Effekt meiner Doppelrolle. Bei Porsche war ich beim Macan unmittelbar von den Software-Problemen betroffen. Mit meiner neuen Verantwortung als Konzernchef konnte ich direkt bei der CARIAD eingreifen, neu strukturieren und mit dem neuen Team dringende Problemfelder lösen. Die CARIAD heute macht im Zusammenspiel mit den Marken einen starken Job. Aktuell gehen wir mit der neuen Software-Plattform für die PPE-Produkte in die Märkte. Der Audi Q6 e-tron und der Porsche Macan bekommen hervorragendes Feedback bei Medien und Kunden. Auf dieser Basis folgen viele weitere tolle Produkte. Strategisch, zukunftsgerichtet haben wir uns entschieden, fokussierter auf das Software-Defined Vehicle umzusteigen. Also innovative Fahrzeuge, die von der Software her konzipiert werden. Bei unserer weltweiten Aufstellung haben wir uns für Kooperationen mit XPeng in China und mit Rivian in den USA entschieden. Damit transformieren wir zügig zu modernen Zonen-Architekturen und sind global sehr flexibel aufgestellt.

Zügig heißt wie schnell?

In den nächsten Jahren. In China starten wir 2026 mit den ersten Produkten im Markt, auch die MEB-Plattform stellen wir hier um. Die neue SDV-Plattform auf Rivian-Basis kommt ebenfalls in der Mitte der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. Unsere Arbeit konzentriert sich auf die Produkteigenschaften, die für unsere Autos und Marken entscheidend sind. Von der neuen SDV-Architektur gemeinsam mit Rivian werden neben Porsche- auch Audi-, Lamborghini- und Bentley-Produkte profitieren.

Kommen wir zur Hardware. Beim 911 geht die Antriebsschere immer weiter auseinander: Einerseits reißen sich die Fans um eher analoge Varianten wie den S/T, andererseits beginnt nun mit dem T-Hybrid die Elektrifizierung der Baureihe. Wie lange ist dieser Spagat noch möglich?

Das Schöne am 911 ist, dass er alles kann. T, S, GTS, Turbo, Turbo S. Er hat eine unheimliche Spreizung. Zudem die extrem sportlichen GT-Fahrzeuge. Absolute Kultautos. Ergänzt haben wir die Produktpalette um Heritage-Elfer mit moderner Produktsubstanz. Coole Elemente der 50er-, 60er-Jahre und bald 70er-Jahre. Und dann natürlich noch der Offroad-Elfer, der Dakar. Diesen finde ich persönlich super. Wir bauen sehr puristische Modelle für Menschen, die Handschalter lieben. Und sehr komfortable, aber auch dynamische Elfer wie den leistungsgesteigerten Turbo S. Diese Bandbreite macht den Elfer aus. Wir sind eng am Puls unserer Fans. Gerade sind Sonderwünsche extrem gefragt. Deshalb haben wir unsere Exclusive Manufaktur deutlich erweitert.

Wie wohl fühlen Sie sich mit der Entscheidung, dass der 718 rein elektrisch wird?

Sehr wohl. Das Auto wird der Hammer. Wir haben vor einigen Jahren beschlossen, in jedem Segment einen Verbrenner, einen Hybrid und ein elektrisches Fahrzeug anzubieten. Im zweitürigen Sportwagensegment haben wir den 911 mit Sechszylinder-Boxermotor und als Sport-Hybrid. Rein elektrisch kommt der 718 als Boxster und Cayman. Bei den SUV haben wir den Macan als rein elektrisches Modell und den Cayenne als Verbrenner, Plug-in-Hybrid und perspektivisch auch vollelektrisches Fahrzeug. Bei den Sportlimousinen steht der Taycan für E-Performance, während es den Panamera als Verbrenner und Hybrid gibt. Wir sind also in allen Segmenten und für alle Weltregionen mit dem perfekten Angebot flexibel aufgestellt.

Fühlen Sie sich im Nachhinein noch wohl damit, den Macan rein elektrisch zu bringen? Wir kennen einige, die sagen, sie würden den Diesel vermissen.

Das sind zwei Themen. Der Diesel war zwar ein beliebtes Aggregat, aber nicht typisch Porsche. Wir haben ihn vor fünf Jahren aus dem Programm genommen und komplett mit den Benzinern kompensiert. Im Zuge der Transformation unserer Baureihen haben wir priorisiert und bereits 2016 entschieden, den Macan als Verbrenner in Europa nicht mehr aufwendig zu aktualisieren und den Nachfolger als E-Modell zu bringen. Außerhalb Europas gibt es ihn weiterhin als Verbrenner. Beim margenstarken Cayenne und Panamera haben wir bewusst anders entschieden und die bestehende Plattform auch als Verbrenner und Hybrid erneuert. Wir werden beide jeweils als Verbrenner und Hybrid bis weit in die 2030er-Jahre bauen können. Wir haben umfangreich in die Plattform investiert, auch im Rahmen der europäischen Gesetzgebung. Das Feedback für den neuen Cayenne und den neuen Panamera ist fantastisch. Gerade durch die vielen Innovationen. Die Auftragseingänge liegen deutlich über unseren Erwartungen.

War das Thema Cyber-Sicherheit da eigentlich kein Problem bei diesen Baureihen im Vergleich zu der kleinen Baureihe?

Wir haben unsere Investitionen bei der strategischen Aufstellung unserer Baureihen abgewogen und priorisiert. Den neuen Cayenne und Panamera haben wir dabei an die geänderten europäischen Cybersecurity-Anforderungen angepasst. Der Macan steht auf einer älteren Plattform. Die Aufwendungen wären groß gewesen, sodass wir uns bereits vor acht Jahren entschieden haben, den Nachfolger nur noch vollelektrisch aufzusetzen.

Trotzdem werden jetzt einige einen preiswerten Markeneinstieg vermissen. Wie gehen Sie damit um?

Der elektrische Macan mit Hinterradantrieb ist ein toller Einstieg in das SUV-Segment. Und der elektrische 718 wird zukünftig unser Einstieg im Bereich der zweitürigen Sportwagen sein. Die Positionierung ist unverändert, aber das Preisniveau hat sich in der gesamten Industrie nach oben entwickelt. Es gibt nach wie vor Einstiegsmodelle, mit denen man an die Marke Porsche herankommt.

Wenn es jetzt richtig günstige Batterien geben würde, würden Sie dann den Preisvorteil weitergeben an die Kunden?

Die Kosten der Batterie bestimmen einen großen Teil der Materialkosten des Fahrzeugs. Hier wird es in den nächsten Jahren weitere positive Entwicklungen geben, die Einfluss auf das Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Für uns ist immer ein innovatives Gesamtpaket wichtig. Performance, Fahrdynamik, Ladezeit, Reichweite. Je performanter die Batterie, desto weniger Gewicht muss ich ins Auto packen, um die gleiche Leistung zu erzielen. Gerade für die Fahrdynamik besonders relevant. Das ist typisch Porsche, das ist unsere Triebfeder.

Bleibt es eigentlich bei den Überlegungen zu dem K1?

Absolut. Wir sehen für Porsche gute Chancen im obersten SUV-Segment. Der Markt ist weltweit groß, die Kaufkraft hoch und die Renditen stark. Unser Anspruch ist es, auch in diesem Segment das sportlichste Produkt anzubieten. Wie immer haben wir auf unsere Kundinnen und Kunden gehört und werden zum ersten Mal bei Porsche auch ein Derivat als Siebensitzer anbieten. Gerade in Nordamerika oder auch Asien hören wir: "Mensch, ich habe jetzt eine große Familie und hole auch mal mehrere Kinder vom Sport ab, aktuell fehlt mir ein Angebot von Porsche." Das hat uns überzeugt, in diesem Segment etwas zu entwickeln, was konzeptionell genau das bietet: eine ausgeprägte Sportlichkeit, hohe Exklusivität und viel Funktionalität.

Rein elektrisch?

Ja – in diesem Segment werden wir vollelektrisch unterwegs sein. Das Produkt wird weit in die 2030er-Jahre hinein fahren. Wir sind davon überzeugt, dass die Elektromobilität sich in der Zukunft durchsetzen wird. Im Moment sehen wir in Nordamerika und in Europa zwar eine gewisse Abschwächung, das hängt aber auch mit den Rahmenbedingungen zusammen. In China beobachten wir, dass es auch anders geht. Bei Porsche haben wir uns in allen unseren Segmenten flexibel aufgestellt. Das ist aktuell ein großer Vorteil. Aber gerade bei Produkten für das nächste Jahrzehnt halten wir die Elektromobilität für die richtige Entscheidung.

Wäre dann auch ein Van für Sie ein Thema?

Mit dem "Vision Renndienst" hat unser Designteam eine tolle Studie präsentiert. So könnte ein Fahrzeug dieser Kategorie bei Porsche aussehen. Aber eher als Inspiration und Visualisierung von kreativen Ideen. Es gibt keine Entscheidung für so ein Liebhaberprodukt, auch wenn ich selbst es klasse finde. Wir gehen mit der K1-Plattform zunächst auf einen SUV-Siebensitzer.

Die SSP-Plattform macht Ihnen ja gerade Sorgen. Verschiebt sich dann auch für Porsche etwas nach hinten?

Technisch kommen wir gut voran. Der K1 steht auf einer Version der SSP-Plattform und wird in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts kommen. So wie immer geplant. Was den Konzern betrifft, haben wir ein paar Schrittfolgen angepasst – aber nicht wegen technischer Themen. Es geht um die Harmonisierung unserer Cycle-Pläne, also wann in welcher Reihenfolge wir unsere Produkte der Marken in die Märkte bringen. Auch eine ausgewogene Investitionsplanung spielt dabei eine Rolle. Die SSP-Plattform wird es in unterschiedlichen Größen und Leistungsprofilen geben. Wir entwickeln sozusagen ein Regal mit Modulen, auf das die Marken des Volkswagen-Konzerns zugreifen können. Das bringt große Skaleneffekte für den Konzern. Die Entwicklungsverantwortung haben wir nach den jeweiligen Segmenten unter den Marken VW, Audi und Porsche aufgeteilt.

Der Taycan verzeichnet im ersten Halbjahr einen Rückgang von 50 Prozent. Warum?

Am Produkt liegt es sicher nicht. Wir haben einen gewaltigen Sprung gemacht. Wir laden mit bis zu 320 kW und in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent, erreichen Reichweiten von nahezu 700 Kilometern und haben ein großartiges Performance-Profil. Zudem haben wir nun erstmals auch einen Turbo GT aufgesetzt. Auf den Rundstrecken übertreffen wir alles, was die Elektromobilität bislang hergegeben hat. Jetzt müssen wir den Generationenwechsel managen. Das Vorgängermodell runterfahren und das neue Fahrzeug mit seinen Ländervarianten und Derivaten hochfahren. Das ist bei jedem Modellwechsel so. Dabei gibt es erst einmal Angebotslücken. Aus diesen resultiert der aktuelle Rückgang. Normal. Zudem verzeichnen wir momentan eine Abschwächung der Elektromobilität in einzelnen Märkten. Kunden, die den Taycan fahren, sind begeistert. Das zeigen die positiven Rückmeldungen zum neuen Auto. So ein Fahrzeug muss man erleben und fahren, um die ganzen Vorzüge der Elektromobilität zu erleben. Das ist unsere Aufgabe mit unseren Partnern im Handel. Schon bei der ersten Generation war das der Schlüssel zum Erfolg.

Derzeit zweifelt man wieder an der Elektromobilität. Unsere Leser sehen das Hauptproblem in der CO2-Neutralität. Wie sehen Sie das?

Porsche hat die Ambition, entlang der Wertschöpfungskette unserer neu produzierten Fahrzeuge im Jahr 2030 bilanziell CO₂-neutral zu sein – und zwar von der Herstellung über die Nutzung bis zur Verwertung. Das beginnt bei den Materialien. Hier haben wir den Anspruch, in unseren Fahrzeugen nachhaltige Materialien einzusetzen und Ressourcenkreisläufe zu schließen. Den Anteil nachweisbarer Sekundärmaterialien in unseren Fahrzeugen wollen wir deutlich erhöhen. Oder ein anderes Beispiel: Wir engagieren uns in dem Maß in Klimaschutzprojekten, wie die vollelektrische Macan-Flotte über den Fahrzeuglebenszyklus hinweg derzeit nicht vermiedene CO₂-Emissionen verursacht. Grundsätzlich halte ich vier Faktoren für entscheidend für den Hochlauf der Elektromobilität. Zuerst einmal die richtigen Produkte. Die Elektromobilität wird perspektivisch dem Verbrenner hoch überlegen sein. Der zweite wesentliche Punkt: Wir müssen für die notwendige Lade-Infrastruktur sorgen. Als Kooperation zwischen Automobilindustrie, Energieversorgern, Kommunen und übergeordneter Politik. Zudem geht es um Energiepreise. Das ist eine hohe Motivation, um die Fahrzeuge günstiger zu betreiben. Übergeordnet spielen die verfügbaren nachhaltigen Energien eine Rolle; denn nur dann macht Elektromobilität Sinn. Wenn alle diese Faktoren passen – und das wurde beispielsweise in China sehr systematisch entwickelt –, nimmt die Elektromobilität schnell Fahrt auf. Gerade in Deutschland haben wir noch Nachholbedarf, andere europäische Länder entwickeln sich schneller.

Als VW-Konzernchef: Welche Förderung würden Sie sich in Deutschland wünschen?

Erst mal vollen Fokus auf die Lade-Infrastruktur. Dann an den Energiepreisen arbeiten. In den Einstiegssegmenten haben zudem finanzielle Anreizmodelle einen weiteren Einfluss. Elektromobilität muss erreichbar und attraktiv sein. Wenn man transformieren möchte, braucht es einen Anschub. Und natürlich geht es übergeordnet um Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Wir aus der Industrie, und da spreche ich für den Volkswagen-Konzern, müssen attraktive Fahrzeuge zum richtigen Preis anbieten. Im kommenden Jahr stellen wir die erste Serie von Fahrzeugen um die 25.000 Euro vor. Mit Produkten von Volkswagen, Skoda und Cupra. Unmittelbar danach wollen wir ein Fahrzeug für rund 20.000 Euro bringen. Ich sehe es als Verpflichtung des Volkswagen-Konzerns. Wir müssen bezahlbare Mobilität anbieten.

Thema Strafzölle: Was halten Sie davon?

Ich halte Strafzölle für das falsche Signal. Wir sind in Europa eine Exportregion und leben vom freien und fairen Welthandel. Deshalb sollten wir uns darauf konzentrieren, wie wir Investitionen in Europa fördern, dadurch Aufträge für europäische Unternehmen gewinnen und Arbeitsplätze in Europa aufbauen. Wer bei uns investiert, egal aus welcher Weltregion, sollte einen Vorteil bei etwaigen Einfuhrbeschränkungen haben. Gleiches sollte für uns in anderen Weltregionen gelten. In Europa müssen wir uns dem Wettbewerb stellen und uns darauf konzentrieren, industriefreundliche und faire Rahmenbedingungen zu schaffen. Gerade auch für unsere eigene Industrie. Um auf einer guten Kostenbasis zu produzieren. In Europa können wir Technologie. Je besser unsere Rahmenbedingungen sind, desto besser sind wir für den weltweiten Wettbewerb gerüstet. Ich sehe Wettbewerb positiv, wie im Sport. Umso besser musst du selbst sein. Und alles im Sinne der Kundinnen und Kunden.

KI könnte Autos im Preis nahezu halbieren, wird behauptet. Sehen Sie das auch so?

Künstliche Intelligenz spielt eine große Rolle. Das ist wahrscheinlich der größte technologische Sprung, der aktuell hochläuft. KI bringt positive Kosteneffekte. Eine Halbierung sehe ich allerdings noch nicht. Ein Automobil besteht zu großen Teilen aus Hardware. Vorteile gibt es bereits heute bei der Software. In der Software-Entwicklung kann ich viele Module schon komplett mit Künstlicher Intelligenz entwickeln. Gerade bei sehr aufwendigen Testschleifen ist Künstliche Intelligenz hilfreich, effektiver und präziser. So können aufwendige Hardware-Tests deutlich reduziert werden. Bei Porsche setzen wir bereits in über 100 Feldern Künstliche Intelligenz ein. Es beginnt in der Entwicklung, beim Einsatz von autonomen Fahrfunktionen. Wir setzen Künstliche Intelligenz in Produktions- und Qualitätsprozessen und im Vertrieb ein. Hier steuern wir beispielsweise die Vorkonfiguration von Fahrzeugen abhängig vom Marktbedürfnis.

Noch mal zurück zum 911er: Wird die neue Hybridtechnologie auch in anderen Fahrzeugen zum Einsatz kommen?

Das kann ich mir vorstellen. Wir haben diese Technologie aus dem Rennsport übernommen. Typisch Porsche. Vom Motorsport in die Serie. So haben wir das bei vielen Innovationen gemacht. Beispielsweise beim Porsche-Doppelkupplungsgetriebe oder auch der 800-Volt-Technologie, die wir im Taycan einsetzen. Das 400-Volt-System des 911 mit seiner sehr leichten Batterie ist rein auf Performance ausgelegt. Es ist in der Lage, das Turboloch nahezu vollständig zu kompensieren. Das Fahrzeug startet wie ein Elektrofahrzeug und hat gleichzeitig den Sechszylindermotor mit 3,6 Litern Hubraum im Heck, der dann noch mal richtig Power hat. Wir haben zwei E-Maschinen, eine im Turbolader, die andere im Getriebe. Durch das Hybridsystem können wir zudem auf einige Komponenten im Motor verzichten. Alles, was wir rauslassen, macht das Fahrzeug leichter. Ich bin viele Tausend Kilometer mit diesem Auto gefahren und total begeistert. Es ist wie immer bei Porsche: Der neue Elfer ist der beste aller Zeiten. Die Auftragseingänge sind bereits überwältigend.

Wie lange wird es Panamera und Taycan parallel geben?

Das sind für uns zwei völlig eigenständige Baureihen. Wir haben die Möglichkeit, den Panamera bis weit in die 2030er-Jahre fahren zu können, als Verbrenner und Hybrid mit bis zu acht Zylindern. Zu gegebener Zeit werden wir entscheiden, ob wir dem aktuellen Modell ein vollelektrisches Fahrzeug an die Seite stellen. So wie wir es jetzt beim Cayenne machen. Dieser kann als Verbrenner und Hybrid ebenfalls bis weit in die 2030er-Jahre fahren. Zusätzlich stellen wir ihm bald ein vollelektrisches Modell zur Seite. Das ist Teil der Porsche-Strategie. Wir wollen über die nächsten zehn Jahre komplett flexibel aufgestellt sein. Der Kunde soll entscheiden, was für ihn passt. 100 Prozent Porsche garantiert.

Vita

Oliver Blume, Jahrgang 1968, studierte Maschinenbau an der TU Braunschweig und trat 1994 bei der Audi AG ein Traineeprogramm an. Nach verschiedenen Stationen bei Audi, Seat und VW wechselte er 2013 in den Vorstand zu Porsche, dessen Vorsitz er 2015 übernahm. Seit 2022 führt er zusätzlich den gesamten VW-Konzern als Vorstandsvorsitzender.

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