1995 gelang McLaren ein großer Motorsporterfolg außerhalb der Formel 1. Mit dem F1 GTR holten sich die Briten den Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Einer der Hauptverantwortlichen dafür war der in erster Linie als genialer Formel-1-Konstrukteur bekannte Gordon Murray, der sowohl das Serienauto als auch die Rennversionen auf F1-Basis federführend entwickelt hatte. Längst hat sich der Südafrikaner von McLaren abgenabelt; vor einigen Jahren gründete er selbst eine Autofirma, die seinen Namen trägt. Doch der McLaren F1 lässt Murray nicht los.
Gemeinsamkeiten mit dem McLaren F1
Am vergangenen Wochenende debütierte im Rahmen der Monterey Car Week mit dem S1 LM der erste Sportwagen, den die neue Sonderprojektabteilung Gordon Murray Special Vehicles (GMSV) auf Kiel gelegt hat. Hierbei handelt es sich um ein F1-Hommage-Modell, das nicht zufällig zahlreiche Stilelemente des Supercar-Helden der Neunzigerjahre aufgreift. Dazu gehören die steil ansteigende Frontpartie und Schulterlinie, die von Luftein- und -auslässen zerfurchten Flanken, die Dachhutze und das extrem kurze Heck mit seinen vergitterten Rundleuchten.
Doch damit nicht genug der optischen und konzeptionellen Parallelen. Mit vielen Details lehnt sich der Gordon Murray S1 LM ebenfalls am McLaren-Vorbild an. Seien es die seitlichen Lufteinlässe in der Frontschürze und das zentral unter der Windschutzscheibe platzierte Pendant, der riesige Scheibenwischer am Fuße der mächtigen Windschutzscheibe oder die geteilten Seitenfenster. Der Mittelmotor stellt sich unter einer weiteren Scheibe zur Schau und selbst die Schriftzüge ähneln denen des McLaren F1. Dass das "F" gegen ein "S" getauscht wurde, dürfte lizenzrechtliche Gründe haben. Laut GMSV steht die Modellbezeichnung für "Special One".
Dreisitziger Innenraum
Die nächste Gemeinsamkeit sind die nach vorn oben öffnenden Scherentüren, die einen großen Bereich der Schweller integrieren und den Zugang zu einem dreisitzigen Cockpit freigeben. Dieses war stets das Alleinstellungsmerkmal des McLaren F1. Wie in diesem sitzt der Fahrer oder die Fahrerin auch im Gordon Murray S1 LM zentral vorn, während bis zu zwei Co-Piloten etwas versetzt dahinter in zwei weiteren spartanischen Schalensitzen Platz nehmen. Das Trio schnallt sich mit Mehrpunktgurten fest.
Mittig im Armaturenträger befindet sich der analoge Drehzahlmesser, der von zwei kleinen Displays und mehreren Drehknöpfen flankiert wird. Dass der S1 LM mit Headsets ausgeliefert wird, deutet an, dass es im Leichtbau-Interieur ziemlich laut werden und die Kommunikation dort nur über eine Gegensprechanlage möglich sein dürfte.
Mit viel Technik des T.50
Technisch basiert der S1 LM auf dem 2022 eingeführten Supercar Gordon Murray T.50 (siehe Video nach dem zweiten Absatz). Allerdings spannt sich eine komplett neu gestaltete Carbon-Karosserie über das Chassis, die ein eigenes Aerodynamik-Konzept für ein Maximum an Abtrieb verfolgt. Der weit nach vorn gezogene Frontsplitter kanalisiert die Luft in Richtung XXL-Diffusor, in dessen Zentrum sich die vier Endrohre der aus Inconel gefertigten und mit 18-karätiger Goldfolie ummantelten Abgasanlage befinden. Über dem Heck thront in F1-GTR-Manier ein zweigeteilter Heckflügel.
Der Antrieb basiert ebenfalls auf T.50-Technik. Allerdings wächst der Hubraum des dort vier Liter großen V12-Triebwerks im S1 LM auf 4,3 Liter, weshalb der Saugmotor im Neuling etwas stärker ist (über 700 statt 663 PS). An Drehvermögen büßt der Zwölfzylinder glücklicherweise nichts ein. Es bleibt bei höchstens 12.100/min, obwohl der Motor in Sachen Ölkühlung etwas abspeckt. Dafür gibt es ein optimiertes Innenleben mit leichteren Komponenten und ein höheres Verdichtungsverhältnis.
S1 LM verzichtet auf Staubsauger-Effekt
Das manuelle Getriebe mit besonders kurzen Schaltwegen basiert ebenfalls auf dem T.50-Pendant. Allerdings verzichtet der Gordon Murray S1 LM auf den Heckventilator, der beim T.50 die Luft vom Unterboden absaugt und nach hinten ausbläst, um zusätzlichen Anpressdruck am Heck zu erzeugen. Wozu auch – es gibt schließlich den mächtigen Flügel! Das Fahrwerk hat GMSV mit speziellen Feder- und Dämpfereinstellungen sowie einer neuen Geometrie eigens für den S1 LM entwickelt.
"Sehen Sie sich das Ergebnis an: Das Auto ist zeitlos und wunderschön", sagt Gordon Murray über den S1 LM. Eine selbstbewusste Aussage, der wohl wenige Autofans widersprechen würden. Apropos wenig: Nur fünf Menschen werden in den Genuss kommen, ein Exemplar dieses straßenzugelassenen Supercars zu besitzen. Jedes Auto wird anhand der Kundenwünsche gestaltet und erhält somit Einzelstück-Charakter. Preise nennt GMSV nicht. Ab 2026 soll ausgeliefert werden.