Ferrari F80: 1.200-PS-Hypercar mit F1- und Le-Mans-Technik

Ferrari F80 Supersportwagen im Soundcheck
So klingt der 1.200-PS-Treibsatz

Veröffentlicht am 18.10.2024

Seit 1984 ist Ferrari für seine extremen und limitierten Supersportwagen weltbekannt. Ob Ferrari 288 GTO, F40, F50, Enzo oder LaFerrari – die Ikonen demonstrierten jeweils das Beste, was Maranello bei Technologie und Leistung in der jeweiligen Ära zu bieten hatte. Mit dem F80 präsentiert Ferrari nun einen legitimen Nachfolger dieser Ahnenreihe. Bevor wir tiefer in die Technik einsteigen, vorab schon mal ein Soundcheck des Verbrenners:

Kabine ist 50 Millimeter flacher als beim LaFerrari

Klar, dass der neue Ferrari F80 in große Fußstapfen tritt und daher eine entsprechend extreme Erscheinung ist. Zeitgemäß und passend zur Mobilitäts- und Antriebswende möchte Ferrari-Design-Chef Flavio Manzoni mit dem F80 die visuelle Sprache der Marke radikal ändern. Und so erinnert das neue Hightech-Geschoss aus Maranello mit seiner futuristischen Optik auch eher an Designs aus Luft- und Raumfahrt. Dabei bezieht sich der F80 in vielen Details auf unterschiedlichste Vorgänger aus der Ferrari-Historie.

So sollen die Radkästen, die mit ihren vertikalen Flächen über die Türen hinausragen, beispielsweise eine Hommage an den F40 darstellen. Kenner der Marke finden sicher auch noch andere Modelle wieder. Das Cockpit des F80 wirkt allerdings eher wie die Kanzel eines Einsitzers – von dem es in der Formel-1- und Langstrecken-Geschichte von Ferrari genügend Legenden gibt. Dennoch soll im Innenraum mehr Bewegungsfreiheit herrschen als bei den Vorgängern, auch weil die Kabine fünf Zentimeter tiefer sitzt als beim LaFerrari.

Formel-1-Technik für die Straße

Wie schon bei den früheren Supersportwagen von Ferrari basiert der Antriebsstrang des F80 auf modernster Motorsport-Technologie. So werden Ferrari 288 GTO und F40 von einem Turbo-V8 angetrieben. Bei den Formel-1-Rennern der 1980er-Jahre wurden ebenfalls Turboaggregate verwendet. Die heutigen Antriebsstränge sowohl in der Formel 1 als auch in der Langstrecken-Weltmeisterschaft kombinieren V6-Verbrenner, Turbolader und ein 800-Volt-Hybridsystem. Auf genau diese Architektur setzt Ferrari beim F80.

Erfahrung damit haben die Italiener genug. Der 296 GTB nutzt jenes Konzept, das ebenso der zweimal in Folge bei den 24 Stunden von Le Mans siegreiche Ferrari 499P an Bord hat. Im F80 wird der Antriebsstrang ergänzt durch die erstmals in einem Ferrari eingesetzte elektrische Turbotechnologie (E-Turbo). Dabei wird zwischen der Turbine und dem Verdichter jedes Turboladers ein Elektromotor installiert, was einen weiteren Leistungszuwachs und eine schnellere Gasannahme bereits im unteren Drehzahlbereich zur Folge hat.

1.200 PS bis 9.200 Umdrehungen

Der Ferrari F80 verfügt über einen Dreiliter-V6-Motor mit 120 Grad Zylinderbankwinkel und einer Spitzenleistung von 900 PS bei 8.750 Umdrehungen. Zum Vergleich: Der schon extrem potente Verbrenner im 296 bringt es auf 663 PS bei 8.000 Touren. Allerdings hat der F80-Motor viele Komponenten aus dem Langstrecken-Motorsport-Aggregat übernommen. Gemeinsamkeinten sind unter anderem die Architektur und das Kurbelgehäuse, Layout und Antriebsketten des Steuersystems, der Ölpumpenkreislauf, die Lager sowie Einspritzdüsen und -pumpen. Mit dem Kürzel F163CF geht der F80-Motor nun mit 300 PS pro Liter als der Ferrari-Motor mit der bisher höchsten spezifischen Leistung aller Zeiten in die Geschichte ein.

Aus der Motorsport-Königsklasse Formel 1 stammen die Motor-Generator-Einheit für Hitzeenergie, kurz MGU-H (Motor Generator United Heat). Dabei handelt es sich um einen mit dem Turbolader verbundenen Elektromotor, der die ungenutzte Energie der Abgase in elektrische Energie umwandelt. Die MGU-H-Einheiten des F80 besitzen hier eine speziell entwickelte E-Turbo-Abstimmung. Und als erster Ferrari-Motor für den Straßeneinsatz profitiert der F163CF von einer neuartigen Klopfregelung. Sie lässt den Motor extrem nah an der Klopfgrenze arbeiten, was Brennraumdrücke höher als je zuvor erzeugt (+20 Prozent im Vergleich zum 296 GTB).

Extra-Punch aus dem Hybrid-Strang

Zusätzlich zur Verbrenner-Power kommen 300 PS von einem Hybridsystem, das sowohl eine elektrische Vorderachse als auch eine Motor-Generator-Einheit (MGU-K) umfasst, wie sie in der Formel 1 verwendet wird. Die für den F80 verwendeten Elektromotoren sind die ersten, die vollständig von Ferrari in Maranello entwickelt, getestet und hergestellt wurden. Das Ziel: maximale Leistung bei geringstmöglichem Gewicht. Zwei E-Aggregate befinden sich dabei an der Vorderachse, ein E-Motor hinten.

Der in die Vorderachse integrierte Wechselrichter ermöglicht dabei regeneratives Bremsen mit bis zu 210 kW. Beim F80 ist der Wechselrichter direkt in die Achse integriert und wiegt nur neun Kilogramm, was zur geringeren Masse des Teils im Vergleich zu seinem Pendant beim SF90 Stradale beiträgt. Ein weiterer Wechselrichter wird für den hinteren Elektromotor (MGU-K) verwendet. Dieser erfüllt drei Funktionen: Starten des Verbrennungsmotors, Rückgewinnung von Energie zum Aufladen der Hochspannungsbatterie und Unterstützung des Motors unter bestimmten dynamischen Bedingungen. Das Triebwerk kann im Regenerationsmodus bis zu 70 Kilowatt erzeugen und den Verbrennungsmotor mit bis zu 60 kW Leistung unterstützen.

Batterie als Cell-to-Pack-Prinzip integriert

Herzstück für die vielen elektrischen Komponenten des Ferrari F80 ist die Hochspannungs-Batterie, die weit unten im Motorraum integriert ist. Insgesamt besteht das Paket aus 204 in Reihe geschalteten und gleichmäßig auf drei Module verteilten Zellen. Das ergibt eine Gesamt-Energiekapazität von 2,3 kWh und eine maximale Ausgangsleistung von 242 kW.

Aus dem von der 800-Volt-Hochspannungsbatterie bereitgestellten Gleichstrom erzeugt der Ferrari-Wandler 48-Volt-Gleichstrom zur Versorgung des aktiven Fahrwerks und der E-Turbosysteme sowie 12-Volt-Gleichstrom für die elektronischen Steuergeräte und alle anderen elektrischen Nebenaggregate. Dank innovativer Resonanztechnologie kann diese Komponente Strom ohne Latenz mit einem Wirkungsgrad von über 98 Prozent umwandeln, sodass sie sich praktisch wie ein Akku verhält. Der Wandler macht außerdem eine 48-Volt-Batterie überflüssig, spart Gewicht und vereinfacht das Layout des elektrischen Systems.

Aktive Aero mit über einer Tonne Abtrieb

Unter den Straßenfahrzeugen dürfte der neue Ferrari F80 neue Maßstäbe im Hinblick auf Aerodynamik setzen. Aktiver Heckflügel, Heckdiffusor, flacher Unterboden und ein S-Duct-Ansaugkanal erzeugen etwa bei 250 km/h gigantische 1.050 Kilogramm Abtrieb. Die Luftführung ist so abgestimmt, dass der Luftwiderstand zwar minimiert wird, der Anpressdruck aber für eine sichere Straßenlage gewährleistet ist. Speziell entwickelte Luftleitbleche und Dreideckerflügel vorn sollen dazu den Abtrieb und die Balance des Fahrzeugs auf der Rennstrecke sichern.

Das wohl auffälligste Aero-Element des F80 ist der aktive Heckflügel. Dessen Betätigungssystem passt nicht nur die Höhe an, sondern steuert auch den Anstellwinkel kontinuierlich und dynamisch, um Abtrieb und Luftwiderstand präzise modulieren zu können. In der High-Downforce- Konfiguration (HD), die beim Bremsen, Einlenken und Kurvenfahren zum Einsatz kommt, nimmt der Flügel einen Winkel von elf Grad zur Richtung des Luftstroms ein, um bei 250 km/h über 180 Kilogramm Abtrieb zu erzeugen. Am anderen Ende des Rotationsbereichs befindet sich der Flügel in der Low-Drag-Position (LD), bei der die Vorderkante nach oben geneigt ist. Der Luftwiderstand ist in dieser Konfiguration viel geringer.

Wärme-Management für 200 kW thermische Leistung

Bevor die Entwickler das Layout des Kühlsystems definieren konnten, mussten sie das Kühlbedürfnis von Motor und Hybridkomponenten kennen. Bei voller Leistung erzeugt das komplexe Triebwerk schließlich über 200 Kilowatt thermische Leistung, die effizient abgeführt werden muss. Dazu standen auch extreme aerodynamische Anforderungen und die Ansprüche ans Design des neuen F80 im Weg.

Die Abführung der Heißluftströme wurde am Ende so konzipiert, dass die Aerodynamik der Front und die nach hinten führenden Kühlluftströme nicht beeinträchtigt werden. Die Hauptöffnung der seitlichen Kühler befindet sich im Inneren des Radkastens. Eine weitere Öffnung in der Flanke des vorderen Kotflügels – vor dem Rad – trägt dazu bei, die Nachlaufströmung einzudämmen und gleichzeitig heiße Luft um die Außenseite des Rads herumzuleiten. Der mittlere Kühler wiederum führt Wärme in den Bereich zwischen Stoßfänger und Fronthaube, ohne den aus dem S-Duct austretenden Luftstrom zu beeinträchtigen.

Aktives Fahrwerk und Bremssystem

Das aktive Fahrwerk von Ferrari wurde im Vergleich zum Purosangue von Grund auf weiterentwickelt, um es an den Supersportwagen F80 anzupassen. Das System verfügt rundum über eine komplett unabhängige Aufhängung, die von vier 48-Volt-Elektromotoren betätigt wird, sowie über ein Doppelquerlenker-Layout und aktive Dämpfer. Die oberen Querlenker, die mit 3D-Druck und generativer Fertigungstechnik hergestellt wurden, sind eine Premiere für Ferrari-Straßenmodelle. Diese Lösung bietet eine Reihe von Vorteilen: optimiertes Layout, präzisere Radkontrolle, geringere ungefederte Massen, keinen Bedarf für einen Stabilisator und die Einführung einer speziellen Funktion zur Korrektur des Sturzes.

Gemeinsam mit Michelin wurden für den F80 zwei alternative Reifenlösungen entwickelt: Zur Wahl stehen die Varianten Pilot Sport Cup2 und Pilot Sport Cup2R, beide in den Größen 285/30 R20 und 345/30 R21 für vorn und hinten. Gebremst wird der Ferrari F80 über ein Carbon-Keramik-Bremssystem mit extralangen Carbon-Fasern für bessere Wärmeleitfähigkeit und Festigkeit. Die Bremsflächen sind mit Siliziumkarbid beschichtet. Vorn tragen die Scheiben einen Durchmesser von 408 Millimetern, hinten sind es 390 Millimeter.

Drei Fahrmodi – ohne Elektro

Wie alle PHEV-Modelle von Ferrari verfügt auch der Hybridantrieb des F80 über das eManettino, das drei Fahrmodi bereitstellt: "Hybrid", "Performance" und "Qualify". Den beim SF90 Stradale und 296 GTB verfügbaren eDrive-Modus gibt es hier hingegen nicht: Der F80 kann nicht im vollelektrischen Modus gefahren werden – Ferrari betrachtet dies als unvereinbar mit der Philosophie und Mission des Modells. Standardmäßig ist bei jedem Fahrzeugstart übrigens der "Hybrid"-Modus aktiv.

Er aktiviert alle Funktionen und Systeme, die den F80 möglichst effizient und im realen Autoalltag nutzbar machen. "Hybrid" priorisiert die Energierückgewinnung und die Aufrechterhaltung des Batterieladezustands, damit der MGU-K-Elektromotor im Heck bei Bedarf zusätzlichen Schub liefern kann. Der Modus "Performance" ist für längere Einsätze auf der Rennstrecke ausgelegt. Hier wird kontinuierlich Leistung geliefert und der Energiefluss zur Batterie optimiert, damit der Akku immer etwa 70 Prozent Ladung aufweist. Als extremer Leistungsmodus stellt "Qualify" dem Piloten die gesamte Power zur Verfügung, die der F80 an Bord hat. Dabei nutzt er beim Hochschalten am Drehzahlbegrenzer elektronische Drehmomentgestaltung, um die Drehmomentkurven des Elektro- und des Verbrennungsmotors in der bestmöglichen Kombination einzusetzen – für maximale Leistung.

Auf 799 Exemplare limitiert

Wer sich beim Anblick des 1.200 PS starken F80 schockverliebt, sollte sich keine großen Hoffnungen auf eine tatsächliche Begegnung machen. Die 799 Exemplare werden ab kommendem Jahr wohl nur handverlesenen und treuen Kunden überreicht. Obwohl Ferrari dem F80 kompromisslose Straßentauglichkeit attestiert, so dürften die meisten Fahrzeuge wohl in exklusiv zusammengestellte Sammlungen abtauchen.

Der Preis für den neuen Ferrari F80: ab 3,6 Millionen Euro. Als potenzielle Geldanlage dürfte sich das neue Hypercar wie auch die früheren Topmodelle der Ferrari-Historie trotzdem eignen. Selbst die erst wenige Jahre alten LaFerrari sind mittlerweile mehrere Millionen Euro wert. Gleiches muss man für einen 20 Jahre alten Ferrari Enzo hinblättern. Und der kostete neu "nur" rund 700.000 Euro.