BYD Seal U: Erste Fahrt im PHEV des ID.4-Konkurrenten

BYD Seal U DM-i – Elektro-SUV und PHEV
Erste Fahrt im PHEV des ID.4-Konkurrenten

Auto Salon Genf 2024
Veröffentlicht am 20.05.2024

BYD hat mit dem Seal einen Konkurrenten für Teslas Model 3 präsentiert, der auf der modernsten Plattform (e3) des chinesischen Marktführers aufbaut. Es gibt die viertürige Limousine aus der von BYD wegen ihres Designs als Ocean-Line bezeichneten Modellgruppe (Seal, Dolphin, Seagull) mit Hinter- und Allradantrieb.

Die SUV-Version Seal U hingegen entsteht auf Basis des PHEV-Modells "Song". In einem Facelift verpassten die Chinesen ihm die Ocean-Optik, eine Blade-Batterie mit LFP-Zellchemie im Fahrzeugboden und den elektrischen Frontmotor des Limousinen-Seal. Der schickt seine 160 kW (rund 218 PS) und bis zu 330 Newtonmeter entsprechend an die Vorderräder. Der Null-auf-Hundert-Sprintwert beträgt je nach installiertem Batteriepaket 9,3 bis 9,6 Sekunden. Eine Allradversion ist übrigens denkbar und könnte zu einem späteren Zeitpunkt nachgeschoben werden.

Elektrisch oder als Plug-in-Hybrid

BYD bietet für den Seal U zwei Akkugrößen an. Mit 71,8 kWh kommt er laut BYD 420 Kilometer weit, mit 87 kWh sollen es 500 sein. Von 10 bis 80 Prozent soll die kleinere Batterie in 42, die große in 43 Minuten schnellgeladen sein, wobei die Ladeleistung in der Spitze eher bescheidene 115 bzw. 140 kW erreichen soll. BYD versichert aber, dass sie dafür nach dem schnellen Sprung aufs Maximum nur langsam abfalle. Im angegebenen Bereich braucht der Seal U mit dem großen Akku rund zwölf Minuten, um 100 Kilometer nachzuladen. Der Verbrauchswert liegt bei 19,9 bis 20,5 kWh pro 100 Kilometer.

Als Antriebs-Alternative bietet BYD den Seal U noch in diesem Jahr in Europa als Plug-in-Hybriden an – auch in Deutschland. Als BYD Seal U DM-i verfügt der SUV über einen 109 PS und maximal 135 Newtonmeter starken Benzinmotor sowie eine E-Maschine mit 197 PS und höchstens 325 Newtonmetern. Laut WLTP soll der Verbrauch 1,2 Liter Benzin sowie 23,5 kWh betragen. Über ein CVT-Getriebe versorgen die Motoren die Vorderräder mit Antriebskraft. Vorläufigen Daten zufolge beschleunigt der Kompakt-SUV in 8,5 Sekunden von Null auf Hundert und erreicht in der Spitze 168 km/h.

100 km Elektro-Reichweite

Hier bietet die Blade-Batterie eine Kapazität von 18,3 kWh, was eine elektrische Reichweite von 100 Kilometern ermöglichen soll. Der Akku kann per Wechselstrom mit höchstens elf kW und per Gleichstrom mit bis zu 18 kW geladen werden. An einer Gleichstrom-Ladesäule dauert es rund 35 Minuten, bis die Batterie von 30 auf 80 Prozent ihrer Kapazität geladen ist. Der Energiespeicher des BYD Seal U DM-i kann aber auch Strom an externe Geräte abgeben.

Der Seal U ist mit 4,78 Meter nur wenig kürzer als die fast gleichnamige Limousine, misst in der Breite 1,89 Meter und in der Höhe 1,67 Meter. Damit ist der Seal U 20 Zentimeter länger als ein VW ID.4, der Radstand ist mit 2,77 Metern aber praktisch identisch.

Gute Platzverhältnisse, großer Kofferraum

Innen macht der fünfsitzige Seal U einen guten Eindruck: Die Materialien wie die veganen Lederbezüge wirken ansprechend, die Nähte akkurat, die Sitze bequem. Nur das Lenkrad ist leicht nach links versetzt – eine Petitesse, die der SUV mit dem flacheren Seal gemein hat. Die digitalen Instrumente vor dem Steuer sind dennoch gut ablesbar. Auf der Mittelkonsole thront ein je nach Ausstattungslinie 12,8 oder 15,6 Zoll großer rechteckiger Touchscreen, der sich mit Berührung des entsprechenden Symbols auf dem Display um 90 Grad drehen lässt und dann hochkant steht. Die Halterung wirkt dennoch überaus solide.

BYD Seal-U Elektro-SUV China
BYD

Im Fond sind die Platzverhältnisse prima: Passagiere mit 1,85 Meter Körpergröße haben hinten Reserven beim Knieraum, auch wenn vorn jemand gleicher Körpergröße sitzt. Über dem Kopf bleibt ebenfalls Luft; die Lehne steht relativ flach, lässt sich jedoch durch Ziehen an einer kleinen Schlaufe in mehreren Stufen steiler stellen. Das Glasdach bleibt selbst dann auf Abstand und lässt Licht nach hinten. Der Kofferraum fasst laut BYD zwischen 552 und 1.440 Liter, wobei die Fondsitzlehne im Verhältnis 60:40 teilbar ist. Das Gepäckabteil bietet einen hochklappbaren Boden auf der Höhe der Ladekante; darunter bleibt Platz für ein Reifenpannenset, Warnwesten und Kleinkram.

Apropos darunter: Unter der Fronthaube der E-Version wartet Platz für einen Frunk – aber bis jetzt nur das. Beim Öffnen dessen, was man bei Verbrennern meist als Motorhaube bezeichnete, fällt auch im auf elektrisch umgemodelten Song aka Seal U der Blick auf einen Motor. Über der E-Maschine ist richtig viel Raum, nur das Fach, in das man was reinlegen könnte, fehlt. Das werden die Chinesen bis zum Marktstart in Europa aber sicher fertig haben.

So fährt der BYD Seal U DM-i

Für die erste Kennenlernrunde wählten wir das Topmodell Seal U DM-i Design. Dessen 1,5-Liter kommt dank Turbo auf 96 statt 72 kW (130 statt 98 PS). An den Vorderrädern dreht dazu ein Elektromotor mit 150 kW, hinten assistiert einer mit 120 kW, während das vorderradgetriebene Basismodell Boost sich mit 145 elektrischen kW vorn (Systemleistung 160 kW) begnügt. In der Design-Variante ergibt sich eine Systemleistung von 238 kW oder 324 PS; da darf man schon beim Beschleunigen einen "Oha"-Moment erwarten. Doch es kommt anders: Nach einer kleinen Verzögerung, die man von einem Elektroauto eigentlich nicht gewohnt ist und die beim Einbiegen in Schnellstraßen einkalkuliert werden sollte, kommt der Hybrid zwar flott aus den Hufen. Doch nach der Werksangabe von 5,9 Sekunden auf 100 fühlt sich das nicht an. Auch beim Überholen auf Landstraßen gilt: Druck ist da, ja. Überschäumendes Temperament sieht anders aus.

Wiegen und wogen, rumpeln und pumpeln

Auf den ersten Kilometern zeigt sich der Seal U DM-i von seiner komfortablen Seite. Sanft wiegend nimmt er kleinere und größere Wellen, doch bald schon erkennt man, dass das unterdämpfte Fahrwerk den Aufbau deutlich nachschwingen lässt. Aus dem Wiegen wird bei größeren Wellen eher eine Woge, die empfindlichen Naturen auf der Rücksitzbank auf den Magen schlagen kann. Teerflicken oder gar Schlaglöcher lassen den BYD dann kräftig rumpeln und pumpeln; das können viele Wettbewerber besser – wie auch das flotte Kurvenfahren. Der Seal kriegt zwar immer die Kurve, wenn man sich an die Spielregeln der Physik hält. Den Eindruck, daran Spaß zu haben, vermittelt er aber bei etwas forciertem Tempo nicht. Er liebt es eher gelassen gleitend und passt damit sicher zur Grundeinstellung vieler, die ein solches Auto kaufen.

Software-Gremlins

Was fiel sonst noch auf? Neben der sauberen Verarbeitung und angenehm anfühlender Materialien, die Anwesenheit echter Tasten im Multifunktionslenkrad – sehr gut. Weniger gut: die eher eigensinnig agierende Zwei-Zonen-Klimaautomatik, die ohne manuelles Nachjustieren entweder zu kräftig oder zu lasch kühlt – und einige bemerkenswerte Software-Bugs. Dass das Navigationssystem vor Gefahrenstellen wie etwa Schulen voraus warnt, ist im Grunde löblich, aber nicht wirklich hilfreich. Denn zum Lesen des Hinweises muss man auf den Monitor – und damit weg von der Straße – schauen. An derselben Stelle platziert das System auch Warnungen vor scharfen Kurven. Die sollte man – zumindest aktuell – komplett ignorieren. Wird ein Linksknick angekündigt, geht es rechts herum – und umgekehrt. Auch die Tempolimit-Anzeige spielt – Besserung ist versprochen – aktuell noch ein böses Spiel: Im Head-up-Display (das leider keine Navigationshinweise bringt) stehen zum Beispiel 100 km/h, die Kartendarstellung auf dem Monitor nennt 130 als Limit. BYD wird das wohl noch fixen, ehe die ersten Autos im August zu den Kunden kommen. Doch unterstreicht der Seal U auf eindringliche Weise, dass man sich nicht konsequent auf die elektronischen Helferlein seines Autos verlassen sollte – egal von welcher Marke.

Preise

Ein glänzender Stern am SUV-Himmel ist der Seal U DM-i aktuell also aus diversen Gründen nicht – aber ein verlockend billiger. Als Boost kostet er 38.900 Euro, als Design 44.500 Euro. Damit ist das Top-Modell trotz des aufwändigen Antriebsstranges sogar billiger als der vollelektrische Seal U. Von der europäischen Konkurrenz wollen wir gar nicht erst reden. Ein VW ID.5 GTX mit 220 Allrad-kW (299 PS) zum Beispiel startet bei 58.755 Euro.