Audi verlässt den Pfad der Separation. Hatten die Ingolstädter bislang eine Parallelstruktur aufgelegt, in der sich Elektro-Modelle wie der Q4 und Q8 E-Tron oder der E-Tron GT grundlegend von ihren Verbrenner-Pendants unterschieden, suchen die neuesten Vertreter beider Welten verstärkt die Nähe zueinander. Bestes Beispiel dafür ist der neue Audi A6 . Dessen E-Tron-Variante buhlt bereits seit Dezember vergangenen Jahres um Käuferinnen und Käufer. Die Verbrenner-Version folgt – zumindest als Avant – in wenigen Wochen.
PPE vs. PPC – die Plattformen
Die verwendeten Plattformen suggerieren aufgrund ihrer Namen viele Gemeinsamkeiten: Der Audi A6 e-tron nutzt den PPE-Baukasten ("Premium Platform Electric"), während der Verbrenner-A6 auf dem PPC-Pendant ("Premium Platform Combustion") basiert. Technisch gibt es dagegen weiterhin große Unterschiede zwischen den Vertretern der neuen und der alten Welt.
Das liegt in der Natur der Sache, schließlich stellen die Antriebsarten höchst unterschiedliche Anforderungen an die Plattformen: Die PPC muss vorn einen Verbrennungsmotor, ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe sowie gegebenenfalls die Lamellenkupplung und das zusätzliche Hinterachsdifferenzial für den Allradantrieb aufnehmen. Die PPE braucht dagegen Platz für eine üppig bemessene Batterie und je nach Modellvariante einen zweiten E-Motor, um ebenfalls vier angetriebene Räder gewährleisten zu können. In ihr sitzt der Hauptmotor standardmäßig hinten, was zum für Audi uncharakteristischen Heckantriebs-Layout führt, das den A6 E-Tron in seinen Versionen mit nur einer angetriebenen Achse auszeichnet.
Design und Dimensionen
Das führt zu Dimensionen und Proportionen, die sich relevant unterscheiden. Zwar präsentiert der Audi A6 Avant E-Tron auf den ersten Blick das typische Erscheinungsbild eines Kombis der oberen Mittelklasse, offenbart im direkten Vergleich jedoch andere Maße. Besonders auffällig: Obwohl der A6 als Elektriker insgesamt sieben Zentimeter kürzer ist als der Benzin- und Dieselbruder, ist sein Radstand über zwei Zentimeter länger. Das schafft Platz für den Hochvoltakku und lässt die Karosserie dort schrumpfen, wo es sich einfacher verkraften lässt. Etwa bei den Überhängen, die beim Verbrenner-A6 deutlich massiver ausfallen. Höher ist der E-Tron obendrein, nämlich 5,5 Zentimeter; auch das eine indirekte Folge des im Boden verbauten Akkupakets.
Die unterschiedlichen Proportionen sind aber nicht der einzige optische Unterschied zwischen den A6-Geschwistern. Vorn fällt am Verbrenner der weiterhin mächtige Singleframe-Kühlergrill auf, der sich bis weit hinunter in die Schürze zieht. Der E-Tron benötigt weniger Frischluft und trägt deshalb eine weitgehend geschlossene Front, die mit deutlich kleineren Scheinwerfern einhergeht. In der Seitenansicht stellt er sich formal als der klassischere Kombi dar: Bei ihm fällt die Heckscheibe steiler ab, während beim PPC-Avant die hintere Scheibe sanft – fast schon fastback-artig – nach unten gleitet. Bei den Heckleuchten stechen seine ausgelagerten, vertikal angeordneten Bremslichter ins Auge. Der E-Tron fasst alles klassisch in einer Leuchte zusammen. Und er ist mit einem cw-Wert von 0,24 einen Hauch windschlüpfiger als der Verbrenner (0,25). Interessant ist, dass die für den E-Tron angebotenen Kameraspiegel (1.450 Euro Aufpreis) für den Verbrenner nicht erhältlich sind.
Lichttechnik
Unabhängig von der Antriebsart bietet Audi den neuen A6 Avant mit digitaler Lichttechnik an, die verschiedene Lichtsignaturen und -bewegungen erschaffen sowie auf diese Art mit der Umgebung kommunizieren können. Deren Arbeitsweise ist grundsätzlich vergleichbar: Vorn machen vernetzte Matrix-LED-Scheinwerfer die Nacht zum Tag, während hinten OLED-Leuchten zum Einsatz kommen. Nur die Anzahl der LED- beziehungsweise OLED-Segmente unterscheidet sich. Beim Verbrenner-A6 sind es pro Leuchte 48 vorn und 198 hinten, der E-Tron bietet jeweils 45 vorn und 225 hinten.
Innenraum
Als grundsätzlich größeres Auto kann sich der Verbrenner-Avant keinen grundlegenden Vorteil gegenüber dem E-Tron-Pendant erarbeiten. Teils beweisen die Daten das Gegenteil: Der Stromer bietet überall mehr Innenbreite und das Packaging beschert ihm eine bessere Kniefreiheit bei den Fondpassagieren. Den größten Kofferraum bietet der frontgetriebene Benziner-A6 mit 503 bis 1.534 Liter. Der Unterschied zum E-Tron ist fast nicht messbar, zumindest im Normalzustand: Er bietet 502 Liter und verfügt als praktische Dreingabe über einen 27 Liter großen Front-Kofferraum ("Frunk"). Unabhängig von der Antriebsart gilt beim neuen A6 jedoch generell: Für fast fünf Meter lange Kombis sind ihre Gepäckabteile sehr klein ausgefallen.
Innen sind sich die A6-Geschwister ähnlicher als außen. Beide Varianten basieren auf der Elektronikarchitektur E³ 1.2 und verfügen folgerichtig über eine vergleichbare Bildschirm-Landschaft. Das MMI-Panorama-Display im Curved-Design besteht hier wie da aus einem 11,9 Zoll großen Fahrer-Informations-Monitor und einem 14,5-Zoll-Infotainment-Touchscreen. Auf Wunsch lässt Audi ein Beifahrer-Display von 10,9 Zoll Größe in das Armaturenbrett ein. Falls das in puncto Anzeigen noch nicht reicht, bietet Audi obendrein ein Head-up-Display an. Im Verbrenner lassen sich darüber auch Infotainment-Funktionen steuern, während es im E-Tron zusätzliche Augmented-Reality-Funktionen bietet.
Antriebe
Nun schlägt die Stunde des Audi A6 Avant E-Tron, denn mit seiner Power kann der in zwei von drei Fällen mild hybridisierte Verbrenner nicht mithalten. Um das zu erkennen, reicht ein Blick auf die Basismodelle. Die Vierzylinder-Benziner und -Diesel leisten beim Standard-Avant 150 kW (204 PS), das maximale Drehmoment liegt bei 340 respektive 400 Newtonmeter. Der "schwächste" A6 E-Tron bietet im Normalzustand bereits 210 kW (286 PS) auf, aus denen mit der Launch Control sogar 240 kW (326 PS) werden. Beim Drehmoment (höchstens 435 Newtonmeter) toppt die E-Version die Verbrenner ebenfalls.
Am nächsten kommen sich aktuell das vorläufige Verbrenner-Topmodell mit V6-Turbobenziner und das stärkere elektrische Einmotoren-Modell A6 Avant E-Tron Performance. Die Normleistung ist identisch (270 kW/367 PS), mit Launch Control kommt beim E-Audi kaum etwas hinzu (280 kW/381 PS). Auch beim maximalen Drehmoment (550 statt 565 Newtonmeter) fehlt dem vorerst stärksten Otto-A6 nicht viel. Die Allradversionen des A6 E-Tron entschwinden in Leistungs- und Drehmoment-Gefilde, die der Verbrenner (noch) nicht erreicht. Dafür führt dieser Topspeeds ins Feld, die auf Elektroseite bisher lediglich der S6 Avant erreicht (siehe Tabelle). Das S6-Modell ist bisher nur elektrisch erhältlich, folgt aber als Benziner noch. Den nächsten RS6 Avant soll es sowohl rein elektrisch als auch als Hybrid geben.
Fahrleistungen
Angesichts der durchweg höheren Leistungs- und Drehmomentwerte ist es wenig verwunderlich, dass der Audi A6 E-Tron besser beschleunigt also das Verbrenner-Pendant. Am langsamsten ist naturgemäß der auf jegliche E-Unterstützung verzichtende Basis-Benziner (8,3 Sekunden von Null auf Hundert), am schnellsten der S6 Avant E-Tron (3,9 Sekunden mit Launch Control). Eine Ausnahme stellen die erwähnten Modellvarianten mit 367 PS dar; hier erreicht der Otto-A6 mit Quattro-Antrieb aus dem Stand viel schneller die 100-km/h-Marke als das heckgetriebene Elektro-Pendant (4,7 statt 5,4 Sekunden).
Gewichte
Neben der beiden zusätzlich angetriebenen Rädern dürfte dafür der enorme Gewichtsvorteil von fast 200 Kilogramm hauptverantwortlich sein. Generell macht die schiere Masse des E-Tron stutzig. Schon das Basismodell kratzt an der 2,2-Tonnen-Marke, der S6 Avant übertrifft sogar die 2,4-Tonnen-Grenze. Hier fordert der XXL-Akku, dessen 100 Kilowattstunden (94,9 kWh netto nutzbar) eine Reichweite von bis zu 720 Kilometern gewährleisten soll, seinen Tribut. Unangenehmer Nebeneffekt: Dadurch schrumpft die Zuladung je nach Modellversion auf 470 (S6) oder 500 Kilogramm. Der Verbrenner bietet immerhin 550 (Benziner und Diesel mit 204 PS) oder gar 570 Kilogramm (Quattro-TFSI mit 270 kW). Wer öfter Anhänger zieht, sollte – Überraschung – eher den E-Tron in Erwägung ziehen, denn seine maximale Anhängelast beträgt durch die Bank 2,1 Tonnen – da kann nur der V6-Benziner mithalten.
Preise
Hier schlägt die Stunde des Verbrenner-A6. Das Avant-Basismodell mit 204-PS-Benziner kostet mindestens 58.000 Euro, während der billigste A6 Avant E-Tron erst bei 64.450 Euro startet. Lässt sich die Differenz hier noch mit einem deutlich stärkeren Antrieb auf Elektroseite verargumentieren, sind die fast 5.000 Euro Preisunterschied zwischen dem 270-kW-V6-Turbo und dem E-Tron Performance deutlich schwerer vermittelbar. Auch nicht mit einer besseren Serienausstattung, denn allein die um einen Zoll größeren Räder (19 statt 18 Zoll) rechtfertigen den Aufpreis nicht. Die Allrad-E-Trons driften preislich endgültig in die Oberklasse ab; beim S6 Avant wird der Tarif sogar sechsstellig.