Rallye Italien-Sardinien 2017: Tänak mit erstem WM-Sieg

Rallye Italien-Sardinien 2017
Tänak mit erstem WM-Sieg

Veröffentlicht am 12.06.2017
Ott Tänak - M-Sport Ford Fiesta WRC - Rallye-WM - WRC - Italien - Sardinien 2017
Foto: xpb

Es war keine Überraschung mehr, sondern nur noch eine Frage der Zeit. Und doch sah es auf Sardinien erst gar nicht nach dem großen Durchbruch des Ott Tänak aus. Auf der ersten Etappe des siebten WM-Laufes hielt sich M-Sport-Pilot zwar im Vorderfeld, fiel aber nicht weiter auf. Dennoch sagte Teamchef Malcolm Wilson: „Ich habe Ott schon am Freitagabend gesagt, dass er hier gewinnen kann.“ Der Este lieferte ab. So trocken sein Schützling seinen ersten WM-Sieg aufnahm, so feucht waren die Augen bei seinem Mentor.

Taktik der Schlüssel zum Sieg

Tänak ist im Cockpit erwachsen geworden. Seine Fehlerrate ist drastisch gesunken, statt nur schnell kann er nun auch taktisch fahren. Und genau diese Geduld war der Schlüssel zum ersten Sieg. Nach der ersten Etappe lag Tänak auf Rang drei, nur 9,5 Sekunden hinter der Spitze. Der aktuelle Fiesta taugt ihm. Abgesehen von einem Ausrutscher in Korsika ist Tänak bei jedem WM-Lauf in diesem Jahr mindestens Vierter geworden, drei Mal stand er auf dem Podium. In Italien ganz oben.

Sébastien Ogier erlebte das schlechteste Wochenende der Saison. Dass es mit dem dritten Saisonsieg schwierig würde, war vorher klar. Gerade auf den sardischen Schotterpisten mit Sandauflage ist die erste Startposition tödlich. Als der erste Tag vorbei war, standen schon 41 Sekunden Rückstand auf der Uhr. Wieder mal untersteuerte der Fiesta dem Weltmeister zu sehr. „Immer, wenn ich versucht habe, ein bisschen schneller zu fahren, wäre ich fast abgeflogen.“

Ogier selbstkritisch – und trotzdem einer der Gewinner

Ogier suchte nicht nach Ausreden: „Ich bin schon besser gefahren als hier“, bekannte er und beschränkte sich aufs Punktesammeln. Und trotz des mauen fünften Platzes und „nur“ Rang drei in der finalen Powerstage gehört der Titelverteidiger zu den Gewinnern des Wochenendes, denn die Konkurrenz verpasste die Chance, die Schwäche des Franzosen auszunutzen.

Da wäre zunächst Jari-Matti Latvala. Auch der Finne tauchte früh in der Spitzengruppe auf und hielt den Anschluss. Toyota zeigte eine starke Mannschaftsleistung. Juho Hänninen lag zeitweilig in Führung und trotz eines Frontalaufpralls, der den Kühler platzen ließ, holte die Nummer zwei im Team von Tommi Mäkinen mit Platz sechs sein bestes Saisonergebnis.

Inoffiziell ist der Routinier aus Finnland aber schon die Nummer drei, denn bei seinem zweiten Auftritt im World Rally Car zeigte Landsmann Esapekka Lappi eine grandiose Leistung und wurde Vierter. Der 26-Jährige aus Pieksämäki holte sich sechs Bestzeiten, darunter die Powerstage und fünf Extrapunkte.

Am Samstagmittag lagen alle drei Toyota in den Top Fünf, allen voran Latvala, der dem Auto mit seiner Erfahrung beigebracht hat, nicht nur auf schnellen Strecken konkurrenzfähig zu sein. Vor allen an der Traktion in langsamen Kurven hat die japanisch-finnische Allianz gearbeitet. Der Mann mit den meisten WM-Einsätzen im Feld agierte mit hoher Schlagzahl ohne dabei unnötige Risiken einzugehen. Er war am Schluss der nächste Jäger des führenden Tänak und probierte trotz rund 24 Sekunden Rückstand bei nur noch verbleibenden 42 Kilometern am Sonntag eine frühe Attacke. Fünfeinhalb Sekunden nahm er Tänak ab, weil dieser sich eine kleine Schwäche leistete und in einer Kurve zu weit nach außen in ein Gebüsch rodelte und zurücksetzen musste.

Ogier auf dem Weg zum nächsten Titel

Aber Latvala würgte auf dem tiefen Geläuf der später auch als Powerstage vorgesehenen Prüfung in einer besonders ausgefahrenen Kehre den Motor ab, und der Abstand war wieder der gleiche. Im Prinzip war der Finne mit seinem zweiten Rang glücklich, er machte sechs Punkte auf Ogier gut, nur hätten es noch vier mehr sein können. Clever rückte er das Wochenende über regelmäßig mit nur einem Ersatzrad aus, um sich für das Finale einen komplett frischen Reifensatz aufzubewahren. Tatsächlich war Latvala auf der Powerstage auf Bestzeitkurs – bis er in derselben Kuhle hängen blieb wie beim ersten Durchgang. So blieben nur die fünftschnellste Zeit und ein Extrapünktchen.

Noch ganz anders hätte Ogier-Verfolger Thierry Neuville zuschlagen können. Der Belgier zeigte wie bei den letzten Rallyes eine starke Leistung. Neuville überrumpelte und distanzierte Ogier mit einer frühen Offensive. Kurz nach Halbzeit war er mit knapp neun Sekunden Rückstand Zweiter, doch dann ließen plötzlich die Bremsen nach. Neuville verlor auf der zwölften Prüfung eine Minute und damit jede Siegchance. Der Belgier feuerte wütend den Helm aufs Lenkrad. Er hätte mit einem Sieg 14 Punkte auf Ogier gutmachen können und hätte sich in der Tabelle bis auf acht Punkte an den Platzhirsch herangepirscht, so blieb Platz drei und nur vier zurückeroberte Zähler.

Ogier führt nun die WM mit 141 Punkten vor Neuville (123 Punkte) an. Auch in der Teamwertung dominiert M-Sport mit 234 Zählern. Erster Verfolger ist Toyota (199 Punkte).