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Sportwagen-WM (WEC)
Wie sieht die Zukunft der LMP1 aus?

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Das LMP1-Reglement gilt als zukunftsweisend - doch die nächste Zukunftsstufe rückt rasend schnell näher: Neue Hersteller wollen mitspielen, nicht mit "alten" Technologien, sondern mit innovativen Knalleffekten, wie möglicherweise BMW mit Brennstoffzellentechnik. Wie und wann können solche Trends in das LMP1-Reglement integriert werden?

Audi R18 - LMP1 - 2016
Foto: Audi

Normalerweise sind die Macher im Motorsport penibel darauf bedacht, den Status quo aufrechtzuerhalten und zu schützen. Wer reglementseitig einmal den Pfad der Weisheit gefunden zu haben glaubt, hält eisern daran fest, denn jede noch so minimale Änderung beim Regelwerk ist meist gleichbedeutend mit einer Verschlechterung - nach dem uramerikanischen Motto: Repariere nichts, was nicht kaputt ist.

Diese statische und unelastische Grundposition befördert nicht eben den technologischen Wandel im Motorsport, was man aktuell schön in der Formel 1 beobachten kann: Fast alle sind sich einig, dass zum Beispiel das Motorenreglement besser gemacht werden könnte und müsste, aber man kann sich nicht auf eine gemeinsame Richtung verständigen. Also lässt man lieber alles so, wie es ist - das Nichtstun als kleinster gemeinsamer Nenner.

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Dieser im Motorsport stark verbreitete Ansatz funktioniert aber im LMP1-Sport nicht, denn diese Rennklasse wurde explizit dafür gemacht, neue Technologien zu integrieren. Hört man auf, fortwährend das Neue einzubauen, scheitert der Ansatz dieser Rennklasse, nämlich den Herstellern eine Plattform zu bieten, auf der sie zukunftsrelevante Technologien "„spielerisch" im Rennsport einsetzen und weiterentwickeln können. Das und nur das ist der Grund, warum die Autohersteller in der LMP1 mitfahren. Der Erfolg des 2014 eingeführten Reglements ist unumstritten, erstens schon deswegen, weil mit Audi, Porsche und Toyota drei Hersteller mitmachen. Zweitens ist der Erfolg auch aus technischer Sicht erklärbar: Das Reglement greift die Grundproblematik aller Autohersteller auf, nämlich die Vorgabe, auf der Straße Verbrauch und Emissionen zu reduzieren.

Die Vollgasbranche spart Sprit

In der Vollgasbranche Motorsport bekam die Verbrauchsoptimierung plötzlich einen nicht für möglich gehaltenen Stellenwert: Die Energiemenge für den "klassischen" Verbrennungsmotor in Form von Kraftstoff wurde stark reduziert, der Hybridanteil parallel hochgefahren. Heute verbrauchen die LMP1-Rennwagen zwischen 20 und 30 Prozent weniger Kraftstoff als noch vor drei Jahren. Durch die explosionsgleiche Entwicklung der Hybridtechnik sanken jedoch parallel die Rundenzeiten, die Autos wurden also schneller und nicht etwa langsamer - so was könnte sogar die dümmste Marketingabteilung der Welt als grandiosen Erfolg verkaufen.

Der dritte charmante Aspekt des aktuellen Reglements besteht darin, dass die Hersteller bei der Wahl der Technologien die freie Auswahl haben. Im Moment ist die Verwendung eines klassischen Verbrennungsmotors vorgeschrieben, jedoch sind die Hersteller beim Layout des Triebwerks völlig frei: Benziner oder Diesel, aufgeladen oder frei saugend, zwei Zylinder oder acht Zylinder, mehr Hubraum oder weniger - es gibt de facto keine Limitierung, außer die angestrebte Effizienz.

Auch beim Hybridsystem macht das Reglement keine bindenden Vorschriften: Bei der Rekuperation kann man die Bremsenergie ebenso als Spender nutzen wie die Abgasenergie. Auch beim Speichermedium können die Hersteller spielen - egal ob Superkondensatoren, Schwungmassenspeicher oder Batterien. Nun stünde zu vermuten, dass die schiere Unterschiedlichkeit der technischen Konzepte zwangsläufig auch zu unterschiedlicher Performance auf der Strecke führen müsste - doch das Gegenteil ist der Fall: Im letzten Jahr waren Audi und Porsche mit völlig unterschiedlichen Ansätzen über weite Teile der Saison oft gleich schnell. Beim Saisonhöhepunkt der Sportwagen-WM, dem 24h-Rennen in Le Mans, musste man die Differenz bei der Performance mit der Lupe suchen: Bezogen auf die 100 schnellsten Rennrunden der beiden schnellsten Fahrzeuge jeder Marke betrug das Delta 0,158 Sekunden - bei einer Rundenzeit von knapp über 200 Sekunden!

Diese phänomenal-haarsträubende Ausgeglichenheit ist einem Kniff im Reglement zu verdanken, dem sogenannten EOT-System. EOT steht für Equivalence of Technologies und funktioniert so: Jedes Antriebskonzept - also Verbrenner und Hybrid - wird mittels sehr komplizierter mathematischer und physikalischer Formeln bewertet, das geht herunter bis in die kleinsten Verästelungen. So wird beispielsweise das Mehrgewicht der Dieseltechnologie mit mehr Kraftstoff für den Motor vergütet, weil das höhere Grundgewicht dazu führt, dass ein Hersteller mit Dieseltechnik weniger Gewichtsspielraum bei der Auslegung seines Hybridsystems hat.

Alltagsprobleme im LMP1-Sport

Das einzige künstliche Element der Gleichung ist die Incentivierung der Hybridklassen: Je mehr Megajoule man über das Hybridsystem pro Runde boostet - wahlweise 2, 4, 6 oder gar 8 MJ -, desto weniger Kraftstoff verliert man relativ betrachtet beim Aufstieg in eine höhere Hybridklasse. Dabei entspricht eine Differenz von 1 MJ einem Rundenzeitenvorteil von 0,5 Sekunden in Le Mans. Doch selbst dieser künstliche Anreiz macht Sinn, denn er belohnt jene Hersteller, die sich bei der Hybridtechnik am weitesten vorwagen.

So weit, so gut. Wie eingangs erwähnt ist die Kombination aus klassischem Verbrennungsmotor und innovativer Hybridtechnik bis heute die zentrale Brückentechnologie für Autohersteller, um auf der Straße Verbrauch und Emissionen zu senken. Das aktuelle LMP1-Reglement hat diesen Trend perfekt in den Motorsport übersetzt. Die Hersteller haben angebissen, auch bei den Fans herrscht allseits große Freude über den Wiederaufstieg des Langstreckensports.

Nur zwei Aspekte könnten den positiven Trend jäh stoppen: Erstens die Kosten, denn man benötigt mindestens einen dreistelligen Millionen-Betrag, um im LMP1-Sport siegfähig zu sein. Zweitens würden die Hersteller sofort aussteigen, wenn die Deckungsgleichheit der Technologien zwischen Straße und Rennsport nicht mehr gegeben wäre. Der letzte Punkt ist der kniffligste, denn die Reglementmacher bei ACO und FIA müssen das Regelwerk für neue Technologien offenhalten. Erstens, weil neue Hersteller nicht einfach mit einer Audi- oder Porsche-Kopie in den LMP1-Sport einsteigen wollen. "Wir würden nur dann einsteigen, wenn uns das Reglement die Chance böte, neue Technologien zu verwenden, die wir über den Motorsport ins Schaufenster stellen können", sagt zum Beispiel PSA-Chef Carlos Tavares mit Blick auf eine LMP1-Rückkehr von Peugeot.

Zweitens reden wir im Automobilbereich bei allem, was derzeit klug ersonnen wird, von Brückentechnologien. Die Hersteller sind sich nicht einig, welche energiesparende Technologie die beste für die Zukunft sein wird. Aktuell sind Hybridtechnologien im Trend - doch das kann sich schnell ändern. Bei BMW steht beispielsweise die Brennstoffzellentechnik im Fokus der Entwicklung. Hier kommt kein herkömmlicher Verbrennungsmotor mehr zum Einsatz: Mittels einer elektrochemischen Reaktion wird flüssiger Wasserstoff in elektrische Energie umgewandelt, die mittels Batterien gespeichert und über Elektromaschinen an die Antriebsräder abgegeben wird.

Nun ist seit Mai 2015 (siehe sport auto 6/2015) bekannt, dass BMW darüber nachdenkt, eine solche Technologie im Rennsport einzusetzen. Das einzige Reglement, das theoretisch die Möglichkeit böte, diese Technologie zu verwenden, findet sich in der LMP1-Klasse. Die Auskunftsfreudigkeit aller Beteiligten zu diesem Ansinnen hält sich verständlicherweise in Grenzen: Noch gibt es weder einen Vorstandsbeschluss noch ein Budget oder gar ein präzises Timing. Verbrieft ist nur, dass BMW zu diesem Thema mit ACO und FIA gesprochen hat, denn noch sieht das LMP1-Reglement die Integration einer Technologie, die komplett ohne klassischen Verbrenner auskommt, gar nicht vor.

Die auch an dieser Stelle vielfach kolportierte These, BMW könne womöglich über die Garage 56 - die der Le-Mans-Veranstalter ACO für besonders innovative Fahrzeuge vergibt und die einen Start in Le Mans außerhalb der gängigen Fahrzeugklassen zu Demonstrationszwecken erlaubt - mit Brennstoffzellentechnik nach Le Mans kommen, ist valide - wenngleich das Timing in Richtung 2018 mittlerweile als unrealistisch gelten muss.

BMW beschäftigt sich mit LMP1

Warum? Weil das Reglement so schnell gar nicht auf die neuen Ansätze reagieren kann. Laut ACO-Präsident Pierre Fillon sind die Kernpunkte für das nächste LMP1-Reglement-Update, die man zusammen mit den Herstellern erarbeitet hat, schon fixiert und werden 2018 eingeführt. Doch technisch wird sich da noch nicht viel ändern: Die Energie für den Verbrennungsmotor soll weiter reduziert werden, die Hybridleistung könnte gesteigert werden, beispielsweise auf 10 oder 12 MJ.

Halten sich ACO und FIA an ihren Dreijahresrhythmus, so könnte das nächste wirklich signifikante Technik-Update 2021 erfolgen. Fillon bestätigt, dass die Arbeit hierzu bereits in vollem Gang ist: "Unser Augenmerk gilt den neuen Technologien, die ab 2021 in der LMP1-Klasse eingeführt werden sollen." Spricht man die Macher wie Pierre Fillon oder den WM-Boss Gérard Neveu auf das Thema BMW an, erntet man nur ein breites Grinsen - und das Zitat: "Kein Kommentar!"

BMW-Sportchef Jens Marquardt ist zwar gerne willens, ganz allgemein und völlig unverbindlich über die Brennstoffzellentechnik zu plaudern, aber ein hartes und belastbares Statement zum Thema Le Mans, Garage 56 oder LMP1 gibt es natürlich nicht. Doch seine Ausführungen sind in Summe auch das Gegenteil eines eindeutigen Dementis. Fakt ist: BMW beschäftigt sich mit dem Thema. Konzernintern scheint eine Weichenstellung vorzuliegen: Elektromobilität über die i-Brand ist das Angebot für Megacitys und große Ballungsräume, die Brennstoffzelle könnte den Langstrecken-Part spielen.

Brennstoffzellentechnik ließe sich in Reglement integrieren

Denn im Gegensatz zu Batterien, deren Aufladung auch in Zukunft mehr Zeit als bei einem bisher üblichen Tankstopp benötigen wird, ist ein Tankvorgang mit flüssigem Wasserstoff binnen weniger Minuten bereits darstellbar. Mal abgesehen davon, dass die Emissionen eines Brennstoffzellenautos aus Wasserdampf besteht und damit sämtliche Aspekte der Umweltverträglichkeit erfüllt wären, ist der Faktor der "Nachtankung" in zweierlei Hinsicht von großer Bedeutung: Erstens könnte bezogen auf den Straßenverkehr die Tankstelleninfrastruktur weiterverwendet werden. Und im Motorsport wäre eine Nutzung dieser Technologie ebenfalls darstellbar, denn auch jene LMP1-Wagen mit klassischem Verbrenner müssen nachtanken.

Und damit wäre die Brennstoffzellentechnik geradezu prädestiniert für einen Einsatz im Langstreckensport. Ein FIA-Techniker bestätigt, dass es Überlegungen in diese Richtung gibt: "Betrachtet man sich alle verfügbaren oder denkbaren automobilen Antriebsformen der Zukunft, so könnte die Brennstoffzellentechnik am besten ins LMP1-Reglement integriert werden, weil der Rhythmus aus Fahren und Nachtanken identisch ist wie beim konventionellen Verbrenner. Damit könnten beide Technologien im gleichen Rennen gegeneinander antreten."

Aus Zulieferkreisen wie aus Herstellerquellen ist zu hören, dass die Technologie große Fortschritte mache, auch weil im Hintergrund starke Allianzen geschmiedet wurden: BMW kooperiert beispielsweise mit Toyota beim Thema Brennstoffzelle, auch die Linde AG ist bei diesen Projekten an Bord. Der Bauraum der Brennstoffzelle soll in den letzten Jahren auf ein Sechstel der ursprünglichen Größe geschrumpft sein, das Gewicht sank und die Leistungsfähigkeit konnte dabei parallel um ein Mehrfaches gesteigert werden - das alles sind Indizien für eine hohe Entwicklungsgeschwindigkeit und -intensität.

Die Aufgabe besteht hier nicht darin, die Umsetzbarkeit oder Tauglichkeit der Brennstoffzellentechnik für den Einsatz auf der Straße zu bewerten. Fakt ist, dass BMW offenbar auf diese Technologie setzt und eine Anwendung im Langstreckensport möglich wäre. Wie und ob diese Technologie in das bestehende EOT-System integriert werden kann, bleibt ebenfalls abzuwarten. Immerhin wird das Timing für einen möglichen Einsatz nun deutlicher. Sollte ein Hersteller wie BMW Interesse zeigen, bietet der ACO in der Regel die folgende Lösung an: im ersten Jahr Garage 56, um Erfahrung zu sammeln, dann ein Commitment für mindestens zwei Jahre, um die Technologie in der LMP1-Klasse zu verwenden. So hat man es mit Nissan gemacht - und so würde man es wohl auch wieder mit BMW machen.

Wenn wie erläutert das Thema Integration der Brennstoffzellentechnik ins Reglement unter normalen Umständen aber erst 2021 kommt, so könnte BMW also frühestens 2020 mit einem Garage-56-Projekt starten. Damit ist auch klar: Wir schauen hier weit in die Zukunft - mit all ihren Unwägbarkeiten, technologisch wie wirtschaftlich. Aus BMW-Kreisen ist zu hören, dass der Aufschlag des Konzerns rund um das Thema Brennstoffzellentechnik ein großer sein wird. Angeblich gibt es aber zwei Lager im Konzern: Die einen wollen Geld ausgeben, um die Straßenanwendung der Technologie zu pushen, die anderen wollen die Promotion mithilfe des Rennsports vorantreiben. Im Moment gibt es weder einen Vorstandsbeschluss noch ein Budget für den Einsatz im Rennsport.

Peugeot als zweiter großer Anwärter

Fakt ist - und hier sind wir beim zweiten Eckpfeiler der LMP1-Zukunft -, dass ein LMP1-Engagement sündteuer ist. Egal wie man es rechnet, man benötigt definitiv einen dreistelligen Millionenbetrag, um konkurrenzfähig zu sein. Dazu kommt ein Start-Investment, um die Infrastruktur herzustellen, das Einsatzteam aufzubauen und die notwendigen Tools wie einen Windkanal aus dem Boden zu stampfen. Insider mit Durchblick behaupten, dass sich allein das Start-Investment auf gut 500 Millionen Euro belaufen kann.

Freilich böte die Brennstoffzellentechnik, sollte sie von BMW erfolgreich im LMP1- Sport adaptiert werden, die geniale Möglichkeit, die "alte" Technologie - also zum Beispiel Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor - im gleichen Rennen mit neuer Technologie, also Brennstoffzellentechnik, zu schlagen. Solche Möglichkeiten bieten sich im Motorsport nur alle Jubeljahre mal.

Auch beim zweiten heiß gehandelten Anwärter für einen zukünftigen LMP1-Einstieg gibt es viel Wenn und Aber, aber noch wenig Konkretes. Peugeot-Sportchef Bruno Famin hat eine LMP1-Rückkehr fest im Visier. Nach dem eiligen Ausstieg Anfang 2012 hat der Franzose die Sportabteilung von Grund auf neu aufgestellt: Erst hielt man sich mit Kundensport über Wasser, mittlerweile ist man über das Rallye-Dakar-Projekt wieder - erfolgreich - in den großen Topmotorsport zurückgekehrt.

Dennoch gilt es einige Hürden zu überwinden: Im Moment werden im PSA-Konzern die beiden Sportabteilungen von Citroën und Peugeot unter ein Dach gezwungen, was nicht ohne Probleme und Krisen vonstatten geht. PSA-Konzernboss Tavares hat bestätigt, dass Peugeot nach Le Mans zurückkehren könnte, unter drei Bedingungen. Erstens, dass es dem Konzern finanziell gut geht. Zweitens, wenn die neue Struktur bei der Sportabteilung steht, und drittens, wenn das Reglement für den Einsatz innovativer Techniklösungen geöffnet würde.

Was Tavares dabei genau im Sinn hat, macht er im Moment nicht öffentlich. Ein Fazit fällt nicht leicht: BMW ist nicht raus, aber auch noch nicht drin. Bei Peugeot scheint man aktuell weiter von einer Entscheidung entfernt zu sein als BMW. Audi könnte aussteigen, Nissan hat sich verdünnisiert. Je nachdem wie die Münzen fallen, könnte es also im LMP1-Sport besonders gut oder besonders schlecht laufen: 2021 könnten fünf Hersteller am Start stehen - oder einer.

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Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten